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OLG Nürnberg: Strafbewehrte Unterlassungserklärung auch bei einer Abmahnung wegen der Verletzung von Informationspflichten im Internet?

Seit Dezember 2020 gilt ein neues UWG. Eine Übersicht geben wir in diesen FAQ. Ein Ziel des Gesetzgebers war es unter anderem, massenhafte Abmahnungen im Wettbewerbsrecht wegen Informationspflichtenverstößen im Internet das Wasser abzugraben. Gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG kann ein Wettbewerber bei einer Abmahnung wegen Verstößen gegen Informationspflichten keine Abmahnkosten mehr geltend machen. Gemäß § 13a Abs. 2 UWG darf bei einer erstmaligen Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen eine Informationspflicht keine Vertragsstrafe im Rahmen der geforderten Unterlassungserklärung gefordert werden.

Informationspflichten Verstöße im Internet sind z.B. ein fehlendes oder falsches Impressum, eine fehlende Widerrufsbelehrung oder ein fehlender Grundpreis.

OLG Nürnberg: Bei einer Abmahnung eines Wettbewerbers wegen Verstoßes gegen Informationspflichten kann die Wiederholungsgefahr nicht mehr durch eine Unterlassungserklärung gegenüber dem Abmahner ausgeräumt werden , Unterlassungserklärung gegenüber Abmahnverein oder Verbraucherschutzverband notwendig

Das OLG Nürnberg (Urteil vom 9.5.2023 Az. 3 U 354/22) hat sich nunmehr quasi ohne Not zu diesem Thema geäußert. Hintergrund war eine Abmahnung noch nach altem Recht von November 2022. Nachfolgend die Ausführungen aus dem Urteil, danach folgte eine Einschätzung durch uns:

„Die Änderungen im Bereich des UWG, namentlich § 13 a Abs. 4 UWG n.F., haben nämlich nach dem vom Senat für zutreffend gehaltenen Verständnis bewirkt, dass die Beklagte die Wiederholungsgefahr durch eine Unterwerfungserklärung gegenüber der Klägerin überhaupt nicht mehr ausräumen konnte (vgl. Hofmann, WRP 2021, 1 (3 f.)).

aa) § 13 a Abs. 4 UWG verbietet den Abschluss von strafbewehrten Unterlassungsverträgen gegenüber Mitbewerbern in den dort geregelten Fällen (erstmaliger Verstoß gegen bestimmte Pflichten, Verstöße im Internet etc.). Der vorliegend von der Klägerin abgemahnte Sachverhalt stellt einen Fall des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG dar, zumal die Bestimmungen der PAngV in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich als Beispiel angeführt sind (BT-Drucksache 19/12084, S. 32).

bb) Hieraus folgt entgegen dem Standpunkt der Beklagten nicht, dass der Verletzer die Wiederholungsgefahr bereits durch eine „einfache“, d.h. nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber dem Abmahnenden Mitbewerber ausräumen kann (so allerdings OLG Schleswig, Beschluss vom 3. Mai 2021, 6 W 5/21, WRP 2021, 950; Sosnitza GRUR 2021, 671 (675)), sondern, dass dieser Weg dem Verletzer vollständig versperrt ist (Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13a Rn. 19a; Feddersen, WRP 2021, 713 (715, Rz. 13); Mörger, WRP 2021, 885 (887); Möller, NJW 2021, 1 (7); Ulrici, WRP 2019, 1117 (1120, Rz. 22)). Der abgemahnte Unterlassungsschuldner muss vielmehr zur Ausnahme der Wiederholungsgefahr eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber einem Anspruchsberechtigten nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 oder 3 UWG abgeben (Hofmann, WRP 2021, 1 (3 f.); Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13a Rn. 19; Feddersen, WRP 2021, 713 (715, Rz. 13 f.)), oder kann alternativ bei Klageerhebung ohne vorangegangene Abmahnung sofort anerkennen.

cc) Die Neuregelungen zum 2. November 2020 haben insbesondere nicht bewirkt, dass dem Mitbewerber in den Fällen des § 13 Abs. 4 UWG kein Unterlassungsanspruch mehr zusteht (Hofmann, WRP 2021, 1 (2, Rz. 10)). Ebenso wenig wollte der Gesetzgeber die anerkannte Dogmatik im Hinblick auf die Ausräumung der Wiederholungsgefahr, insbesondere den Grundsatz, dass nur eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinreichende Gewähr für die künftige Befolgung der maßgeblichen Vorgaben gibt, verändern (Hofmann, WRPP 2021, 1 (4, Rz. 18)). Hierfür ergeben sich weder aus den Gesetzesmaterialien noch der Fassung des Gesetzes Anhaltspunkte. Vielmehr nennt § 13 Abs. 1 S. 2 UWG unverändert die Unterlassungsverpflichtung, die mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrt ist, als Mittel, den Streit beizulegen und befasst sich § 13 a UWG umfassend mit der Höhe bzw. Angemessenheit. Hätte auf das Erfordernis einer ausreichenden Strafbewehrung punktuell verzichtet werden sollen, wäre eine entsprechende Regelung im Kontext des neu geschaffenen § 13 a Abs. 4 UWG zu erwarten gewesen (vgl. Bornkamm/ Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13a Rn. 19a; die gegenteilige Argumentation bei OLG Schleswig, Beschluss vom 3. Mai 2021, 6 W 5/21, WRP 2021, 950, Rz. 17, überzeugt daher nicht). Umgekehrt hat der Gesetzgeber die Konsequenz realisiert, dass er mit der Regelung indirekt die Möglichkeit zur außergerichtlichen Streitschlichtung durch Unterwerfung gegenüber dem Mitbewerber abschafft, da in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, dass § 13 a Abs. 2 UWG die Vereinbarung einer Vertragsstrafe mit einem Mitbewerber ausschließen werde, wohingegen nach einer Abmahnung durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierte Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Gewerkschaft auch nach der Neuregelung weiterhin die Möglichkeit bestehe, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen (BT-Drs. 19/12084, S. 34). Zudem war die Konsequenz bereits vor Verabschiedung des Gesetzes auf Grundlage des Regierungsentwurfs in der Literatur aufgezeigt worden (Ulrici, WRP 2019, 1117 (1120, Rz. 22)), ohne dass dies zu einer Änderung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Anlass gegeben hätte.

