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Änderung der Artikelbeschreibung bei Amazon kann wettbewerbswidrig sein(OLG Oldenburg): Wenn ein No-Name-Produkt plötzlich zu einem Markenprodukt wird

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Teil des Geschäftsmodells bei Amazon ist es, dass Anbieter bei Amazon, eine Identität der Produkte vorausgesetzt, bereits vorhandene Artikelbeschreibungen nutzen können. Dies ist einigen Anbietern, die die Artikelbeschreibung erstellt haben, ein Dorn im Auge oder es wird zum Teil schlichtweg nicht verstanden, dass, anders als bei eBay bspw., eine Artikelbeschreibung bei Amazon auch durch Dritte genutzt werden kann.

Kern der Möglichkeit von Amazon-Händlern, die Artikelbeschreibungen und Bilder Dritter zu verwenden, ist im Übrigen XIII. der Amazon-AGB, demzufolge Teilnehmer bei Amazon ein unbefristetes und umfassendes Nutzungsrecht übertragen, wenn Bilder und Artikelbeschreibungen eingestellt werden.

Problem: Änderung von Artikelbeschreibungen

Bestimmte Händler bei Amazon haben die Berechtigung, Artikelbeschreibungen und eine Artikelüberschrift abzuändern. Dies müssen nach unserer Einschätzung nicht unbedingt die Händler sein, die die Artikelbeschreibung ursprünglich einmal eingestellt haben. Eine Rolle spielt hier wohl eine sogenannte “ASIN-Priorität”, die es bestimmten Händlern erlaubt, bereits vorhandene Artikelbeschreibungen abzuändern.

Folge kann sein, dass plötzlich die Artikel-Identität gar nicht mehr gegeben ist und ein Amazon-Verkäufer ein Produkt anbietet, das er tatsächlich gar nicht liefert. 

Noch tückischer wird es, wenn ein No-Name-Produkt plötzlich durch die Änderung der Artikelbeschreibung oder der Artikelüberschrift zu einem Markenprodukt wird. Noch tückischer wird es, wenn der Inhaber der Marke des “neuen Markenproduktes”, das früher ein No-Name-Produkt war, erst die Artikelbeschreibung abändert und ein markenrechtlich geschütztes Kennzeichen hinzufügt, um dann eine angebliche Schutzrechtsverletzung bei Amazon zu melden. Folge ist, dass Amazon – wie andere Verkaufsportale auch – auf Grund der sehr strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Markenrechtsverletzungen auf Verkaufsportalen sofort tätig wird und ein Verkäufer unverzüglich von einer ASIN entfernt. Passiert dies mehrmals, droht eine zeitweilige oder dauernde Sperre des Verkäuferkontos. Eine unberechtigte Markenverletzungsmeldung bei Amazon kann für sich genommen schon wettbewerbswidrig sein.

Wenig Rechtsprechung gibt es bisher zu der Frage, wie es eigentlich mit einer Änderung der Artikelbeschreibung aussieht. Bisher war uns hierzu nur ein Beschluss des Landgerichtes Bonn bekannt. Nunmehr gibt es eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichtes Oldenburg, das sich einmal intensiver mit dieser Frage auseinandergesetzt hat (Urteil des OLG Oldenburg vom 06.05.2010, Az.: 1 W 17/10). 

No-Name-Produkt wurde zum Markenprodukt

Hintergrund des Rechtsstreites war der Umstand, dass im Bereich Computerzubehör ein absolutes No-Name-Produkt plötzlich mit einer registrierten Marke in der Artikelüberschrift angeboten wurde. Unmittelbar nach Änderung der Artikelbeschreibung erfolgte durch den Markeninhaber eine Schutzrechtsverletzungsmeldung gegenüber Amazon, woraufhin der Anbieter des No-Name-Produktes von Amazon von der ASIN entfernt wurde. Sehr ausführlich und gründlich hat sich der Senat des OLG Oldenburg mit dem Verkaufsmodell von Amazon auseinandergesetzt. Es heißt insofern in dem Urteil:

“Dass unter einer Produktbeschreibung und einer ASIN bei Amazon mehrere konkurrierende Anbieter (Händler) ihre von der Produktbeschreibung erfassten Waren anbieten, ist, – wie die Klägerin durch eidesstattliche Versicherung und ein Fallbeispiel glaubhaft gemacht hat, aber auch bei Aufsuchen der Internetseiten von Amazon ohne Weiteres festzustellen ist, auf der Verkaufsplattform Amazon üblich und gehört danach zum Präsentationssystem der Verkaufsangebote bei Amazon. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob Amazon selbst oder ein Anbieter und ggf. welcher Anbieter die Verkaufsbeschreibung des Produktes erstellt hat. Aus XIII. den von Amazon zugrunde gelegten Teilnahmebedingungen folgt, dass Amazon sich ein zeitlich unbefristetes, umfassendes Nutzungsrecht an solchen Beschreibungen einräumen lässt und sie infolge dessen als Produktbeschreibung auf der von Amazon betriebenen Verkaufsplattform verwendet werden dürfen.”

Aus Sicht des Senates des OLG Oldenburg war es unerheblich, dass der Beklagte ursprünglich die Produktbeschreibung bei Amazon angelegt hatte. Ironischerweise hatte der Amazon-Händler, der bei Amazon veranlasst hatte, dass die Produktbeschreibung durch einen Markennamen ergänzt wird, genauso wie der andere Händler, ein No-Name-Produkt geliefert, wie im Rahmen eines Testkaufes festgestellt werden konnte.

