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Gesetz gegen Abmahnmissbrauch: Gut gedacht – nicht gut gemacht – warum Internethändlern auch weiterhin teure Abmahnungen drohen  

Durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ sollen kostenpflichtige Abmahnungen von Internethändlern reduziert werden. Absicht des Gesetzgebers war es, dass Abmahnungen nur im Interesse eines rechtstreuen Wettbewerbs erfolgen sollen und nicht zur Generierung von Gebühren und Vertragsstrafen.

Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens von vielen Seiten kritisiert worden. In vielen Punkten ist das Gesetz unklar und in sich nicht schlüssig.

Was bringt das Anti-Abmahngesetz wirklich?

Wir von Internetrecht-Rostock.de beraten seit fast 20 Jahren Internethändler, die abgemahnt wurden. Wir haben in fünfstelliger Anzahl abgemahnte Internethändler beraten bzw. vertreten. Aufgrund unserer Erfahrung aus den entsprechenden Verfahren haben wir bei einigen Aspekten des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs Zweifel, ob der Gesetzgeber sein Ziel erreichen wird. Bereits der Versuch des Gesetzgebers, die hohen Kosten bei urheberrechtlichen Abmahnungen, z. B. bei Tauschbörsen, gesetzlich zu deckeln, schlug in der Praxis im Ergebnis fehl, da die Abmahner Mittel und Wege fanden, die gesetzlichen Vorgaben auszuhebeln. Bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen wird es wahrscheinlich nicht anders sein. Natürlich sind Internethändler durch das neue Gesetz besser geschützt. Eine Übersicht finden Sie in unseren „FAQ zum neuen Anti-Abmahngesetz: Was sich ändert und warum Händler besser geschützt sind“.

Folgende Aspekte finden wir dennoch problematisch:

Klingt nur auf ersten Blick gut: Kein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten bei der Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet

Soweit ein Wettbewerber den Verstoß gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten abmahnt, ist gemäß § 13 Abs. 4 UWG der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen (Abmahnkosten) ausgeschlossen.

Für rechtsfähige Verbände (Abmahnvereine) gilt diese Regelung jedoch gerade nicht. Wir vermuten daher, dass es zukünftig die Abmahnvereine sein werden, die Internethändler bei Verstößen gegen Informationspflichten kostenpflichtig abmahnen. Abmahnvereine können seriös sein, zum Teil ist dies jedoch nicht der Fall. Es gibt bereits jetzt Abmahnvereine, denen Gerichte einen Rechtsmissbrauch ins Stammbuch geschrieben haben. Dies gilt inbesondere für den IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. Hinsicxhtlich des IDO hatten sowohl das LG Heilbronn, das OLG Celle, aber auch das OLG Rostock Rechtsmissbrauch angenommen.

Was sind Informationspflichten im Internet?

Hinzukommt die Frage, was Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten eigentlich konkret sind. Nur in diesem Fall ist bei einer Abmahnung durch den Wettbewerber die Erstattung von Abmahnkosten ausgeschlossen.

Nach der Gesetzesbegründung gehören dazu Informationspflichten nach § 5 TMG (Impressum), Informationspflichten in Fernabsatzverträgen nach § 312 BGB, die Pflicht zur Information über das Widerrufsrecht sowie die Informationspflichten nach der Preisangabenverordnung.

Zwei Aspekte hat bereits der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausgeklammert:

Es darf sich zum einen nicht um Warnhinweise handeln. Hierzu gehören bspw. Warnhinweise nach der Spielzeugrichtlinie (Richtlinie 2009/48/EG). Zu denken wäre auch an die CLP-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1272/2008). Es gibt ferner Warnhinweise beim Angebot von Bioziden oder bei anderen spezifischen Produkten.

Auch ein umfangfeicher Privatverkauf bei eBay fällt nicht unter die Ausnahme.

Falsche Informationen = Verstoß gegen gesetzliche Informationspflichten?

Offen ist ebenfalls die Frage, ob eine falsche Information ebenfalls dazu führt, dass gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG ein Verstoß gegen Informationspflichten vorliegt. Die Grenzen sind fließend, wie z. B. die Information über die Widerrufsfrist und die Rücksendekosten oberhalb der Widerrufsbelehrung bei eBay. Ebenfalls fließend sind die Grenzen zur Irreführung gemäß § § 5 und 5 a UWG.

Kommen dann neue Abmahnthemen außerhalb von Informationspflichten?

Nach fast 20 Jahren Beratungen von Internethändlern im Bereich des Wettbewerbsrechts fällt auf, mit welcher Kreativität die Abmahner immer wieder neue Themen suchen und finden. Hierzu gehört z. B. die aktuelle Entscheidung des Landgerichtes Münster, derzufolge die Information zu eBay Plus bei eBay intransparent und wettbewerbswidrig sind. Aber auch das Irreführen durch Unterlassen gemäß § 5 a UWG spielt eine immer größere Rolle. Die Rechtsprechung nimmt gemäß § 5 a UWG immer öfter an, dass es Informationspflichten im Internet gibt, die zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, die der Verbraucher jedoch benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. In diesem Fall fehlt zwar eine Information im Internetangebot, die Erforderlichkeit dieser Information resultiert jedoch nicht aus einer gesetzlichen Informationspflicht. Folge ist, dass bei einer derartigen Abmahnung auch Abmahnkosten verlangt werden können.

Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe bei erstmaligem Verstoß – was ist erstmalig?

Bei einer erstmaligen Abmahnung durch einen Wettbewerber ist gemäß § 13 a Abs. 2 UWG die Forderung nach einer Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe ausgeschlossen, wenn es sich um einen Verstoß gegen Informationspflichten gemäß § 13 a Abs. 2 UWG im Internet handelt.

Ziel des Gesetzgebers war es offensichtlich, dass eine Abmahnung durch einen Wettbewerber wegen eines Verstoßes gegen Informationspflichten im Internet kostenlos und hinsichtlich der Unterlassungserklärung ohne Sanktion einer Vertragsstrafe sein soll.

Es stellt sich bereits die Frage, was eine „erstmalige Abmahnung“ eigentlich sein soll:

Die erstmalige grundsätzliche Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen Informationspflichten oder die erstmalige Abmahnung wegen eines bestimmten Verstoßes gegen eine bestimmte Informationspflicht?

Man kann durchaus darüber nachdenken, ob bei mehreren Verstößen gegen Informationspflichten nach einer ersten Abmahnung ohne die Forderung einer Vertragsstrafe eine weitere Abmahnung mit Forderung einer Vertragsstrafe ausgesprochen werden kann. Auch die zweite Abmahnung wäre übrigens nur ohne die Geltendmachung von Abmahnkosten zulässig.

Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe -wirklich zahnlos-?

Eine Unterlassungserklärung ohne das Versprechen einer Vertragsstrafe klingt zunächst nach einem juristischen Nullum. Faktisch ist sie dies jedoch nicht, immerhin gibt es eine vertragliche Zusicherung, etwas zu unterlassen. Wenn auch für den Fall der Zuwiderhandlung keine Vertragsstrafe geltend gemacht werden kann, können entsprechende Verstöße gerichtlich über § 890 ZPO sanktioniert werden.

Zukünftig mehr teure gerichtliche Verfahren?

Wir gehen davon aus, dass es zukünftig sehr viel mehr gerichtliche Verfahren geben wird:

Gemäß § 8 c Abs. 2 Nr. 5 UWG setzt sich ein Abmahner dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs aus, wenn eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Abmahner müssen daher zukünftig sehr genau überlegen, wie eine der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärung so formuliert wird, dass sie nicht zu weitgehend ist.

Die Folge wird mutmaßlich sein, dass Abmahnungen zukünftig keine Unterlassungserklärung mehr beigefügt werden. Der Abmahner ist damit auf der sicheren Seite.

Für den Abgemahnten ist die Situation misslich: Er muss sich quasi zwangsläufig anwaltlich beraten lassen, wenn er beabsichtigt, die Angelegenheit durch Abgabe einer ordnungsgemäßen Unterlassungserklärung außergerichtlich beizulegen.

Nach unserer Erfahrung nehmen viele Abgemahnte eine Abmahnung, der keine Unterlassungserklärung beigefügt ist und mit der auch keine Abmahnkosten gefordert werden, schlichtweg nicht ernst und ignorieren sie.

Die Regelung gemäß § 13 a Abs. 2 UWG, dass bei der Verletzung von Informationspflichten Wettbewerber keine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe fordern dürfen, berührt jedoch nicht das gerichtliche Verfahren. Trotz einer kostenfreien Abmahnung und der Forderung einer Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe kann der Abmahner nach Fristablauf selbstverständlich die Ansprüche gerichtlich durchsetzen. Dadurch wird es für den Abgemahnten plötzlich sehr teuer.Wir sehen jedenfalls im neuen Gesetz keine Regelung, dass in derartigen Fällen die Durchsetzung von Ansprüchen vor Gericht ausgeschlossen wäre.

Aus ursprünglich kostenlos wird dann sehr teuer.

Wir beraten Sie bei einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung.

Stand: 26.10.2020

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke