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Tabak und Alkohol im Versandhandel – was muss beim Jugendschutz beachtet werden?
Von Rechtsreferendar Fabian Liebenow
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Aktuell: Dieser Beitrag ist rechtlich veraltet:
Ab dem 01.04.2016: Durch Änderung des Jugendschutzgesetzes Abgabe von E-Zigaretten, Shishas und Tabakwaren im Internet nur noch an Volljährige
Die deutschen Jugendschutzregelungen gelten als streng. Egal ob es um Filme, Computer- und Videospiele, den Aufenthalt in Diskotheken, Alkohol oder Zigaretten geht. Es gibt im Jugendschutzgesetz Altersgrenzen die von Veranstaltern und Händlern strikt eingehalten werden müssen, anderenfalls drohen ihnen empfindliche Strafen.
Immer wieder wird von Politik und Medien beispielsweise der Einsatz jugendlicher Alkoholtestkäufer gefordert, um die Einhaltung entsprechender Altersgrenzen durch den Handel zu kontrollieren und um zu verhindern, dass Minderjährige an für sie nicht erlaubten Alkohol gelangen. Da dürfte es viele überraschen, dass für den Versandhandel, beispielsweise über das Internet, im Jugendschutzgesetz (JuSchG) keine Alterskontrollen für Alkohol und Tabakwaren vorgesehen und nach Ansicht des Landgerichts Koblenz daher auch nicht notwendig sind (LG Koblenz, Beschluss vom 13.08.2007 – 4 HK O 120/07)! Der Beschluss des Landgerichtes ist bislang die uns bisher einzig bekannte gerichtliche Entscheidung in dem Bereich.
In dem Verfahren wollte ein Tabakgroßhändler einem Konkurrenten die Abgabe von Tabakwaren im Internet an Kinder und Jugendliche untersagen lassen.
Die Regelungen zur Abgabe von Tabakwaren finden sich im § 10 JuSchG. Die Koblenzer Entscheidung betrifft aber auch die, an den entscheidenden Stellen, inhaltsgleichen Regelungen für Alkohol im § 9 JuSchG, worauf das Gericht auch in der Begründung gesondert hinweist.
Ist Versandhandel öffentlich?
§ 10 Abs. 1 JuSchG besagt, dass in Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit Tabakwaren an Kinder oder Jugendliche weder abgegeben noch ihnen das Rauchen gestattet werden darf. Bei einem Versandhändler handelt es sich weder um eine Gaststätte noch um eine Verkaufsstelle. Die daher entscheidende Frage, ob der Versandhandel von dem Auffangbegriff “sonst in der Öffentlichkeit” erfasst wird, hat das Gericht ohne nähere Begründung verneint.
Vereinzelt wird vertreten, dass der Versandhandel über das Internet “sonst in der Öffentlichkeit” ist (Liesching MMR 2007, 725). Im Internet soll es demnach einen “virtuellen öffentlichen Raum” geben und der Versandhandel dort ebenfalls öffentlich sein. Dies überzeugt nicht. Die Diskussion über das Internet als ein, beziehungsweise mehrere “virtuelle öffentliche Räume” ist bislang hauptsächlich eine soziologische. Die Rechtswissenschaft hat sich mit dem Thema noch nicht näher befasst und es ist daher nicht geklärt ob es überhaupt einen juristischen “virtuellen öffentlichen Raum” gibt und welche Regelungen in dem Fall gelten sollen. Weiterhin wäre dann die Frage zu beantworten, warum in Folge ein privater Onlineshop solch ein “virtueller öffentlicher Raum” sein soll. Stellt man auf die klassische Definition des öffentlichen Raums ab, ist zum Beispiel das Ladenlokal eines Einzelhändlers in der Innenstadt kein öffentlicher sondern lediglich ein privater Raum und es stellt sich die Frage, warum im Internet etwas anderes gelten sollte. Daher überzeugt die Argumentation nicht. Die Bestellung eines Kunden in einem Onlineshop, selbst wenn die Seite zu diesem Zeitpunkt hunderte weitere Besucher hat, geschieht ohne die Teilnahme oder Kenntnis anderer, also ohne weitere Öffentlichkeit. Der Versandhandel mit Tabakwaren und Alkohol über das Internet ist daher nach, hier vertretener Ansicht, rechtlich nicht als öffentlich zu bewerten.
Einen anderen Argumentationsansatz versucht das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. In einer aktuellen Broschüre wird die Auffassung vertreten, dass das Merkmal des öffentlich zugänglich Machens dadurch erfüllt wird, dass die Ware durch das Transportunternehmen im öffentlichen Raum zugestellt wird. Auch dies überzeugt nicht. Hier wird nicht auf einen virtuellen öffentlichen Raum bei der Bestellung abgestellt, sondern dass dem Empfänger Tabak oder Alkohol im öffentlichen Raum zugestellt wird. Das Argument mutet zum einen arg konstruiert und hilflos an und zum anderen erfolgt, sofern man der Argumentation folgt, die Übergabe von Postsendungen im Normalfall ohnehin nicht im öffentlichen Raum sondern an Haus- oder Wohnungstür.
Anwendung der Regelung für Filme und Spiele?
Ebenfalls verneint hat das Landgericht eine entsprechende Anwendung der für den Versandhandel geltenden gesondert geltenden Regelungen für Filme und Spiele auf sogenannten Trägermedien (DVD/Video/u.ä.).
Für den Versandhandel von Filmen und Videospielen existiert im§ 12 Abs. 3 JuSchG die Einschränkung, dass Filme und Spiele die von der Freiweiligen Selbstkontrolle (FSK) oder Unabhängige Selbstkontrolle (USK) nicht oder mit der Kennzeichnung “keine Jugendfreigabe” versehen wurden im Versandhandel nicht verkauft werden dürfen.
Der Versandhandel wird im § 1 Abs. 4 JuSchG genau definiert. Hiernach ist Versandhandel jedes entgeltliche Geschäft, das im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Post- oder elektronischen Versand ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller oder ohne dass durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt. Daher liegt im Falle einer wirksamen Alterskontrolle kein verbotener Versandhandel im Sinne des Jugendschutzes vor.
Für den Versandhandel von Tabak und Alkohol fehlen entsprechende Regelungen allerdings komplett. Das Landgericht führt hierzu aus, dass der Gesetzgeber im Gegensatz zu den Bestimmungen für Trägermedien entsprechende Regelungen für den Versand von Tabakwaren ausdrücklich vermieden hat und daher entsprechende Verbote nicht gelten sollen.
Interessant unter diesem Gesichtspunkt ist auch, dass für den Versandhandel von mit einer Jugendfreigabe versehenen Spielen und Filmen ebenfalls keine gesetzlichen Einschränkungen existieren. Wird der Verkäufer im Einzelhandel bei Filmen und Spielen durch die Formulierung “in der Öffentlichkeit” in § 12 Abs. 1 JuSchG verpflichtet auf die Beachtung aller Altersfreigaben zu achten und das Alter des Käufers im Zweifelsfall zu prüfen, so entfällt diese Verpflichtung im Versandhandel, da hier, wie bereits ausgeführt, keine Öffentlichkeit vorliegt. Vereinzelt wird zwar auch hier auf die Erforderlichkeit von Alterskontrollen aufgrund der allgemeinen Regelungen verwiesen, allerdings hat sich in der Praxis bislang keine Behörde oder Gericht am Versand von Medien mit einer Freigabe ab 12 oder 16 Jahren ohne Altersnachweis gestört, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Versandhandel als nicht öffentlich angesehen wird.
Fazit:
Es ist davon auszugehen, dass seitens des Gesetzgebers gegenwärtig kein Interesse bzw. Anlass besteht, den Versandhandel mit Tabak und Alkohol einzuschränken oder zu verbieten. Obwohl die fehlenden Regelungen auch dem Gesetzgeber seit Jahren bekannt sind, wurden bislang keine Versuche unternommen, hier etwas zu ändern. Bereits 2005 haben die zuständigen obersten Landesjugendbehörden ebenfalls die Ansicht vertreten, dass Versandbeschränkungen nur für Trägermedien, also Filme und Spiele gelten.
Die bisherige Rechtsprechung ist händlerfreundlich. Der Einsatz von sicheren Alterskontrollsystemen ist teuer, aufwendig und stellt gerade kleine Händler vor Schwierigkeiten. Bereits eine Regelung, nach der Versandhändler im Zweifelsfall das Alter des Bestellers prüfen müssten, würde in der Praxis zu einer umständlichen und teuren Geschäftsabwicklung führen.
Durch eine Abwicklung im bargeldlosen Zahlungsverkehr kann nämlich nicht mit genügender Sicherheit darauf geschlossen werden, dass der Besteller höchstwahrscheinlich volljährig sein wird. Theoretisch kann bereits ein siebenjähriger mit Zustimmung der Eltern ein Girokonto eröffnen. In der Altersgruppe der Vierzehn- bis Siebzehnjährigen dürfte ein deutlicher Anteil der Jugendlichen bereits ein eigenes Girokonto haben. Die Annahme, dass der Inhaber eines Girokontos höchstwahrscheinlich volljährig ist, ist daher unsicher und bei Zweifeln müsste ein Altersnachweis geführt werden. Auch Kreditkarten eignen sich spätestens seit der Einführung von Prepaid Kreditkarten für Jugendliche nicht als sichere Altersvermutung. Die gegenwärtige Rechtslage ist daher aus Händlersicht zu begrüßen.
Darüber hinaus handelt es sich nicht um ein akutes Jugendschutzproblem. Weder in der Vergangenheit, noch in näherer Zukunft dürfte zu befürchten sein, dass Kinder und Jugendliche in großem Stil im Internet Alkohol und Zigaretten bestellen werden. Dies ist schlicht zu umständlich, da die Ware erst versendet werden muss und erst in ein paar Tagen verfügbar ist. Die Hauptquelle für Jugendliche dürften neben den Eltern der örtliche Einzelhändler sein. Auch wenn diese sich an die Altersbeschränkungen halten, stellt dies kein großes Hindernis dar, es wird einfach ein Älterer zum einkaufen vorgeschickt. Es gibt für Jugendliche daher keinen Grund für alltäglichen Alkohol oder Zigaretten auf das Internet auszuweichen und daher auch keinen besonderen Handlungsbedarf.
Bislang gibt es allerdings lediglich eine uns bekannte gerichtliche Entscheidung zu dem Thema, man kann daher nicht von einer sicheren Rechtsprechung sprechen. Händler können nicht sicher sein, ob Gerichte dieses Thema in Zukunft vielleicht anders beurteilen oder der Gesetzgeber auch für Tabak und Alkohol ausdrückliche Versandbeschränkungen einführt. Daher sollten Händler auch im Versandhandel im Rahmen einer freiwillig nach Möglichkeit geeignete Maßnahmen treffen, um die Einhaltung der Altersgrenzen sicherstellen zu können.
Stand: 09/2010
Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock
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