dd) Richtig mag zwar sein, dass der hier vertretene Standpunkt dazu führt, dass die vom Gesetzgeber verfolgte Intention, die Generierung von Vertragsstrafen und Abmahngebühren einzudämmen, nur unzureichend verwirklicht wird, weil dem Verletzer zwar keine Abmahnkosten und Vertragsstrafen mehr drohen, wohl aber eine Belastung mit Gerichtsgebühren und Anwaltsgebühren für die sich oftmals anschließende gerichtliche Verfolgung (so argumentierend OLG Schleswig, Beschluss vom 3. Mai 2021, 6 W 5/21, WRP 2021, 950, Rn. 19). Diese Unzulänglichkeit mag zwar gegeben sein (vgl. Hofmann, WRP 2021, 1 (3, Rz. 16)). Der Abgemahnte kann aber auch diese Nachteile vermeiden, indem er sich einem Dritten gegenüber strafbewehrt unterwirft. Zudem kann der Mitbewerber nur dann Erstattung der Verfahrenskosten beanspruchen, wenn die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht vorliegen, was voraussetzt, dass er den Verletzer zumindest – und mangels Erstattungsanspruchs: auf eigene Kosten – auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht hat. Bereits dies (d.h. die Obliegenheit für den Abmahnenden, auf eigene Kosten die Abmahnung auszusprechen) ist geeignet, die vom Gesetzgeber missbilligten Praktiken einzudämmen.

ee) Der vermittelnde Lösungsvorschlag, den Unterlassungsanspruch nur im Verhältnis zum Abmahnenden entfallen zu lassen, würde mit dem hergebrachten Grundsatz der Unteilbarkeit der Wiederholungsgefahr, den der Gesetzgeber nicht infrage stellen wollte (vgl. Bei Hofmann, WRP 2021, 1 (4, Rz. 18)), nicht zu vereinbaren sein.“

Unsere Einschätzung

Zugegebenermaßen ist das neue UWG dogmatisch in sich nicht schlüssig. Tatsache ist jedoch, dass zwar Wettbewerber Informationspflichtenverstöße noch kostenfrei abmahnen können, eine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe darf jedoch bei einem erstmaligen Verstoß nicht gefordert werden.

Die Beharrungskräfte in der juristischen Literatur, der Kommentierung (häufig von BGH-Richtern) und bei Gerichten sind jedoch offensichtlich erheblich.

Ganz grundsätzlich besteht bei einer Abmahnung wegen des Verstoßes gegen eine Informationspflicht von einem Wettbewerber kein Anspruch auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, so das Gesetz. Falsch ist bereits die Ansicht des OLG, dass § 13 a Abs. 4 UWG den Abschluss von strafbewehrten Unterlassungsverträgen gegenüber Mitbewerbern verbietet. Ein Verbot gibt es nicht, der Abmahner darf jedoch keine strafbewehrte Unterlassungserklärung fordern.

Der Gesetzgeber wollte Abmahnungen, wie sie in der Vergangenheit massenhaft vorkamen, wegen der Verletzung von Informationspflichten unattraktiv machen. Diese gesetzgeberische Intention nunmehr auszuhebeln, indem gegenüber Anspruchsberechtigten Verbänden etc. (die weiterhin in diesen Fällen eine Unterlassungserklärung bei einer Abmahnung mit Vertragsstrafe fordern dürfen) quasi proaktiv eine Unterlassungserklärung abgegeben werden soll, hat keine Rechtsgrundlage. Es macht auch wenig Sinn, gegenüber einem Verband eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, der diese unter Umständen gar nicht haben will oder diese auch nicht überprüft. Das Thema einer Drittunterwerfung gegenüber Abmahnverbänden, wie es vor einigen Jahren noch üblich war, hat sich schon lange erledigt.

Falls bei der Abmahnung eines Wettbewerbers keine Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe abgegeben wird, kann dieser nach unserer Auffassung die Unterlassungsansprüche dann gerichtlich durchsetzen, wie üblich. Die Ansicht des OLG Nürnberg zugrundegelegt, würde jedoch jede Abmahnung wegen einer Verletzung einer Informationspflicht quasi zwangsläufig vor Gericht landen. Dies wäre quasi noch schlimmer als dass alte UWG, da bei einer derartigen Abmahnung entgegen der Intention des Gesetzgebers der abgemahnte mit erheblichen Anwalts- und Gerichtskosten belastet wäre.

Hinzukommt, dass die Ansicht des OLG vollkommen unpraktikabel ist: In einer entsprechenden Abmahnung „dürfte“ gar nicht mehr zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert werden. Müsste in diesem Fall darauf hingewiesen werden, dass eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber einem Abmahnverein oder ein Verbraucherschutzverband abgegeben werden kann? Welchem konkret?

Nach unserer Einschätzung handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung die das Ergebnis einer langjährigen Kritik bestimmter Kreise in der juristischen Literatur darstellt. Andere Oberlandesgerichte, wie z.B. das OLG Schleswig sehen die Rechtslage so, wie sie nach unserer Auffassung ist.

Wir beraten Sie bei einer Abmahnung.

Stand: 05.07.2023

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke