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Versandhandel von Pornographie auch bei AVS strafbar?

Achtung! Beachten Sie bitte mögliche Rechtsänderungen durch den neuen § 184 C StGB nach Erstellung dieses Beitrags!

1. Einleitung und Disclaimer

Der nachfolgende Text ist ein Beitrag zum Thema, ob der Versand von Pornographie bei einem ausreichenden Altersverifikationssystem (AVS) strafbar ist oder nicht. Bitte betrachten Sie den Text als Diskussionsschrift. Eine verbindliche Aussage kann demzufolge nicht gemacht werde, es können nur rechtliche Argumente dargelegt werden, aus denen mit guten Grund angenommen werden kann, dass bei einem zuverlässigen AVS, wie bspw. dem Postidentsystem eine Strafbarkeit nicht  gegeben ist:

2. Einschlägige gesetzliche Vorschriften

a) § 184 StGB stellt den Versandhandel von pornographischen Schriften unter Strafe. Es heißt im Gesetzestext:

§ 184 I Nr. 3 StGB:

“Wer pornographischen Schriften (§ 11 III)… im Versandhandel … einem Anderen anbietet oder überläßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.”

Gemäß § 184 I Nr. 3 StGB ist somit der Vertrieb pornographischer Erzeugnisse im Versandhandel generell verboten. (Schönke Schröder Strafgesetzbuch § 184 Rd.-Nr. 22) Strafbar ist nach der älteren bekannten Rechtsprechung auch ein Versand auf telefonische oder schriftliche Bestellung, sofern der Besteller unbekannt ist. Wenn nur Personen beliefert werden, die zuvor zum Zweck der Alterskontrolle ihren Personalausweis eingesandt haben und dann eine Mitgliedsnummer und zusätzlich eine Codezahl erhalten, ändert dies an der Strafbarkeit nichts, weil dadurch auch Mißbräuche nicht ausgeschlossen werden können. (OLG Düsseldorf, NJW 1984 S. 1977 ff.) Im Leitsatz des Oberlandesgerichtes heißt es: “Es ist unerheblich, ob der Versandhändler Maßnahmen ergreift, die nach seiner Meinung geeignet sind, den Interessen des Jugendschutzes bei seinem Vertrieb pornographischer Schriften gerecht zu werden.”

b)

Ob diese rigide Ansicht des OLG vor dem Hintergrund der neueren Gesetzgebung des Jugendschutzgesetzes, des GjSM und des Jugendmediendienstestaatsvertrages noch zu halten ist, ist jedoch zweifelhaft:

Das Amtsgericht Neuss (Urteil vom 19.08.2002, AZ: 7 Ds 70 Jd 6582/01 – 18/02) hat bei der Frage des Verbreitens von pornographischen Inhalten im Internet die Frage einer mangelhaften Alterskontrolle zumindestens geprüft. Vorliegend sah das Gericht eine Alterskontrolle auf Grund einer Idenditätsnummer eines Personalausweises oder einer Kartennummer einer Kreditkarte als nicht ausreichend an.

Einer derartigen Prüfung dieser Frage hätte es nicht bedurft, wenn man die Verbreitung pornographischer Inhalte grundsätzlich als nicht erlaubt im Sinne des § 184 StGB ansieht.

Insbesondere hatte im damaligen Verfahren die Landesjugendbehörde für Jugendschutz in Mediendiensten kritisiert, dass die pornographischen Angebote frei zugänglich seien, weil keine wirksame Alterskontrolle gegeben sei. Es wurde hierbei Bezug genommen auf § 184 I StGB. Im Umkehrschluss liegt es Nahe, dass eine wirksame Alterskontrolle zur Folge hat, dass auch im Versandhandel Angebote nicht frei zugänglich sind und somit eine Strafbarkeit im Sinne des § 184 I Nr. 3 StGB nicht gegeben ist. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass dieses Urteil die Fälle des § 184 I Nr. 2 u. 5 StGB betraf und nicht den Versandhandel gemäß § 184 I Nr. 3 StGB.

c)

Die durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geschaffene Stelle jugenschutz.net vertritt als staatliche Stelle die Ansicht, dass bei einer zuverlässigen Alterverifikation  eine Strafbarkeit gemäß § 184 I Nr. 3 nicht  gegeben sei  (vergleiche http://jugendschutz.net/AVS-Versandhandel.html).

 Es heißt dort:

“Einen generell unzulässigen Versandhandel mit Pornographie sehen die Strafverfolgungsbehörden zur Zeit mehrheitlich auch in der gewerblichen, unverkörperten Überlassung von Bilddateien über das Internet. Die bedeutet in der Konsequenz, dass kostenpflichtige Internetangebote mit Pornographie auch bei einer sicheren Alterskontrolle nicht möglich wären.

Wir teilen diese Auffassung nicht. Aus unserer Sicht spricht hiergegen insbesondere:

– Die Regelung des § 184 I Nr. 3 StGB entstammt einer Zeit, wo ein unverkörpertes Übertragen von Dateien noch nicht möglich war; der Begriff des Versandhandels ist in seiner Entstehungsform eng mit einem klassischen Übersenden zwischen Kunde und Versender verbunden. Hier wäre der Bestimmtheitsgrundsatz von Art. 103 II GG tangiert.

– Mit dem faktischen Verbot eines Konsums von Pornographie für Erwachsene über das Internet ist erhebliches verfassungsrechtliches Problem verbunden, da das verfassungsrechtlich eingeräumte Recht auf Information des Art. 5 I GG tangiert ist.

– Mit einem absoluten Verbot werden Adult-Anbieter von Systemen mit geringer Sicherheit previligiert, da der Anreiz für den Einsatz, aber auch für die Entwicklung von Systemen mit höherer Sicherheitsstufe für den Adultwebmaster fehlt.

Es stellt sich die Frage, ob auch die Strafverfolgungsbehörden die Jugendschutzrelevanz des generellen Versandhandelverbotes dann nicht mehr tangiert sehen, wenn Umgehungsmöglichkeiten bei zukünftigen Systemen mit verbesserten Alterskontrollen unter allen denkbaren Umständen ausgeschlossen wären.”

Insbesondere der Kritik an dem Bestimmtheitsgrundsatz von Art. 103 II GG ist zuzustimmen.

d) Die Definition des “Versandhandels” hat im Jugendschutzgesetz eine gesetzliche Definition erfahren.

In § 1 IV Jugendschutzgesetz heißt es: “Versandhandel im Sinne dieses Gesetzes ist jedes entgeltliche Geschäft, das im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Postversand oder elektronischen Versand ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller, oder ohne dass durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt, vollzogen wird.”

Der Begriff des Versandhandels mit Berührungspunkten zum Jugendschutzgesetz ist somit dann nicht gegeben, wenn durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder oder Jugendliche erfolgt. Die gleiche Intention liegt durch den Gesetzgeber auch beim § 184 I Nr. StGB vor, so dass eine unterschiedliche Definition des Begriffes “Versandhandel” nicht für die Rechtssicherheít problematisch ist, da dieser Begriff im hier beschriebenen Kontext nur einheitlich definiert werden kann. Insbesondere wird durch das geänderte Jugendschutzgesetz ab dem 01.04.2003 für pornographischen Trägermedien ein Erlaubnisvorbehalt eingeführt, der auch Ausstrahlungswirkung auf Regelungen des StGB haben dürfte.

Bei einer entsprechenden Altersverifikation liegt somit kein Versandhandel im Sinne des § 1 IV Jugendschutzgesetz vor, mit der Folge, dass die Verbote gemäß § 15 I Nr. 3 Jugendschutzgesetz und § 12 III Nr. 2 Jugendschutzgesetz nicht einschlägig sein dürften.

Diese Auffassung wird auch vom Bundesverband Erotikhandel e. V. vertreten.

Da die Voraussetzungen des Jugendschutzes somit in § 1 IV Jugendschutzgesetz bei einer ausreichenden Alterverifikation als gegeben definiert sind, dürfte die Begrifflichkeit “Versandhandel” auch für das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjS) gelten.

e) Ein zusätzliches Argument dafür, dass eine Strafbarkeit nach dem Willen des Gesetzgebers bei einer ausreichenden Altersverifikation nicht gegeben ist, findet sich im Übrigen in § 4 II S. 2 Mediendienstestaatsvertrag. Pornographischen Telemedien sind demzufolge dann zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. (geschlossene Benutzergruppe)

Die gesetzgeberische Intention in jüngster Zeit sowohl im Jugendschutzgesetz wie auch im Medienschutzstaatsvertrag macht deutlich, dass es dem Gesetzgeber bei der aktuellen Internettechnik in erster Linie auf einen wirksamen Jugendschutz ankommt, so dass insofern auch der Begriff der Versandhandels im StGB eine Korrektur erfahren muss.

f) Auf die geänderte technische wie auch rechtliche Situation haben mittlerweile auch die Strafverfolgungsbehörden reagiert. Jugendschutz.net erläutert beispielsweise, dass es bereits Einstellungsverfügungen von Staatsanwaltschaften gibt, weil die Anbieter  mit der Vorschaltung eines Altersverifikationssystems mit der Sicherheitsstufe 3 das aus ihrer Sicht erforderliche getan haben, um die Jugend zu schützen. (http://jugendschutz.net/AVS-andereAuffassung.html) Eine Sicherheitsstufe 3 liegt nach einem Arbeitspapier zwecks Ausarbeitung gemeinsamer Empfehlungen zu den Anforderungen an Altersverifikationssystemen von jugendschutz.net vom 15.05.2003 vor, wenn eine Altersprüfung durch übereinstimmende Kopie von Ausweis- und Kredit/EC-Karte mit Kontenbewegung gegeben ist. Es werden somit nicht nur Ausweispapiere vorgelegt, sondern deren Gültigkeit auch durch Kontenbelastung überprüft. Diese Grundsätze entsprechen insofern dem Urteil des Landgerichtes Düsseldorf AZ: XXX  I 34/02 vom 31.01.2003. g)