Wer plötzlich ein Markenprodukt bei Amazon anbieten möchte, sollte eine neue Produktbeschreibung bei Amazon anlegen. Es heißt insofern in der Entscheidung:

“Es wäre sicherlich legitim und auch wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden gewesen, wenn der Beklagte wegen seines nachvollziehbaren Interesses, seine Adapter auch unter einer eigenen Produktbeschreibung und ASIN unter Verwendung seiner Marke anzubieten, sich an Amazon gewandt hätte und – ohne Erhebung unberechtigter Vorwürfe einer Markenrechtsverletzung gegenüber der Klägerin – um die Verwendung einer eigenen neuen Produktbeschreibung (unter Verwendung der Marke) und eine eigene ggf. neue ASIN nachgesucht hätte. Auf eine solche rechtmäßige, wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Weise ist der Beklagte hier jedoch nicht vorgegangen. Stattdessen hat er sich mit der unberechtigten Anzeige einer Markenverletzung der Klägerin an Amazon gewandt und damit den Ausschluss der Klägerin als Wettbewerber und die Veränderung der auch für das Produkt der Klägerin passenden Produktbeschreibung herbeigeführt.”

Die Unterstreichung stammt im Übrigen direkt aus dem Urteil.

Zum Teil ist gar nicht so leicht nachzuweisen, wer bei Amazon welche Veränderungen an Produktbeschreibungen vornimmt. Nach unserer Erfahrung ist Amazon bei entsprechenden Rückfragen nicht kooperativ. In der durchaus lesenswerten Entscheidung wird deutlich, dass der Beklagte selbst durch Eintragungen in seinem Blog und bei Twitter eine Motivation für die Produktänderung ablieferte.

Das OLG Oldenburg hat die “gezielt herbeigeführte Beschränkung der Artikelbeschreibung” als Behinderungswettbewerb gemäß § 4 Nr. 10 UWG angesehen. Insofern heißt es in der Entscheidung:

“Wettbewerbsrechtlich relevant ist allerdings nur die gezielte Behinderung, die dann anzunehmen ist, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände die Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung des eigenen Absatzes oder des sonstigen legitimen eigenen Wettbewerbs, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Entfaltung des Mitbewerbers gerichtet ist. Eine  subjektive Behinderungsabsicht ist hierfür zwar keine zwingende Voraussetzung. Eine gezielte und damit wettbewerbsrechtlich unlautere Behinderung ist aber stets gegeben, wenn die Maßnahme subjektiv von einer Behinderungsabsicht getragen ist, der Handelnde also subjektiv die Absicht hat, den Mitbewerber an seiner wettbewerbsrechtlichen Entfaltung zu hindern und ihn ganz oder in einem Teilbereich vom Markt zu verdrängen. Von letzterem ist im vorliegenden Fall auszugehen. Wie zuvor dargestellt, war die unberechtigte Anzeige einer Markenrechtsverletzung seitens des Beklagten darauf ausgerichtet, das Angebot der Klägerin bei Amazon entfernen zu lassen und durch die Veränderung der Produktbeschreibung das konkurrierende Angebot der Klägerin auszuschließen. Dies war auch subjektiv das vom Beklagten vorausgesehene und letztlich auch angestrebte Ziel seines Handelns.”

Wer im Übrigen Markenrechtsverletzungen bei Amazon meldet in Kenntnis dessen, dass faktisch keine Markenrechtsverletzung vorliegt, verwirklicht auch den Tatbestand einer wettbewerbswidrigen Anschwärzung gemäß § 4 Nr. 8 UWG.

Schnelle Beseitigung der falschen Schutzrechtsverletzungsmeldung durch einstweilige Verfügung?

Für betroffene Händler, die von Amazon auf Grund von angeblichen oder tatsächlichen Markenrechtsverletzungen von einer ASIN entfernt wurden, geht es schnell um die Existenz. Amazon fackelt nicht lange (wie andere Portale im Übrigen auch) und sperrt gerade bei wiederholten Markenrechtsverletzungen gern einen Verkaufs-Account, sei es unbefristet oder zeitlich befristet.

Rechtlich gesehen geht es somit nicht darum, den Händler wieder für einen Handel mit einer bestimmten ASIN zuzulassen sondern darum, Amazon deutlich zu machen, dass die Schutzrechtsverletzungsmeldung eines Dritten unberechtigt war. Folge ist – so jedenfalls unsere Erfahrung, dass dann eine Freischaltung der ASIN oder des Accounts erfolgt.

Tipp: Artikelbeschreibungen regelmäßig überprüfen.

Nach unserem Eindruck wird von der Möglichkeit verschiedener Anbieter bei Amazon, Artikelbeschreibungen zu verändern, reichlich Gebrauch gemacht. Wir empfehlen zum einen, die ursprüngliche Artikelbeschreibung zu dokumentieren, damit Änderungen auch nachgewiesen werden können, zum anderen empfehlen wir dringend, dass regelmäßig überprüft wird, ob die ursprüngliche Artikelbeschreibung überhaupt noch dem Produkt entspricht. Dies gilt umso mehr, wenn No-Name-Produkte plötzlich zu Markenprodukten gemacht werden, da in diesem Fall leicht die Existenz auf dem Spiel stehen kann.

Auf Grund des Umstandes, dass wir innerhalb von kurzer Zeit mehrere Verfahren hinsichtlich unberechtigter Meldungen einer Markenrechtsverletzung bei Amazon geführt haben, gehen wir davon aus, dass hier ein neuer Trend zu erkennen ist, mit dem versucht wird, sich Wettbewerber vom Hals zu schaffen.

Wir beraten Sie gern.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

Stand: 05/2010

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