jugendschutz-olg-muenchen

Leitsätze

1.Ein Versandhandel i.S.d. Jugendschutzgesetzes liegt nicht vor, wenn eine Altersverifikation über das Postidentverfahren und eine Versendung per “Einschreiben Eigenhändig erfolgt”

2. Unter diesen Voraussetzungen ist beim Versandhandel von Pornographie keine Strafbarkeit gem. § 184 Abs. Nr.3 StGB gegegeben

Oberlandesgericht München, AZ  29 U 2745/04, Urteil vom 29. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am

für Recht erkannt:

    I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 22. Januar 2004 teilweise abgeändert.

    Der Antragsgegnerin wird – unter Androhung von Ordnungsgeld von 5,- € bis zu 250.000,- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken am Geschäftsführer der Antragsgegnerin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung – verboten, Filme, die mit “Keine Jugendfreigabe” nach § 14 Abs. 2 JuSchG gekennzeichnet sind (“FSK-18-Filme”), über ihren Internet-DVD-Versanddienst anzubieten oder zu überlassen, wenn nicht – etwa durch Versendung per “Einschreiben eigenhändig” – gewährleistet ist, dass die Filme an den Adressaten persönlich ausgehändigt werden.

    Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

    II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Antragstellerin zwei Drittel und die Antragsgegnerin ein Drittel.

Gründe:

Die Parteien streiten um die jugendschutzrechtlichen Anforderungen an den Versand von Bildträgern.

I.

Beide Parteien betreiben Versanddienste, über die sie mittels Bestellung per Internet Film-DVDs vermieten.

Die Antragsgegnerin bietet unter anderem DVDs mit Filmen an, die mit “Keine Jugendfreigabe” nach § 14 Abs. 2 JuSchG gekennzeichnet sind (so genannte FSK-18-Filme). Um diese bestellen zu können, muss sich der Kunde auf der Homepage der Antragsgegnerin unter Angabe seiner persönlichen Daten anmelden. Dabei erfolgt automatisch eine Alterskontrolle, die auf der individuellen Nummer des Personalausweises basiert und das Geburtsdatum mit dem aktuellen Datum abgleicht; nur wenn diese Prüfung ergibt, dass es sich um einen Volljährigen handelt, kann der Anmeldeprozess fortgesetzt werden. Im Anschluss an die Anmeldung muss der Kunde das POSTIDENT-BASIC-Verfahren der Deutschen Post AG durchlaufen. Hierzu wendet er sich mit einem ihm von der Antragsgegnerin per E-Mail zugesandten Coupon an eine Postfiliale. Dort überträgt ein Filialmitarbeiter die Daten des vom Kunden vorgelegten Personalausweises oder Reisepasses in das POSTIDENT-Formular und überprüft die Identität des Kunden durch einen Vergleich mit dem Lichtbild im Ausweis. Nachdem der Kunde das Formular unterschrieben hat, wird es an die Antragsgegnerin gesandt. Diese vergleicht die Daten des POSTIDENT-Formulars mit denen der Anmeldung; stimmen die Daten überein und ist festgestellt, dass der Kunde volljährig ist, so trägt die Antragsgegnerin den erfolgreichen Abschluss des POSTIDENT-Verfahrens manuell in ihre Software ein und teilt das dem Kunden per E-Mail mit. Wenn anschließend der Mitgliedsbeitrag und die Kaution überwiesen werden, überprüft die Antragsgegnerin, ob der Name des Kontoinhabers mit dem in der Anmeldung übereinstimmt; ist das der Fall, so wird der Kunde für den FSK-18-Bereich des Angebots der Antragsgegnerin freigeschaltet. Die bestellten DVDs mit FSK-18-Filmen werden dem Kunden mit einem an ihn adressierten einfachen Brief geschickt. Weiter erfolgt eine Mitteilung per E-Mail darüber, welche Titel ausgeliefert werden. Ebenso erfolgt eine Mitteilung per E-Mail über jede DVD, die an die Antragsgegnerin zurück gesandt wird. Zudem kann der Kunde jederzeit sämtliche von ihm jemals gemieteten Titel im Internet einsehen.

Das Landgericht hat eine einstweilige Verfügung erlassen, in der der Antragsgegnerin neben drei anderen Punkten verboten wurde, FSK-18-Filme über ihren Internet-DVD-Versanddienst anzubieten und zu überlassen. Die Antragsgegnerin hat diese einstweilige Verfügung in einem dieser Punkte als endgültige Regelung anerkannt und im Übrigen Widerspruch eingelegt. Mit am 22. Januar 2004 verkündetem und am 15. März 2004 der Antragsgegnerin mit Gründen zugestellten Urteil hat das Landgericht im Umfang des Widerspruchs die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.

Mit ihrer am 14. April 2004 eingelegten und am 13. Mai 2004 begründeten Berufung greift die Antragstellerin das Urteil nur insoweit an, als es FSK-18-Filme betrifft. Sie ist der Auffassung, die Antragsgegnerin betreibe insoweit verbotenen Versandhandel. Nach dem Wortlaut der Legaldefinition in § 1 Abs. 4 JuSchG sei Versandhandel immer schon dann gegeben, wenn das entsprechende Geschäft ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller vollzogen werde, ohne dass es darauf ankäme, ob durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt, denn diese beiden Voraussetzungen seien im Gesetzestext nicht kumulativ durch ein “und”, sondern alternativ durch ein “oder” verknüpft. Sollte der eindeutige Wortlaut des Gesetzes anderes ausdrücken, als der Gesetzgeber gewollt habe, seien nicht die Gerichte, sondern allein der Gesetzgeber zu einer Korrektur berufen. Selbst wenn man ein hinreichendes Altersverifikationssystem für die Verneinung eines Versandhandels ausreichen ließe, sei der Versand von FSK-Filmen in der Form, in der ihn die Antragsgegnerin betreibe, nicht zulässig, weil durch das von ihr verwendete Verfahren nicht sichergestellt sei, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolge. Das POSTIDENT-Verfahren möge zwar ausreichen, eine einmalige Identifizierung des Kunden und eine Verifizierung seines Alters zu erreichen; es stelle aber nicht sicher, dass die Bestellung von FSK-18-Filmen tatsächlich von dem identifizierten Kunden herrühre und dass die Filme nur in den Besitz dieses Kunden gelangten. Aus dem Schutzzweck des Versandhandelsverbots ergebe sich, dass vor allem der Besitzübergang von FSK-18-Filmen an Kinder und Jugendliche unterbunden werden solle. Das aber sei beim Versand der Antragsgegnerin nicht gesichert, weil bei den einfachen Briefen, mit denen diese ihre DVDs verschicke, keine Kontrolle stattfinde, mittels derer gewährleistet werde, dass der unmittelbare Übergang der Sachherrschaft nur an die identifizierte volljährige Person erfolge. Eine derartige Kontrolle könne zum Beispiel dadurch geschehen, dass die DVDs als “Einschreiben Eigenhändig” verschickt würden. Außerdem verstoße die Antragsgegnerin gegen § 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB; selbst wenn § 1 Abs. 4 JuSchG für die Zwecke jenes Gesetzes den Begriff des Versandhandels einschränke, gelte das nicht für den Begriff, wie ihn das Strafgesetzbuch verwende.

Die Antragstellerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts teilweise abzuändern und die Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, Filme, die mit “Keine Jugendfreigabe” nach § 14 Abs. 2 JuSchG gekennzeichnet sind (“FSK-18-Filme”), über ihren Internet-DVD-Versanddienst anzubieten oder zu überlassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, § 1 Abs. 4 JuSchG mache deutlich, dass ein Versandhandel im Sinne des Gesetzes nur vorliege, wenn es entweder an einem persönlichen Kontakt fehle oder eine ausreichende technische oder sonstige Vorkehrung nicht gegeben sei; im Umkehrschluss folge daraus zwingend, dass ein Versandhandel nicht zu beanstanden sei, wenn eine der beiden Alternativen erfüllt sei. Bei der angegriffenen Vorgehensweise liege ein persönlicher Kontakt der in § 1 Abs. 4 JuSchG geforderten Art vor, weil der Postmitarbeiter “quasi” als ihr – der Antragsgegnerin – Mitarbeiter tätig werde und die Daten überprüfe. Im Übrigen genüge ein Altersverifikationssystem den Anforderungen des § 1 Abs. 4 JuSchG, wenn dadurch ausgeschlossen werden könne, dass Warensendungen im Wege des Postversands an Minderjährige gerichtet würden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sei einzig entscheidend, beim Absenden der Ware zu gewährleisten, dass die Sendung nicht an einen Minderjährigen gerichtet sei. Dem genüge das angegriffene Verfahren. Außerdem werde durch die E-Mail-Mitteilungen über aufgegebene Bestellungen und erfolgte Absendungen ausgeschlossen, dass Minderjährige unbemerkt Zugriff auf die angebotenen FSK-18-Titel nehmen könnten. Schließlich werde durch den Versand der DVDs in blickdicht verschlossenen Umschlägen die Gefahr ausgeschlossen, dass Minderjährige gezielt Sendungen mit FSK-Titeln abfingen. Schließlich fehle es auch an einem Verfügungsgrund; dass die Antragstellerin die Rechtsmittelfristen fast vollständig ausgeschöpft habe, obwohl ihr das Ergebnis der Verhandlung vor dem Landgericht bei Zustellung des begründeten Urteils seit mehr als sieben Wochen bekannt gewesen sei, zeige, dass sie die Rechtsverfolgung nur zögerlich betreibe, was die gesetzliche Dringlichkeitsvermutung widerlege.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins vom 29. Juli 2004 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.

1. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG die Unterlassung der derzeit von dieser betriebenen Art der Vermietung von Bildträgern mit FSK-18-Filmen verlangen, weil diese Vermietung gegen § 12 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG verstößt und deshalb gemäß § 4 Nr. 11 UWG unlauter ist.

a) Die Antragstellerin steht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zur Antragsgegnerin und ist deshalb als Mitbewerberin i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 UWG gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG anspruchsberechtigt. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist immer dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder gewerbliche Leistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, d. h. im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH, Urt. v. 24. Juni 2004 – I ZR 26/04 – Werbeblocker, Umdruck S. 10 unter II. 1. a] aa] m. w. N.). Vorliegend bieten beide Parteien die Vermietung von Bildträgern mit Filmen an und wenden sich mit ihrem Angebot per Internet an Interessenten in ganz Deutschland. Damit sind derartige Beeinträchtigungen möglich.

b) Die derzeit von der Antragsgegnerin betriebene Art der Vermietung verstößt gegen § 12 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG. Nach dieser Vorschrift ist der Versandhandel von Bildträgern, die nicht oder mit “Keine Jugendfreigabe” nach § 14 Abs. 2 JuSchG von einer obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle im Rahmen des Verfahrens nach § 14 Abs. 6 JuSchG oder nach § 14 Abs. 7 JuSchG vom Anbieter gekennzeichnet sind, unzulässig. Die von der Antragsgegnerin vermieteten DVDs mit FSK-18-Filme sind solche Bildträger.

Bei der derzeit von der Antragsgegnerin betriebenen Art der Vermietung handelt es sich um Versandhandel.

aa) Der Begriff des Versandhandels im Sinne des Jugendschutzgesetzes ist in § 1 Abs. 4 dieses Gesetzes definiert. Diese Vorschrift lautet:

Versandhandel im Sinne dieses Gesetzes ist jedes entgeltliche Geschäft, das im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Postversand oder elektronischen Versand ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller oder ohne dass durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt, vollzogen wird.

(1) Die am Willen des Gesetzgebers orientierte Auslegung ergibt, dass Versandhandel nur vorliegt, wenn es sowohl am persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller als auch an Vorkehrungen zur sicheren Vermeidung des Versands an Minderjährige fehlt.

a-1) Dem Wortlaut der Vorschrift nach liegt Versandhandel vor, wenn mindestens eine der beiden genannten Voraussetzungen (einerseits kein persönlicher Kontakt zwischen Lieferant und Besteller und andererseits keine Vorkehrungen zur Sicherstellung, dass kein Versand an Minderjährige erfolgt) gegeben ist, denn die beiden Voraussetzungen werden durch ein “oder” verknüpft. Es liegt jedoch kein Fall der exklusiven Alternativität vor, wie sie durch die Verwendung der Verknüpfung “entweder – oder” zum Ausdruck käme; nach dem Wortlaut liegt deshalb auch Versandhandel vor, wenn beide Voraussetzungen gemeinsam gegeben sind.

a-2) Die Gesetzgebungsmaterialien zeigen, dass allein diese kumulative Variante vom Gesetzgeber gewollt war.

Im ursprünglichen Gesetzesentwurf fand sich lediglich die Voraussetzung des Fehlens eines persönlichen Kontakts zwischen Lieferant und Besteller (vgl. BT-Drs. 14/9013, S. 3). Hierzu führte der Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (im Folgenden: Bundestagsausschuss) aus, die für einen effektiven Kinder- und Jugendschutz notwendige Sicherstellung, dass ein Versand nur an Erwachsene erfolge, könne nicht nur durch einen persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller erreicht werden, sondern insbesondere beim elektronischen Versand auch durch technische Vorkehrungen, wie zum Beispiel sichere Altersverifikationssysteme oder sonstige Vorkehrungen; um den elektronischen Versand nicht unnötig zu erschweren, bedürfe es einer Erweiterung (vgl. BT-Drs. 14/9410, S. 30). Er schlug deshalb die Formulierung der Vorschrift vor, die dann vom Bundestag beschlossen wurde.

Es sollte also Versandhandel dann nicht vorliegen, wenn es zwar am persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller fehlt, aber durch Vorkehrungen sichergestellt ist, dass ein Versand nur an Erwachsene erfolgt. Der Bereich zulässigen Handelns sollte dahin erweitert werden, dass Versandhandel – der wegen seiner Risiken besonderen Beschränkungen unterworfen ist – nur dann vorliegt, wenn kein persönlicher Kontakt vorliegt und keine Vorkehrungen zur Sicherstellung des Versands nur an Erwachsene getroffen werden.

a-3) Deshalb ist die Vorschrift des § 1 Abs. 4 JuSchG auf diesen Teilbereich der durch ihren Wortlaut erfassten Fallgestaltungen teleologisch zu reduzieren. Das überschreitet den Bereich der zulässigen Gesetzesauslegung nicht.

(2) Der Begriff des Versands an Kinder und Jugendliche in § 1 Abs. 4 JuSchG erfasst nicht allein den Vorgang des Absendens, sondern den gesamten Ablauf der Übermittlung einschließlich des Eintreffens in der Sphäre des Empfängers. Das ergibt die an ihrem Schutzzweck orientierte Auslegung der Vorschrift.

Ziel der besonderen Regelungen für die vom Jugendschutzgesetz als Versandhandel bezeichneten Geschäfte ist es, zu verhindern, dass Minderjährige jugendschutzrelevante Inhalte wahrnehmen. Deshalb ist bei an Träger gebundenen Inhalten darauf abzustellen, ob Minderjährige den Gewahrsam an den Trägern erlangen, ohne den die Wahrnehmung der Inhalte nicht möglich ist. Entsprechend untersagt § 12 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG die Überlassung von Bildträgern “im Versandhandel”, geht also davon aus, dass nicht nur das Absenden, sondern auch die Überlassung – d. h. die Verschaffung des Gewahrsams (vgl. Liesching in; Scholz/Liesching, Jugendschutz, 4. Aufl. 2004, § 12 JuSchG Rz. 11) – Teil des Versandhandels ist. Auch der Bundestagsausschuss, auf den die Möglichkeit, die Einstufung als Versandhandel durch entsprechende Vorkehrungen auszuschließen, zurückgeht, ist von der Prämisse ausgegangen, für einen effektiven Kinder- und Jugendschutz müsse sichergestellt werden, dass ein Versand nur an Erwachsene erfolge (vgl. BT-Drs. 14/9410, S. 30); effektiv kann der Schutz aber nur sein, wenn nicht allein auf das Geschehen auf der Absenderseite, sondern auch auf das auf der Empfängerseite abgestellt wird.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass der Gesetzgeber die ausschließlich technische Altersverifizierung bei der Bestellung als ausreichend angesehen habe, weil nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 JuSchG auch beim Postversand technische Vorkehrungen ausreichend sein könnten, solche aber hinsichtlich des postalischen Versendungsakts nicht denkbar seien (so Liesching, a. a. O., § 1 JuSchG Rz. 22). Der zur Begründung dieser Auffassung herangezogenen Äußerung des Bundestagsausschusses, das Ziel des effektiven Kinder- und Jugendschutzes könne “insbesondere” – also nicht gerade ausschließlich – beim elektronischen Versand durch technische Vorkehrungen erreicht werden (vgl. BT-Drs. 14/9410, S. 30), kann lediglich entnommen werden, dass der Ausschuss die Möglichkeit ausreichender rein technischer Vorkehrungen beim Postversand – insbesondere angesichts nicht absehbarer künftiger Versandmodalitäten – nicht ausschließen wollte. Die Äußerung rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass der Ausschuss beim Postversand technische Vorkehrungen auch dort genügen lassen wollte, wo sie für einen effektiven Kinder- und Jugendschutz nicht ausreichen.

Wegen der Unterschiede zwischen der körperlichen Übermittlung eines Bildträgers im postalischen Versand und der unkörperlichen Übermittlung von Inhalten in Telemedien können auch die Kriterien für geschlossene Benutzergruppen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV nicht abschließend auf den Postversand von Bildträgern übertragen werden. Entsprechendes gilt für die Anforderungen, die an ein Ladengeschäft i. S. d. § 184 Abs. 1 Nr. 3a StGB zu stellen sind (vgl. BGH NJW 2003, 2838 [2840]).

Das Verständnis, dass ein Versand an Kinder und Jugendliche auch dann vorliegt, wenn diese die Sendung trotz Adressierung an einen Erwachsenen empfangen, geht nicht über den Wortlaut des Begriffs “Versand” hinaus. So widerspricht es etwa dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht, von einem gescheiterten Versand zu reden, wenn eine Sendung zwar ordnungsgemäß auf den Weg gebracht worden, aber nicht beim Adressaten angekommen ist. Das zeigt, dass die Gewahrsamserlangung durch den Empfänger Teil des Vorgangs ist, der mit dem Wort “Versand” bezeichnet wird.

(3) Versandhandel im Sinne des Jugendschutzgesetzes liegt deshalb bei entgeltlichen Geschäften, die im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Postversand vollzogen werden, nur dann nicht vor, wenn ein persönlicher Kontakt zwischen Lieferant und Besteller besteht oder durch Vorkehrungen technischer oder sonstiger Art sichergestellt ist, dass die Ware beim Versand nicht von Minderjährigen in Empfang genommen wird.

bb) Diesen Anforderungen wird die von der Antragsgegnerin betriebene Art der Vermietung nicht gerecht.

(1) Ein persönlicher Kontakt zwischen der Antragsgegnerin oder deren Beschäftigten und dem Besteller findet nicht statt. Der im Rahmen des POSTIDENT-Verfahrens tätige Postmitarbeiter ist für die zwischengeschaltete Deutsche Post AG tätig und nicht für die Antragsgegnerin. Sein Kontakt mit dem Besteller kann nicht der Antragsgegnerin zugerechnet werden.

(2) Bei der Vorgehensweise der Antragsgegnerin ist nicht sichergestellt, dass die Ware beim Versand nicht von Minderjährigen in Empfang genommen wird.

So besteht die Gefahr, dass die Warensendung vom Postboten unmittelbar an in häuslicher Gemeinschaft mit dem erwachsenen Kunden lebende Minderjährige ausgehändigt wird. Die Gefahr, dass diese die Sendung öffnen, obwohl sie nicht an sie persönlich adressiert ist, erscheint durchaus real, zumal Sendungen der Antragsgegnerin mit unverfänglichen Bildträgern gleichartig verpackt sind und sich Minderjährige für berechtigt halten können, Sendungen von der Antragsgegnerin selbst zu öffnen, wenn früher bereits solche Bildträger für den Familiengebrauch bestellt worden sind.

Darüber hinaus besteht die gleiche Gefahr aber auch, wenn die Sendung in den Hausbriefkasten des erwachsenen Kunden eingeworfen wird. Hausbriefkästen werden von allen Bewohnern einer Wohnung gleichzeitig genutzt, so dass sich deren häusliche Sphären insoweit überlappen. Mit dem Einwurf in den Hausbriefkasten gelangt die Sendung daher nicht nur – wie beabsichtigt – in die Sphäre des Kunden, sondern zugleich auch in die seiner minderjährigen Mitbewohner und eröffnet diesen die Möglichkeit, den Inhalt der Bildträger wahrzunehmen. Anders als in dem – nicht der Antragsgegnerin zurechenbaren – Fall, in dem ein Kunde erst nach Empfang der Sendung durch Nachlässigkeit im eigenen Bereich die Gefahr der Wahrnehmung des Bildträgerinhalts durch Minderjährige eröffnet, gelangen durch den Einwurf in den gemeinsamen Hausbriefkasten die Bildträger unmittelbar durch die von der Antragsgegnerin veranlasste Versendung in den zu vermeidenden (Mit-)Gewahrsam von Minderjährigen.

Die von der Antragsgegnerin praktizierte Vorgehensweise der Versendung mit einfachem Brief enthält keine Vorkehrungen, die dieser Gefahr begegnen und sicherstellen, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt. Die Ankündigung einer Warensendung per E-Mail mag zwar den Kunden zu allgemein erhöhter Aufmerksamkeit veranlassen; es kann aber nicht erwartet werden, dass er deswegen dafür Sorge trägt, die Sendung abzufangen, bevor sie in den Hausbriefkasten eingeworfen oder an minderjährige Mitbewohner übergeben wird. Auch die nachträgliche Mitteilung darüber, welche Bildträger zurückgesandt worden sind, kann nicht sicherstellen, dass kein Versand an Minderjährige erfolgt. Sie erreicht den Kunden erst nach erfolgtem Versand und kann ihm deshalb allenfalls nachträglich Kenntnis von einer missbräuchlichen Bestellung der Bildträger durch Minderjährige verschaffen; dann ist aber das bereits eingetreten, was durch § 1 Abs. 4 JuSchG verhindern soll. Die Möglichkeit des Kunden, die Gesamtheit der in seinem Namen erfolgten Bestellungen im Internet einzusehen, ist schon deshalb ungeeignet, weil nicht gewährleistet ist, dass sie auch wahrgenommen wird; im Übrigen gelten in dem Fall, dass der Kunde sein Internet-Konto einsieht, die gegen die E-Mail-Benachrichtigungen erhobenen Einwände in gleicher Weise.

c) Der damit vorliegende Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG ist gemäß § 4 Nr. 11 UWG unlauter i. S. d. § 3 UWG, weil das Verbot des Versandhandels mit entsprechenden Bildträgern die Tätigkeit gleichartiger Unternehmen beim Absatz der Ware und damit das Marktverhalten im Interesse der Minderjährigen, die als – potentielle – Verbraucher Marktteilnehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UWG sind, regelt.

2. Allerdings kann die Antragstellerin nicht jede Vermietung von FSK-18-Filmen im Versandweg verbieten lassen, weil diese zulässig ist, wenn sichergestellt ist, dass die Bildträger dem volljährigen Adressaten persönlich ausgehändigt werden.

a) So wird – wie auch die Antragstellerin einräumt – durch das POSTIDENT-Verfahren ausreichend sichergestellt, dass der Kunde volljährig ist (vgl. auch Liesching, a. a. O., § 1 JuSchG Rz. 25). Durch eine Übersendung in einer Weise, die regelmäßig gewährleistet, dass die Warensendung dem volljährigen Kunden, an den sie adressiert ist, persönlich ausgehändigt wird – wie etwa bei der Versendung als “Einschreiben eigenhändig” – ist ausreichend sichergestellt, dass der Versand nicht an Minderjährige erfolgt. Das beantragte Verbot war daher insoweit eingeschränkt auszusprechen.

b) Auf einen Verstoß gegen das Versandhandelsverbot des § 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB kann die Antragstellerin ihr Begehren nicht stützen.

Sie hat schon nicht schlüssig dargetan, dass die Antragsgegnerin pornografische Schriften anbietet oder überlässt. Der Vortrag der Antragstellerin erschöpft sich in der Angabe, die Antragsgegnerin biete “FSK 18 Hardcore Erotik-Filme” an; das ist kein Sachvortrag, der dem Senat die Beurteilung erlauben würde, ob die Filme als pornografisch zu werten sind. Auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin mit “Keine Jugendfreigabe” gekennzeichnete Filme in ihrem Sortiment hat, erlaubt nicht die Annahme, diese Filme seien pornografisch, weil die für diese Kennzeichnung erforderliche Jugendbeeinträchtigung auch auf anderen Umständen als einem pornografischen Inhalt beruhen kann.

Im Übrigen spricht die Identität des Schutzzwecks des Jugendschutzgesetzes und des § 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB dafür, dass die Legaldefinition des Versandhandels in § 1 Abs. 4 JuSchG auch für § 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausschlaggebend ist (vgl. Liesching, a. a. O., § 184 StGB Rz. 12; wohl a. A. Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 [1069]).

3. Es liegt auch ein Verfügungsgrund vor. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht dadurch widerlegt, dass die Antragstellerin die gesetzlichen Fristen weitgehend ausgeschöpft hat. Regelmäßig berührt das Ausschöpfen der Berufungseinlegungs- und Berufungsbegründungsfristen die Dringlichkeitsvermutung nicht (vgl. OLG München GRUR 1992, 328 – Dringlichkeitsvermutung; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl. 2003, Rz. 88 m. w. N.). Dafür, dass vorliegend ausnahmsweise anderes gelten könnte, ist nichts ersichtlich. Insbesondere stellt sich der streitgegenständliche Sachverhalt als rechtlich nicht einfach dar; darüber hinaus umfasste das Urteil erster Instanz zwei weitere Punkte, für die zu prüfen war, ob auch insoweit Berufung eingelegt werden sollte.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

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