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Neuer EU-Irrsinn: Internethändler müssen ab dem 09.01.2016 auf OS-Plattform zur Streitbeilegung verlinken

Das Thema Streitbeilegung und Streitschlichtung für Internethändler kommt mit Macht gleich aus mehreren Ecken:

Die deutsche Lösung: AS – Alternative Streitbeiliegung

Der Bundestag hat am 03.12.2015 das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (VSBG) beschlossen. Entgegen des ursprünglichen Gesetzesentwurfes hat der Bundestag die vom Rechtsausschuss empfohlene Fassung (BT-Drucksache 18/6904) verabschiedet. Dies hat für Internethändler den Vorteil, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes entsprechende Informationspflichten für Internethändler erst ein Jahr später gelten. Dem deutschen Gesetz fehlt noch die Zustimmung des Bundesrates. Die nächste Plenarsitzung des Bundesrates ist am 29.01.2016. Wenn das Gesetz dort abschließend behandelt wird, werden die wesentlichen Vorschriften, die auch Informationspflichten für Internethändler vorsehen, frühestens im Februar 2017 in Kraft treten. Vorher eröffnet das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz die Einrichtung von entsprechenden Schlichtungsstellen..

Wir sehen die alternative Streitbeilegung eher pessimistisch:

Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) hat seinen Hintergrund im EU-Recht. Hier kommen kurzfristig entsprechende Informationspflichten auf Internethändler zu:

Die Europäische Vorgabe: OS – Online-Streitbelegung

Die EU-Verordnung Nr. 524/2013 regelt unter anderem die Einrichtung einer Plattform zur Klärung von Online-Streitigkeiten, im EU-Jargon “OS-Plattform” genannt. Die Verordnung stammt schon vom 21.05.2013 und gilt ab dem 09.01.2016 verbindlich und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat. Vereinfacht gesagt wäre es so, als würde der deutsche Gesetzgeber für den deutschen Internethandel ein ab dem 09.01.2016 geltendes Gesetz erlassen.

So stellt sich die EU eine Online-Streitbeilegung vor

Die EU-Verordnung regelt die Einrichtung einer “OS-Plattform”, Kürzel für “Online Streitbeilegung”. Hierbei handelt es sich um eine Internetseite der EU. Diese wurde von der Europäischen Kommission entwickelt und soll benutzerfreundlich sein. Die OS-Plattform stellt eine zentrale Anlaufstelle für Verbraucher und Unternehmer dar, die Streitigkeiten, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, außergerichtlich beilegen möchten.

So funktioniert die OS-Plattform

Der OS-Plattform soll es folgendes geben:

  • Bereitstellung eines elektronischen Beschwerdeformulars
  • Unterrichtung des Beschwerdegegners (d. h. des Online-Händlers bspw.) über die Beschwerde
  • Ermittlung der zuständigen “Stelle für alternative Streitbeilegung” (AS-Stelle genannt)
  • Kostenlose Bereitstellung eines elektronischen Fallbearbeitungsinstruments
  • Informationsaustausch
  • Bereitstellung von elektronischen Formularen

In einem bunten PDF der EU sieht dies wie folgt aus:

 Zusammengefasst läuft die Meldung eines Konflikts auf der OS-Plattform dann so: 

 

 

 

Konkrete Informationspflichten der Internethändler

Gemäß Artikel 14 Abs. 1 der Verordnung müssen in der Europäischen Union niedergelassene Unternehmer, die

  • Online-Kaufverträge
  • oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen

und in der Union niedergelassene Online-Marktplätze (somit bspw. eBay oder Amazon) auf der jeweiligen Webseite einen Link zur OS-Plattform einstellen. Dieser Link muss für den Verbraucher leicht zugänglich sein. Anbieter von Online-Kaufverträgen oder Online-Dienstleistungsverträgen müssen zudem ihre Email-Adresse angeben.

Unfähigkeit der EU zur Umsetzung: 2 ½  Jahre Testphase sind nicht genug – die OS-Plattform gibt es noch nicht

Artikel 6 der Verordnung sieht vor, dass die Kommission die Plattform bis zum 09.01.2016 auf technische Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit testet.Nicht vergessen, die Verordnung ist bereits am 21.05.2013 in Kraft getreten. Ferner gilt die Verordnung ab dem 09.01.2016 direkt.Die EU-Kommission hat es schlichtweg nicht geregelt bekommen, dass die Plattform nach der eigentlich nur bis zum 09.01.2016 dauernden Testphase online gehen kann. Die Kommission selbst hat mitgeteilt, dass die Plattform erst ab dem 15.02.2016 erreichbar sein wird. Auf der entsprechenden Internetseite der Kommission ist sogar fälschlicherweise vom 15.02.2015 die Rede.

Es gibt somit auf der einen Seite nach der EU-Verordnung 524/2013 die Verpflichtung, auf die OS-Plattform zu verlinken und zwar ab dem 09.01.2016. Auf der anderen Seite gibt es ab dem 09.01.2016 die Plattform noch nicht.

Auch im Februar 2016 ist die OS-Plattform für Deutschland sinnfrei

Ziel der OS-Plattform ist vereinfacht gesagt die Möglichkeit, dass eine deutsche Stelle zur alternativen Streitbeilegung (AS-Stelle) sich der Verbraucherbeschwerde annimmt. Die entsprechenden Regelungen befinden sich im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. Das VSBG ist jedoch aktuell noch nicht einmal in Kraft getreten. Es gibt somit zumindest für deutsche Verbraucher keine AS-Stelle, die aktuell tätig werden könnte.

Selbst wenn die EU und der deutsche Gesetzgeber mit leichter Verspätung die entsprechenden tatsächlichen wie auch rechtlichen Voraussetzungen geschaffen haben, halten wir aus Sicht der Internethändler die alternative Streitbeilegung für eher sinnfrei. Zum einen sind die Kosten zum Teil höher als der Wert bspw. die Ware um die es geht. Zum anderen unterbreitet die Verbraucherschlichtungsstelle einen Schlichtungsvorschlag. Wird dieser von einer der Parteien oder von beiden Parteien (Verkäufer und Käufer) nicht angenommen, kann der Verbraucher immer noch zu Gericht gehen.

Wir beraten seit vielen Jahren ausschließlich Online-Händler. In der wirklich überwiegenden Anzahl der Fälle, in denen es Unstimmigkeiten zwischen dem Händler und dem Verbraucher gibt, konnte in den allermeisten Fällen eine gütliche Lösung herbeigeführt werden. Ein gerichtliches Verfahren aufgrund eines Online-Kaufs ist nach unserem Eindruck statistisch sehr selten. Hinzu kommt, dass in der Praxis eine große Anzahl von Fällen durch den PayPal-Käuferschutz erledigt werden. Diese Einschätzung mag vom Ergebnis her in anderen EU-Ländern durchaus anders aussehen. Dies können wir nicht genau beurteilen.

Neue Infopflichten, neues Abmahnthema

Wie immer bei Gesetzesänderungen und rechtlichen Änderungen, die mit neuen Informationspflichten einhergehen, wird bereits jetzt an einigen Stellen vor einer Abmahngefahr gewarnt. Ohne Hintergrundinformationen, wie eine direkt geltende EU-Verordnung, die ab dem 09.01.2016 gilt, eigentlich umgesetzt werden soll, wenn dies gar nicht möglich ist, gibt es jedoch an dieser Stelle oftmals keine Information.

Die entsprechende Informationspflicht für Internethändler wird somit frühestens dann in Kraft treten und auch wettbewerbsrechtlich relevant sein, wenn die OS-Plattform tatsächlich erreichbar ist.

In diesem Fall gilt:

Der Internethändler wie auch der Anbieter von Online-Dienstleistungen muss einen Link auf die OS-Plattform einstellen. Der Link muss für den Verbraucher leicht zugänglich sein. Ferner muss die Email-Adresse dargestellt werden.

Je nach dem, auf welcher Plattform ein Internethändler seine Waren anbietet (bspw. eBay, Amazon oder der eigene Internetshop), kann die konkrete Umsetzung der Informationspflicht durchaus unterschiedlich ausfallen. Wir haben bspw. bereits Kontakt zu eBay aufgenommen um zu klären, wie sich eBay die konkrete Umsetzung der Information eigentlich vorstellt und ob eBay hier technische Unterstützung leistet. eBay hat uns daraufhin einen konkrete Gestaltung empfohlen.

Mandanten, die unseren Update-Service beziehen, werden wir selbstverständlich konkret informieren.

Fazit

Die EU führt eine Regelung ein, die sie selbst im Rahmen ihrer eigenen Linien und Verordnungen nicht in der Lage ist, fristgerecht umzusetzen. Dies ist zunächst einmal für sich genommen schon ein Armutszeugnis. Die Internethändler werden wiederum mit Informationspflichten belastet, die außer einer zusätzlichen Abmahngefahr nichts bringen. Der deutsche Gesetzgeber ist ebenfalls nicht in der Lage gewesen, fristgerecht für deutsche AS-Stellen (außergerichtliche Streitbeilegung) zu sorgen. Eine Verpflichtung für Internethändler, sich auf ein Streitbeilegungsverfahren einzulassen, gibt es ohnehin nicht. Nicht zum Schluss verbleiben für den Online-Handel Informationspflichten, die zur festgesetzten Frist gar nicht umgesetzt werden können, weil die EU-Kommission ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat.

Das Ganze nennt sich dann Verbraucherschutz…

Stand: 07.01.2016

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard 

 

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