Auf die geänderten technischen wie auch gesetzlichen Voraussetzungen hat zwischenzeitlich zudem auch der Gesetzgeber reagiert. In einem Gesetzentwurf der Koalition vom 28.01.2003 (Bundestagsdrucksache 15/350) ist eine Neufassung des § 184 c StGB geplant. Dieser wird der Problematik des Anbietens von pornographischen Inhalten mittels Versandhandel unter Berücksichtigung der Altersverifikation gerecht. Der neue § 184 c StGB hat folgenden Wortlaut:

§ 184 c StGB

“Verbreitung pornographischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste

Nach den §§ 184 -184 b StGB wird auch bestraft, wer eine pornographische Darbietung durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet. In den Fällen des § 184 I StGB ist S. 1 nicht anzuwenden, wenn durch technische oder sonstige Vorkehrungen sicher gestellt ist, dass die pornographische Darbietung Personen unter 18 Jahren nicht zugänglich ist.”

Dieser Gesetzentwurf verdeutlicht, dass die bisherige Fassung des § 184 I Nr. 3 StGB für den Internethandel mit seinen besonderen Altersverifikationssystemen überholt ist. In der Gesetzesbegündung (Bundestagsdrucksache S. 22) heißt es, dass das Entfallen der Strafbarkeit bei ausreichender Altersverifikation dem bisherigen § 184 II StGB schon durch Auslegung entnommen werden kann und im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung in § 4 II S. 2 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag eine gesetzliche Klärung als erforderlich angesehen wird. Dies stützt letztlich die Argumentation, dass ein einheitlicher Begriff des Versandhandels immer unter dem Gesichtspunkt des ausreichenden Jugendschutzes im Sinne einer Strafbarkeit betrachtet werden muss.

Eine Einschränkung des Versandhandels von pornographischen Trägermedien trotz ausreichender Jugendschutzmaßnahmen würde zudem der Dienstleistungsfreiheit im Rahmen der europäischen Union widersprechen. In anderen europäischen Ländern der EU, wie beispielsweise in Dänemark, ist der Versand von pornographischen Trägermedien erlaubt, so dass eine enge Auslegung des § 184 I Nr. 3 StGB einen erheblichen Wettbewerbsnachteil bedeuten würde.

3. Zusammenfassung

Der Begriff Versandhandel hat durch das Jugendschutzgesetz und den Jugendmedienschutzstaatsvertrag eine neue Bedeutung erfahren, so dass eine Strafbarkeit gemäß § 184 I Nr. 3 StGB dann nicht vorliegen dürfte, wenn in ausreichendem Maße durch eine Altersverifikation für einen entsprechenden Jugendschutz gesorgt wäre. Der in der älteren Rechtsprechung zum § 184 I Nr. 3 StGB benutzte Begriff des Versandhandels mit seiner rigiden Anwendung auch bei einer Altersverifikation kann vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts sowie den ausdifferenzierten Jugendschutzbestimmungen somit keinen Bestand haben, da der teleologische Schutz des § 184 StGB von Jugendlichen vor Pornographie durch eine entsprechende Altersverifikation gewährleistet ist.

4. Nachtrag

Hingewiesen sei noch auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes München vom 29.07.2004. Dort ging es um den Versand von pornografischen Trägermedien. Das Gericht hatte sich auch mit der Frage beschäftigt, ob ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch sich aus § 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB ergeben könnte. Neben der wenig nachvollziehbaren Ansicht, “FSK 18 Hardcore Erotik-Filme” würden nicht zwangsläufig Pornografie zum Inhalt haben, wird der Senat jedoch konkreter und vertritt die Ansicht, dass bei der Versandhandelsdefinition des Jugendschutzgesetzes eine Strafbarkeit nach § 184 StGb nicht in Betracht komme. Es heißt im Urteil:”Im Übrigen spricht die Identität des Schutzzweckes des Jugendschutzgesetzes und des § 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB dafür, dass die Legaldefinition des Versandhandels im Sinne des § 1 Abs. 4 JuSchG auch für § 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausschlaggebend ist.” Dieser Ansicht ist grundsätzlich zuzustimmen, wobei immer noch das Problem bleibt, dass der eindeutige Wortlaut des § 184 Abs. 2 Nr. 3 StGb eine andere Sprache spricht. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber den Versandhandel in § 184 c StGB nicht mit einbezogen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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