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LG Osnabrück: Rechtsmissbrauch, wenn viele Abmahnungen, überhöhter Gegenstandswert und hohe geforderte Vertragsstrafe

Durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ hat sich das Wettbewerbsrecht (UWG) seit Dezember 2020 erheblich verändert. Der Gesetzgeber wollte auf die rechtsmissbräuchlichen Massenabmahnungen reagieren und hat sowohl die formalen Ansprüche an eine Abmahnung erhöht. Gleichzeitig wurden jedoch auch sehr viel strengere und ausführlichere Regelungen zum Rechtsmissbrauch neu geregelt, jetzt in § 8 c UWG. Eine Übersicht über die Gesetzesänderung finden Sie in unseren FAQ.

Rechtsmissbräuchliche Massenabmahnungen haben seitdem spürbar nachgelassen. Es gibt jedoch auch aktuell noch Abmahnwellen, die sich dann an den neuen strengen Anforderungen des UWG messen lassen müssen.

Das Landgericht Osnabrück (LG Osnabrück Urteil vom 23.07.2021 Az.: 14 O 366/20 (n.rk.)) hat aktuell mit mehreren Gründen die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen wegen Rechtsmissbrauchs zurückgewiesen.

Der Fall

Abgemahnt wurde die fehlende Zertifizierung von Bio-Lebensmitteln nach Art. 25 und 27 VO (EG) Nr. 834 aus 2007. Wer Bio-Lebensmittel mit Internet anbietet muss sich bei einer Öko-Kontrollstelle zuvor registrieren. Dies ist seit der Entscheidung BGH Biogewürze II. höchstrichterlich geklärt.

Der Abmahnung beigefügt war eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit einer vorformulierten Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss der Handlungseinheit in Höhe von 10.000,00 Euro.

Ferner wurden Abmahnkosten unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 100.000,00 Euro abgerechnet.

Die Verfügungsbeklagte konnte recherchieren, dass über 50 gleichlautende oder vergleichbare Abmahnungen versandt wurden.

Rechtsmissbrauch nach dem neuen UWG

Das Landgericht hat sich ausführlich mit dem neuen UWG, insbesondere § 8 c Abs. 2 UWG auseinandergesetzt.

Zum einen nahm das Landgericht Osnabrück an, dass die Abmahnerin bei der Antragstellung im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht dargelegt habe, dass Sie mehrere gleichlautende Abmahnungen in einem engen zeitlichen Zusammenhang getätigt hat. Nach Auffassung des Landgerichtes sei dies ein Verstoß gegen das Gebot vollständigen und wahrheitsgemäßen Vortrags aus § 138 ZPO. Nach Auffassung des Landgerichtes erlangt vor dem Hintergrund der Missbrauchsregelungen im UWG dieses Gebot eine besondere Bedeutung, weil danach eine erhebliche Anzahl von Verstößen durch Abmahnungen einen Rechtsmissbrauch indizieren kann.

Die Kammer sei bei Erlass der einstweiligen Verfügung über einen wesentlichen Punkt im Unklaren gelassen worden.

„Es gehört jedenfalls seit Einführung des § 8 c UWG zum vollständigen Vortrag eines Antragstellers, die Mitteilung zu machen, ob weitere vergleichbare Abmahnungen in einem zeitlichen Zusammenhang erfolgt sind.“

Zu hoher Gegenstandswert

Die Annahme eines Gegenstandswertes in der Abmahnung von 100.000,00 Euro lässt nach Ansicht des Landgerichtes die Besorgnis zu, dass diese Bezifferung vornehmlich der Generierung von Gebühren dient. Zudem wurde im Entwurf der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung die Kosten der anwaltlichen Abmahnung nur abstrakt umschrieben, eine Bezifferung, wie hoch die Gebühr in Euro tatsächlich ist, fehle.

„Es versteht sich nicht von selbst, dass eine Naturalpartei in der Lage ist, die Gebühr eines Rechtsanwaltes aus einem Gegenstandswert berechnen zu können.“

Das Gericht nahm unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 30.000,00 Euro an, dass die Verfügungsklägerin somit einen um mehr als dreimal höheren Gegenstandswert angesetzt habe.

Überhöhte Vertragsstrafe

Auch die vorformulierte Vertragsstrafe von 10.000,00 Euro sah das Gericht als offensichtlich überhöht im Sinne des § 8 c Abs. 2 Nr. 4 UWG an. Der Verstoß stehe in keinem Verhältnis zur geforderten Vertragsstrafe.

Insbesondere sah das Gericht die Höhe der Vertragsstrafe auch deshalb als offensichtlich überhöht an, weil eine Vertragsstrafe unter Ausschluss der Handlungseinheit begehrt wurde.

„Der Ausschluss der Handlungseinheit diente aus Sicht der Kammer einzig dazu, in der Summe höhere Vertragsstrafen zu generieren und deutet weniger auf ein Interesse an einem fairen Wettbewerb hin als vielmehr auf die Generierung finanzieller Mittel.“

Im Rahmen einer Gesamtschau kam das Landgericht Osnabrück dann zum Ergebnis, es würde Rechtsmissbrauch vorliegen.

Fazit

Im vorliegenden Fall kam Vieles zusammen. Wahrscheinlich hätte ein Gericht auch nach dem alten UWG Rechtsmissbrauch angenommen. Die Entscheidung zeigt jedoch, dass die Versuche von Abmahnern, vielfach abzumahnen, immer noch nicht vorbei sind.

Wir beraten Sie bei einer Abmahnung. Selbstverständlich prüfen wir auch, ob möglicherweise Rechtsmissbrauch vorliegt.

Stand: 29.07.2021

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke