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Gut für Händler bei Amazon: Bundeskartellamt zwingt Amazon zu einer weltweiter Änderung seiner Geschäftsbedingungen -was dies für Amazon-Händler in der Praxis bedeutet
- Aktuell: EU zieht durch: Mehr Schutz für Händler bei Amazon aufgrund der P2B-Verordnung
- Auf Druck des Bundeskartellamtes: Amazon veröffentlicht neue Amazon Services Europe Business Solutions (BSA)
Wir hatten bereits darüber berichtet, dass neben der Europäischen Kommission auch das Bundeskartellamt gegen Amazon ermittelt. Das Bundeskartellamt hat am 17.07.2019 das Missbrauchsverfahren gegen Amazon (Aktenzeichen: B 2-88/19) eingestellt. Gleichzeitig hat sich Amazon im Gegenzug jedoch verpflichtet, in Deutschland wie aber auch weltweit (!) seine Geschäftsbedingungen für Händler zu ändern. Das deutsche Bundeskartellamt hat es somit geschafft, dass Amazon nicht nur in Deutschland und allen Europäischen Marktplätzen, sondern auch auf den US-amerikanischen und asiatischen Marktplätzen von Amazon entsprechende Änderungen vornimmt. Dies ist ein großartiger Erfolg.
Worum ging es ?
Das Bundeskartellamt hatte Ende November 2018 ein Missbrauchsverfahren wegen des Verdachts auf missbräuchliche Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen gegen Amazon eingeleitet. Es ging in erster Linie um Allgemeine Geschäftsbedingungen, insbesondere das Business Solutions Agreement (BSA). Gegenstand der Untersuchung war die intransparente Ausgestaltung der Geschäftsbedingungen, überraschende und teilweise nur formelhaft begründete Kündigung und Sperrungen sowie die fehlende Möglichkeit von Händlern, eine vertragskonforme Leistung von Amazon durchzusetzen und streitige Sachverhalte aufzuklären. Auch die Verpflichtung der Händler zur umfassenden Übertragung von Nutzungsrechten an Bildern, sowie der Verpflichtung der Händler zur Kostenübernahme bei offensichtlich unberechtigten Kundenretouren, war Gegenstand der Untersuchung.
Nicht Gegenstand der Untersuchung war die Verwendung von Marktplatzdaten, das Ranking der Angebote, die Darstellung der Buy-Box. Diese Punkte werden durch eine sehr viel mächtigere Behörde untersucht, nämlich der Europäischen Kommission.
Was sich für Händler bei Amazon ändern wird
Aus dem Fallbericht des Bundeskartellamtes lässt sich sehr genau ersehen, zu welchen Änderungen sich Amazon verpflichtet hat. Im Einzelnen geht es um Folgendes:
Transparenz und Vertragsänderungen
Alle Regelungen, insbesondere Programmrichtlinien sollen in den BSA über einen Link zugänglich sein. Bisher gab es eine unübersichtliche Zerfaserung von Vorgaben von Amazon, die nicht leicht zur überblicken waren. Gleichzeitig hat sich Amazon verpflichtet, Änderungen mit einer Frist von 15 Tagen zukünftig anzukündigen. Benachrichtigungen von Amazon müssen zumutbar zu empfangen und dokumentierbar sein. Auch hier gab es in der Vergangenheit Probleme.
Rechtswahl und Gerichtsstand
Bisher waren Händler, die Amazon verklagen wollten gezwungen, Klage in Luxemburg zu erheben. Auf diese Ausschließlichkeit hat Amazon nunmehr sowohl in den BSA wie auch in den Geschäftsbedingungen zum Zahlungsverkehr (Amazon Payments Agreement “APE”) für Europa verzichtet. Es gelten somit zukünftig die allgemeinen Regeln einer Zuständigkeit inländischer Gerichte. Ziel ist, dass Händlern zusätzliche Kosten für die Hinzuziehung von luxemburgischen Anwälten und für Übersetzung nicht mehr entstehen sollen. Es verbleibt jedoch bei der verpflichtenden Anwendung luxemburgischen Rechts.
Haftungs- und Freistellungsregeln
Die BSA enthalten bisher sehr umfassende Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen allein zu Gunsten von Amazon. Zukünftig wird der Haftungsausschluss zu Gunsten von Amazon deutlich eingeschränkt.
Wichtig in der Praxis: Eine Freistellungsverpflichtung der Händler wird sich zukünftig nicht mehr bereits bei einer bloß behaupteten Verletzung von geistigen Eigentumsrechten bzw. Vertragspflichten ergeben. Vielmehr besteht nur dann eine Verpflichtung des Händlers, Amazon von Schäden freizustellen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen.
Ebenfalls wichtig:
Amazon hat gegenüber dem Bundeskartellamt klargestellt, dass ein Freistellungsanspruch im Rahmen von eingelieferten Einheiten bei FBA nur dann besteht, wenn Amazon nachweist, dass es sich bei der beanstandeten Einheit (Menge) tatsächlich um das vom Händler eingesandte Produkt handelt.
Bei FBA gab es in der Vergangenheit das Problem, dass ein Händler sich nicht sicher sein konnte, dass auch tatsächlich von ihm eingelieferten Produkte im Rahmen einer FBA-Bestellung versandt wurden. Gerade wenn mehrere Anbieter unter einer ASIN FBA nutzen gab es Fälle, in denen, um ein Bild zu verwenden, in den FBA-Lagerfach oben etwas von unterschiedlichen Händlern hereingeschüttet wurde, dass von unten im Fall einer Bestellung herausgezogen wurde. Von wem welches Produkt tatsächlich eingeliefert worden war, war vollkommen unklar. Die Problematik ist uns insbesondere bei markenrechtlichen Problemen und Abmahnungen aus der Beratungspraxis bekannt.
Kündigung und Sperrung
Bisher war es möglich, dass Amazon ein Konto sofort ohne Begründung sperren konnte. Nunmehr gilt eine Kündigungsfrist von 30 Tagen bei einer ordentlichen Kündigung.
Ebenfalls wichtig:
Bei einer außerordentlichen Kündigung und Sperrung besteht erstmalig eine Informations- und Begründungspflicht.
Interessante Info in diesem Zusammenhang: Im Jahr 2018 wurden von Amazon auf dem deutschen Marktplatz mehr als 250.000 Verkäufer-Konten dauerhaft gesperrt! Mehr als 30.000 Verkäufer-Konten wurden vorübergehend gesperrt. Grund waren vor allen Dingen Betrugsvorwürfe. Wir gehen davon aus, dass in dieser doch sehr hohen Anzahl viele ausländische, insbesondere asiatische Verkäufer-Konten enthalten waren.
Nutzungsrechte an Produktmaterial und Paritätsvorgabe
Händler mussten bisher Amazon weitgehende, weltweite Nutzungsrechte am Produktmaterial (z. B. Bilder und Beschreibung) einräumen. Das Bundeskartellamt hat in diesem Zusammenhang zutreffend erkannt, dass Händler dadurch unter den Druck geraten, Produktmaterial bereitzustellen, hinsichtlich dessen sie die entsprechenden Nutzungsrechte bei Amazon gar nicht einräumen können. Dies ist bspw. denkbar, wenn die Nutzungsrechte beim Hersteller liegen oder selbst der Hersteller Probleme hat, die Rechtekette der Bilder entsprechend nachzuweisen.
Zukünftig wird die Rechteübertragung zeitlich auf die Dauer der Schutzrechte des Händlers und inhaltlich hinsichtlich der möglichen Verwendung durch Amazon beschränkt. Die sogenannte Paritätsvorgabe, wonach das Hochwertigste, in anderen Vertriebskanälen des Händlers verwendete Material bereitgestellt werden muss, wird zukünftig entfallen. Damit haben Händler zukünftig die Möglichkeit, auf eigenen Shop-Seiten weitergehende oder hochwertigere Produktinformationen zur veröffentlichen als auf Amazon.de. Qualitative Anforderungen von Amazon an die Darstellung auf dem Marktplatz bleiben aber zulässig.
Das Bundeskartellamt verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es bereits dafür Sorge getragen hatte, dass die sogenannte Preisparität bei Amazon abgeschafft wurde.
Retouren und Erstattung
Händler hatten sich darüber beschwert, dass sie selbst bei erkennbar unberechtigten oder missbräuchlichen Kundenretouren sämtliche Kosten sowie sonstige Folgen einer falschen Entscheidung von Amazon zu den Retouren zu tragen hatten. Ausdrücklich genannt wird in diesem Zusammenhang die sehr problematische A-Z Garantie von Amazon.
Zukünftig sollen Händler, die FBA nutzen das Recht haben, die Rücksendung retournierter Produkte zu verlangen und innerhalb von 30 Tagen Widerspruch gegen seine Erstattungsentscheidung von Amazon einzulegen.
Offensichtlich ist, dass Amazon nicht in der Lage ist, bei jedem retournierten Produkt, dieses dem konkreten Händler zuzuordnen. Zukünftig wird Amazon nur dann ein Widerspruch gegen ein Erstattungsanspruch erheben, wenn Amazon nachweist, dass es sich bei dem zugrundeliegenden Produkt tatsächlich um das Produkt des Händlers handelt.
Amazon trägt somit zukünftig im Innenverhältnis zum Händler das Risiko der Rückerstattung! Diese großzügige Retouren-Praxis von Amazon bleibt jedoch unberührt. Jedenfalls soll zukünftig im Innenverhältnis zwischen Amazon und dem Händler nicht mehr das alleinige Ermessen von Amazon maßgeblich seien.
Verkäuferbewertung/Produktrezension
Bei den Verkäuferbewertungen sahen sich Händler benachteiligt, weil Amazon selbst als Verkäufer nicht bewertet wird. In diesem Zusammenhang hatte Amazon bekräftigt, sein eigenes Retail-Geschäft nicht gegenüber Dritthändlern zu bevorzugen (was wir zweifelhaft finden). Hinsichtlich der Punkte Ranking und Buy-Box verweist das Bundeskartellamt auf die EU-Kommission.
In der Kritik war auch das “Vine” Programm von Amazon. Im Rahmen dieses Programms erhalten Kunden Produkte und sollen dazu eine Produktrezension abgeben. Dies sah das Amt als Benachteiligung der Marktplatz-Händler und als Hebelwirkung zur Belieferung von Amazon Retail.
Amazon wird daher das Vine-Programm für Marktplatz-Händler und Markenrechtsinhaber öffnen und erforderliche Kapazitäten schrittweise ausbauen. Zusätzlich wird Amazon ein neues Bewertungsprogramm einführen, das “Early-Reviewer” heißen wird. Darin können Händler neue Produkte anmelden, für die Amazon Kunden auffordert, im Anschluss an den Kauf gegen eine geringe Vergütung Rezensionen abzugeben. Amazon öffnet somit den Markt “bezahlte Rezensionen” auch für Händler.
Europäische Versandmodelle
Das Bundeskartellamt hatte kritisiert, dass Amazon auf den inländischen wie aber auch auf den ausländischen Lagerbestand in Logistikzentren der Händler Zugriff nehmen kann und diesen über die eigene Retail-Sparte verkaufen kann. Dies sah das Bundeskartellamt jedoch nicht als problematisch an.
Geheimhaltung
Bisher hatte Amazon den Händlern vorgegeben, im Hinblick auf öffentliche Äußerungen der Händler zuvor eine schriftliche Zustimmung einzuholen. Dies war uns in der Praxis bisher nicht bekannt. Jedenfalls nimmt Amazon zukünftig davon Abstand.
Amazon hatte ferner versucht, die Händler zu verpflichten, Amazon zu informieren, wenn Kontakt mit öffentlichen Behörden aufgenommen wird. Auch dies wird Amazon zukünftig nicht mehr machen.
Warum das Kartellverfahren eingestellt wurde
Das Bundeskartellamt hatte eine Gesamtabwägung vorgenommen. Durch die Zugeständnisse Amazons entfallen die Missbrauchsvorwürfe des Bundeskartellamtes. Folge ist eine weltweite Änderung der Geschäftsbedingungen und zwar unverzüglich.
Unsere Einschätzung
Das Bundeskartellamt hat hier einen großartigen Job abgeliefert. Praxisnah wurde für die deutschen Amazon-Händler Vieles erreicht. Nicht nur dass: Amazon hat sich sogar verpflichtet, weltweit seine Bedingungen abzuändern.
Der Druck auf Amazon bleibt dennoch erhalten, da die Europäische Kommission sich der weiteren noch offenen Punkte annehmen wird.
Es bleibt nunmehr abzuwarten, wann Amazon die entsprechenden Vorgaben konkret umsetzen wird. Wir gehen davon aus, dass dies kurzfristig geschehen wird.
Sollte sich Amazon an die oben dargestellten Zusagen nicht halten, ist das Bundeskartellamt in diesem Fall sicherlich ein interessierter Ansprechpartner.
Stand: 17.07.2019
Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard
https://ssl-vg03.met.vgwort.de/na/4724b76a6f9b4f2ca21a7197666e76ab