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Rechtsmissbrauch durch den IDO: So schützt der IDO seine eigenen Mitglieder vor Abmahnungen (LG Heilbronn)

Wir hatten bereits kurz über das Urteil des Landgerichtes Heilbronn (LG Heilbronn, Urteil vom 20.12.2019, Az: 21 O 38/19 KFH (nicht rechtskr.)) berichtet:

Das Landgericht Heilbronn hatte angenommen, dass der Abmahnverein IDO  Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. rechtsmissbräuchlich handelt, da er seine eigenen Mitglieder verschont und nicht abmahnt. Nunmehr liegt uns das Urteil im Volltext vor. Die Ausführungen des Gerichtes zur Arbeitsweise  des IDO und zum Prozessverhalten sind wirklich bemerkenswert und dürften für den IDO zukünftig zu erheblichen Problemen in der Durchsetzung seiner Ansprüche führen. Den Abgemahnten in diesem Verfahren hat Herr Rechtsanwalt Dr. Benjamin Stillner von der Kanzlei Schmid & Stillner vertreten, dem wir an dieser Stelle herzlich für die Verfügungstellung des Urteils danken.

Der Fall

Der Abgemahnte, ein Anbieter für Elektro- und Elektronikartikel bei eBay war vom IDO u. a. wegen einer fehlenden Widerrufsbelehrung, wegen fehlender Informationen zu Herstellergarantien und weiteren Punkte abgemahnt worden. Der Abgemahnte hatte eine negative Feststellungsklage eingereicht, dass nämlich der IDO nicht berechtigt sei, Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Der IDO hatte daraufhin als Widerkläger gegen den Abgemahnten als ursprünglicher Klage auf Unterlassung eingereicht. Die Widerklage hatte sich damit erledigt. Dies ist wichtig, um zu verstehen, weshalb im Urteil vom IDO als „Widerkläger“ die Rede ist.

Das Gericht hatte angenommen, dass die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche durch den IDO rechtsmissbräuchlich sei, da insbesondere beim Thema Werbung mit Herstellergarantien nicht gegen die eigenen Mitglieder vorgegangen wurde.

Im Rahmen des Verfahrens wurde die Zeugin S. als Geschäftsführerin des IDO vernommen.

Der Vortrag des IDO zum Vorgehen gegen eigene Mitglieder aufgrund von Werbung mit der Herstellergarantie

Im Tatbestand des Urteils erläutert das LG Heilbronn, was der IDO zum Thema Vorgehen gegen eigene Mitglieder beim Fehlen einer Information zur Herstellergarantie vorgetragen hatte.

Der IDO hatte angegeben, seine Mitglieder bereits seit 2011 zum Thema Garantiewerbung zu informieren. Ab Januar 2019 hätte es gezielte Mailing-Aktionen auf die Notwendigkeit der rechtskonformen Garantieinformationen gegeben. Der Vortrag des IDO wird im Urteil wie folgt zitiert:

„Da die Thematik zunehmend auch im Internet bekannt geworden sei, sei es vereinzelt auch zu Beschwerden über Mitglieder bzw. Zwischenmitgliedern gekommen. Diese seien durch entsprechende Hinweise und Optimierung der Werbung erledigt worden. Zudem sei die einschlägige Rechtsfrage noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt, indes die Klärung anderwärts veranlasst.“

Diese Ausführungen sind insofern bemerkenswert, als dass der IDO, „eine Klärung dieser Rechtsfrage“ mit den damit verbundenen Folgen für Händler nur bei Händlern „veranlasst“, die gerade nicht Mitglied des IDO sind. Uns sind jedenfalls eine Vielzahl von Abmahnungen zum Thema Herstellergarantie des IDO bekannt. Das Landgericht Hannover hat in einer ersten Entscheidung in der I. Instanz, hier war wiederrum der IDO Kläger, Unterlassungsansprüche verneint.

Jedenfalls hat der IDO wohl zu keinem Zeitpunkt wegen einer angeblich falschen Information zur Herstellergarantie seine Mitglieder abgemahnt. Es heißt insofern im Tatbestand des Urteils:

„Er (der IDO) habe seine Mitglieder stichprobenartig überprüft und, was er ohnehin mache, auf erfolgreich auf die Beseitigung von Verstößen gedrängt. In wenigen Fällen habe er durch die Androhung von Abmahnungen / Klagen erreicht, dass die Verstöße beseitigt worden seien.“

Vorstand erschien nicht zum Verhandlungstermin

Das Gericht sah es als kritisch an, dass der Prozessvertreter des IDO offensichtlich nicht in der Lage war, zu einzelnen Fragen Auskünfte zu erteilen und auch der Vorstand des IDO es nicht für nötig hielt, zum Verhandlungstermin zu erscheinen:


„Die Widerklägervertreterin zeigte sich jedoch auf Nachfrage nicht in der Lage, zu den fraglichen Gegebenheiten auch nur rudimentär Auskunft zu erteilen und hat auf die Zeugin S. verwiesen, auf deren Aussage noch zurückzukommen sein wird. … Obwohl das Gericht in der Verfügung vom … das Bedürfnis um Aufklärung deutlich gemacht hat, ist der Vorstand des Widerklägers der Verhandlung somit fern geblieben, was nach Würdigung Zeichen für die Taktik einer mangelnden Transparenz ist.“

Bereist diese Ausführungen sind für ein Gericht ungewöhnlich deutlich.

Familiäre Verquickungen bei IDO?

Dann wird es im Urteil wirklich interessant:

„Die gegebenen Verhältnisse deuten auf eine Verquickung familiärer und wirtschaftlicher Interessen im Bereich des Widerklägers hin. Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Zeugin S. eine freie Mitarbeiterin des Widerklägers – entsprechend des Hinweises der Prozessvertreterin des Widerklägers – umfassende Auskunft zu den angesprochenen Themen sollte erteilen können, wenn dies nicht mit einem familiären Kontext zu erklären sein solle – die Zeugin ist die Schwester der Vorstandsvorsitzenden des Widerklägers. Überhaupt ist nicht ersichtlich, warum die Zeugin unter den gegebenen Umständen „freie Mitarbeiterin“, also selbstständig und nicht abhängig beschäftigt sein könnte. Immerhin beläuft sich der Arbeitsumfang nach ihren Angaben auf mehr als 20 Stunde pro Woche bei Entlohnung nach geleisteten Stunden. Nach ihren Schilderungen in der Sache, nach denen sie letztlich keinen Entscheidungsspielraum hat und lediglich Hilfsdienste leistet, dürfte ein verschleiertes Arbeitsverhältnis vorliegen. Die Problematik hat die Zeugin offenbar erkannt, indem sie mit weitergehenden Angaben zu ihrer beruflichen Tätigkeit sehr zurückhaltend war. So hat sie ausgesagt, sie könne nicht „genau“ angeben, welcher Prozentsatz ihrer Einkünfte die Vergütung ausmache. Was an dieser Stelle eher die Frage zur Erlangung eines Überblickes über die berufliche Tätigkeit der Zeugin hatte dienen sollen, weshalb nicht weiter nachgefragt wurde, erweist sich in dem Kontext der weitergehenden Angaben als wichtige Erkenntnisquelle für die Einordnung der Rolle der Zeugin im Zusammenhang mit der Organisation des Widerklägers. Es liegt nahe, dass es bei der „Beauftragung“ der Zeugin um die Vermeidung eines „bösen Scheins“ mit Blick auf § 55 AO oder gar entsprechende Satzungsbestimmungen gehe. Motivation für die ungenauen Angaben ist es offenbar zu vermeiden, dass das Gericht sich ein umfassendes und zutreffendes Bild von der Tätigkeit der Zeugin und den wirtschaftlichen Zusammenhängen im Bereich des Widerklägers mache. Mit einem solchen Vorgehen wird indes das Gegenteil des intendierten erreicht: Es ergibt sich das Bild einer undefinierbaren Gemengelage von privaten und öffentlichen Interessen unter Gefährdung der Beachtung von Einschränkungen aufgrund satzungsmäßigen bzw. gesetzlichen Bindungen im Rahmen eines Idealvereins und Verbraucherverbandes, der Rechte gem. § 8 UWG geltend machen will.“

In diesem Zusammenhang fällt uns natürlich sofort unsere Information über den IDO vom 30.05.2018 ein: Die ZDF-Sendung Frontal21 hatte am 29.05.2018 über den IDO berichtet. U. a. wurde darüber berichtet, dass die Assistentin der Geschäftsführung 120,00 Euro die Stunde verdient.

Einblicke in die innere Struktur des IDO sollten vermieden werden

Hierzu führt das Landgericht Heilbronn aus:


„Nicht ersichtlich ist, warum gerade eine freie Mitarbeiterin, die nach ihren Angaben noch dazu lediglich Hilfsdienste leistet, prädestiniert sein sollte, zuverlässig Einblicke in sämtliche Angelegenheiten, einschließlich der wirtschaftlichen Gegebenheiten des Vereins zu geben bzw. diese als kompetente Zeugin zu vermitteln. Diese prozessuale Vorgehensweise spricht unter den gegebenen Umständen eher dafür, dass die Verschaffung eines Einblickes in die innere Struktur des Widerklägers durch „Außenstehende“, auch Beschäftigte des Vereins, möglichst vermieden werden soll.“

Vorgehen der Zeugin erscheint als mit dem IDO abgestimmt

Hierzu führt das Gericht aus:

„Die Vorgehensweise der Zeugin erscheint als mit dem Widerkläger abgestimmt und als strukturell verfestigt, zumal das Vorbringen des Widerklägers und erkennbare Aussageintention der Zeugin auf einer Linie liegen. Dies zeigt sich in Ansehung des nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellenden Umstandes, dass der Widerkläger sein Vorgehen bei Wettbewerbsverstößen von Mitgliedern in wesentlichen Punkten falsch dargestellt hat und sich dies mit der Aussage der Zeugin fortsetzt.“

Diese Feststellungen im Tatbestand des Urteils bedeuten nichts anderes, als dass der IDO im Verfahren offensichtlich falsch vorgetragen hatte. Diese Überzeugung hat sich das Gericht nach Anhörung der Zeugin S. gebildet.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„So hat der Widerkläger nicht allein behauptet, er weise seine Mitglieder auf Verstöße hin, sondern er setze eine Frist zur Beseitigung des jeweiligen Verstoßes bzw. nach fruchtlosem Fristablauf werde er auch gegen das Mitglied tätig, d. h. spreche Abmahnungen aus und setze seine Ansprüche auch gegen Mitglieder gerichtlich durch, seien es Unterlassungs- oder Vertragsstrafenansprüche. Diese Behauptungen sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unzutreffend. Der Widerkläger hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein gerichtliches Verfahren benennen können, dass einen Unterlassungsanspruch gegen ein Mitglied betraf. Der von ihm als Nachweis für gegen Mitglieder geführte Verfahren in Bezug genommenen Entscheidungen des Landgerichtes Mönchengladbach und Osnabrück betreffen ausweislich der Textauszüge Vertragsstrafenansprüche. Die ferner als Beleg für einen gegen ein Mitglied geltend gemachten Unterlassungsanspruch angeführte Verfügung des Landgerichtes Berlin vom 12.09.2016 ist nicht aussagekräftig, insbesondere deswegen nicht, weil nicht bekannt ist, unter welchen Umständen welcher Anspruch mit welchem Ergebnis Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, das im Übrigen mit großer Wahrscheinlichkeit mittlerweile abgeschlossen sein dürfte, so dass Gegenstand und Art der Erledigung unschwer zu reflektieren gewesen sein würden. Ganz im Sinne dieser Parallelität hat die Zeugin S. in ihrer Vernehmung die Behauptungen des Widerklägers sinngemäß wiederholt, es erfolge nach einem Ersthinweis eine Aufforderung zur Beseitigung mit Fristsetzung, sodann eine allerletzte Aufforderung, dann werde gegen das Mitglied vorgegangen. Auf konkrete Nachfrage hin zeigte sich die Zeugin indes nicht in der Lage, hierzu konkrete Beispiele zu benennen bzw. auch nur eine Anzahl entsprechender Fälle anzuführen oder auch nur zu den nach der vorgetragenen Stringenz in der Vorgehensweise notwendigen Aktenführungen Ausführungen zu machen, obwohl ihr als durch den Widerkläger universell benannte Zeugin entsprechende Fähigkeiten angesonnen seien müssten.”

Daher: Rechtsmissbrauch

„Im Ergebnis stellt sich die Vorgehensweise des Widerklägers als Missbrauch unter Würdigung der Begleitumstände des vorprozessualen und prozessualen Vorgehens dar. Zwar ergibt sich ein noch unvollständiges Bild hinsichtlich der Vorgehensweise des Widerklägers und grundsätzlich darf ein Wettbewerbsverband – wie ausgeführt – die Adressaten seines satzungsmäßigen Handelns und seine Vorgehensweise frei bestimmen. Die Möglichkeit des planmäßigen Aussparens von Mitgliedern bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, die auch keinesfalls von der Treuepflicht im Verein gedeckt sein kann, da sich diese niemals gegen satzungsmäßige Verpflichtungen richten kann, ist indes greifbar. Bereits auf dieser Basis greift die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, wie sie das OLG Hamm in dem vom Widerbeklagten angeführten Urteil vom 13.06.2013 – 4 U 26/13 – zutreffend gesehen hat. Demnach obläge es nach alledem bereits aus diesen Gründen dem Widerkläger, den gegen ihn sprechenden Anschein zu entkräften.

Hinzukommt der oben dargelegte weitergehende Anschein einer Verquickung privater und öffentlicher Interessen. Besonders aber im Zusammenwirken mit dem dargestellten Prozessverhalten ergibt sich ein Gesamtbild, dass die Durchsetzung etwa gegebener Unterlassungsansprüche im vorliegenden Verfahren ausschließt.“

Fazit

Wir haben es immer geahnt:

 Die „Verquickung privater und wirtschaftlicher und öffentlicher Interessen“ war nach unserer Auffassung bereits nach der ZDF-Sendung Frontal21 vom 29.05.2018 offensichtlich.

Des Weiteren sind in der Vergangenheit nicht wenige Händler Mitglied beim IDO geworden, um eine Abmahnung des IDO zu vermeiden. Wie sich aus dem Urteil des Landgerichtes Heilbronn zeigt, war dies – zumindest in der Vergangenheit – eine gute Investition. Diese Zeiten dürften vorbei sein. Nicht nur den vielfach Abgemahnten reicht es, mittlerweile ist offensichtlich auch bei einigen Gerichten die rote Linie überschritten, sowohl was die Aktivlegitimation des IDO angeht wie auch möglicher Rechtsmissbrauch.

Wir von Internetrecht-Rostock.de werden auf diesen Aspekt selbstverständlich zukünftig ein besonderes Augenmerk legen.


Wir beraten Sie bei einer Abmahnung des IDO.

Stand: 10.01.2020

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke