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Weitermachen, wie bisher: Wie Gerichte, Literatur und Abmahner das Anti-Abmahngesetz aushebeln

Die große Hoffnung war, dass das zum 02.12.2020 in Kraft getretene Anti-Abmahngesetz Abmahnungen von Internethändlern einen Riegel vorschieben würde. Konkret wurde das UWG (Wettbewerbsrecht) durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ erheblich geändert. Es gab eigentlich nur eine Zielrichtung: Internethändler von Massenabmahnungen zu schützen. Eine Übersicht zu dem neuen Gesetz finden Sie in unseren FAQ.

Nunmehr, 2 Monate später, wagen wir ein erstes Resümee. Es hat sich ein bisschen was gebessert, wie jedoch von uns erwartet will die gesamte Szene einfach weitermachen. Dazu gehören natürlich Rechtsanwälte, die abmahnen, aber auch Gerichte und die juristische Literatur. Es erklärt sich relativ einfach, warum das so ist: Sowohl Abmahnanwälte wie aber auch Gerichte waren bisher gut mit Internet-Abmahnungen beschäftigt. Es sicherte schlichtweg Einkommen und Arbeitsplätze. Auch Teile der juristischen Kommentarliteratur haben nach unserem Eindruck nicht wirklich verstanden, was das Ziel des Gesetzgebers war.

Abmahnungen: Themenwechsel ermöglicht, weiter abzumahnen

Der Gesetzgeber wollte insbesondere Internethändler vor wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen schützen. Wettbewerber dürfen die Verletzung von Informationspflichten (z.B. fehlendes oder falsches Impressum, Widerrufsbelehrung, Link auf die OS-Plattformen oder Preisangabenverordnung) zwar noch abmahnen. Es dürfen jedoch keine Abmahnkosten geltend gemacht werden, eine Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe darf erst bei einem erneuten Verstoß gefordert werden. Man könnte somit vermuten, dass es Abmahnungen „von den üblichen Verdächtigen“ nicht mehr gibt. Dem ist jedoch nicht so: Die Abmahner suchen sich einfach andere Themen. Statt einem fehlenden Link auf die OS Plattform wird nunmehr eine irreführende Werbung oder eine fehlende Anmeldung in einem Register abgemahnt. Während früher bei einem Privatverkauf bei eBay, der eigentlich gewerblich ist, das Fehlen jeder einzelnen Information (Impressum, Widerrufsbelehrung, OS-Plattform etc.) abgemahnt wurde, wird jetzt mit gleichen Kosten lediglich eine Irreführung über das tatsächlich gewerbliche Handeln abgemahnt. Ein weiteres Schlagwort ist „Markenrecht ist das neue Wettbewerbsrecht“.

Gerichte ignorieren das neue Recht

Nicht nur Abmahnanwälte, auch Gerichte stehen unter Druck. Der fliegende Gerichtsstand, der es einem Abmahner in der Vergangenheit ermöglichte, sich quasi immer das Gericht auszusuchen, hatte zur Folge, dass es Gerichte gab, die sich sehr häufig mit wettbewerbsrechtlichen Verfahren, die einen Internetbezug hatten, befassten. Zu nennen sind beispielsweise Hamburg, Berlin, Frankfurt, München, Bielefeld, Bochum, Essen oder Münster. Dies ist zunächst nichts Negatives: Da die Kammern dieser Gerichte eine Vielzahl von Verfahren zu Internet-Themen bearbeiteten, gibt es dort durchaus eine große Sachkunde. Damit ist es nunmehr vorbei. Es gibt nunmehr erste Entscheidung von Gerichten, aus denen deutlich wird, einige Gerichte den gesetzgeberischen Willen, den fliegenden Gerichtsstand teilweise auszuschließen, ignorieren. Nach Ansicht des Landgerichtes Düsseldorf (LG Düsseldorf, Beschluss vom 15.1.2021, Az. 28 O3/21) gilt der Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG (kein fliegender Gerichtsstand) nur für solche Telemedien, bei die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder bei Telemedien anknüpft. Wir stimmen insofern der Ansicht des Kollegen Omsels zu:

“Der Wortlaut der Ausnahmebestimmung ist eindeutig und kann nur von jemandem für missverständlich gehalten werden, der zu wissen glaubt, dass der Gesetzgeber das geschriebene Wort nicht so gemeint hat.“

Problematisch wird es, wenn das Landgericht Düsseldorf trotz eines anderen Ansicht des zuständigen OLG Düsseldorf einfach weitergemacht.

Die juristische Literatur sieht das alles nicht so eng

Welche Informationen zum neuen UWG haben wir? Neben dem Wortlaut des Gesetzes selbst zählt die Gesetzesbegründung. Die Intention des Gesetzgebers ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen.

Um dies zu verstehen, ist es notwendig die Arbeitsweise von Juristen kurz zu erläutern: Für so gut wie jeden Fachbereich gibt es Kommentarliteratur. Standardkommentare werden sowohl durch Rechtsanwälte, wie aber auch durch Gerichte genutzt.

Die Ansichten zum neuen UWG in einem Standardkommentar setzen schon einmal Maßstäbe: So sind Abmahnkosten nur dann zu erstatten, wenn in der Abmahnung klar und verständlich informiert wird, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch (Abmahnkosten) geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet. Anfänglich wurde, nicht nur durch uns, die Ansicht vertreten, dass sehr ausführlich über die Abmahnkosten zu informieren ist. Man kann z.B. darüber nachdenken, dass es auch eine Erläuterung geben sollte, wie sich der Gegenstandswert errechnet. Der Gegenstandswert ist Grundlage für eine Berechnung der Abmahnkosten nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). In der Kommentarliteratur wird jedoch angenommen, dass eine RVG-Berechnung ausreichend ist. Dies wären erheblich weniger notwendige Information in einer Abmahnung als eine ausführliche Erläuterung, die auch Informationen zum Gegenstandswert mit einbezieht.

Abmahnvereine als die großen Gewinner

Abmahnvereine wie der IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. sind, zumindest bis Dezember 2021, die großen Gewinner des neuen UWG: Abmahnvereine dürfen auch weiterhin die Verletzung von Informationspflichten im Internet abmahnen, dabei Abmahnkosten geltend machen und eine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe fordern. Einige Informationspflichten, wie z.B. eine Erläuterung der Abmahnkosten, treffen auch Abmahnvereine. Da es nach unserem Eindruck, z.B. dem IDO, eher auf die Geltendmachung einer Vertragsstrafe ankommt als die Erstattung der Abmahnkosten, verwundert es nicht, dass einige Vereine die Informationspflichten nicht besonders sorgfältig oder gar nicht umsetzen. Die Anzahl von Abmahnungen von Abmahnvereinen ist jedenfalls, so unser Eindruck, unverändert hoch.

Fazit

Ein Beharren darauf, dass es so bleibt, wie es immer war, haben wir erwartet. Zugegebenermaßen ist das neue Gesetz nicht gutgemacht, schlecht formuliert und auch in einigen Punkten nicht durchdacht. Es wird eine Weile dauern, bis gerade obergerichtliche Rechtsprechung hier für eine Klarstellung sorgt.

Wir beraten Sie bei einer Abmahnung. Selbstverständlich prüfen wir für Sie, ob Ihre Abmahnung die Vorgaben des neuen UWG einhält. Sollte dies nicht der Fall sein, sind entweder die Abmahnkosten nicht zu zahlen oder es kann sogar Rechtsmissbrauch vorliegen.

Stand: 15.03.2021

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke