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Tauschbörsenabmahnung: Anschlussinhaber muss Täter nennen, sonst zahlt er selbst (OLG Köln)

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Bei einer Abmahnung wegen einer Tauschbörsennutzung wird in der Regel der Inhaber des Internetanschlusses abgemahnt. Hintergrund ist, dass entsprechende Rechercheunternehmen, die bspw. von der Musikindustrie beauftragt werden, die IP-Adressen ermitteln und über Auskunftsansprüche dann der Anschlussinhaber ermittelt wird. Wer die Urheberrechtsverletzung im Rahmen der Tauschbörsennutzung begangen hat, weiß der Abmahner in der Regel nicht.

Das OLG Köln (Urteil vom 23.12.2009, Az.: 6 O 101/09) hat sich unter anderem mit dieser Frage beschäftigt, wie auch mit der Frage, in welchem Umfang Kosten für derartige Tauschbörsenabmahnungen zu erstatten sind. Die abmahnenden Musikunternehmen waren Rechteinhaber von 131 Musikdateien. Der Anschlussinhaber selbst hatte keine Tauschbörse genutzt.

Im Haushalt der Beklagten lebten neben dem Ehemann noch fünf Kinder im Alter zwischen 1 bis 13 Jahren. Die Beklagte (Abgemahnte) hatte weder eine Aussage dazu gemacht, ob Ihr Ehemann oder die Kinder die Tauschbörse tatsächlich genutzt haben.

Folge war, dass der Inhaber des Internetanschlusses für die Tauschbörsennutzung haftete. Eine rechtliche Entlastung bspw. durch einen Vortrag, volljähriger Familienmitglieder hätten die Tauschbörse genutzt, was Zweifel an einer Haftung aufkommen lässt oder bei einer Internetnutzung durch Kinder, sei sie der in Kontrollpflichten nachgekommen, wurde daher nicht vorgetragen.

Das OLG hat es sich nicht nehmen lassen, zu dieser Frage Rechtsausführungen zu machen: Nach Ansicht des OLG genügt zur Vermeidung von Rechtsverletzungen durch Kinder ein Verbot nicht. Vielmehr gibt es bereits vorher Kontrollpflichten, die nicht erst dann beginnen, wenn Eltern bekannt wird, dass ihre Kinder Internettauschbörsen nutzen. Folge war, dass die Haftung für die Tauschbörsennutzung bei dem Anschlussinhaber kleben blieb.

Die Haltung ist im Übrigen durchaus verständlich, da für den Fall, dass bspw. die minderjährigen Kinder die Tauschbörse genutzt haben, Eltern nicht gern die Schuld auf Ihre Kinder abschieben, die dann ggf. gesondert verklagt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass man als Beklagter in einem Zivilprozess selbstverständlich das Recht hat, zu einem Lebenssachverhalt zu schweigen, ein Umstand, der dann gegen einen verwandt werden kann. Nicht erlaubt ist es, wild ins Blaue hinein zu lügen. Dies könnte Prozessbetrug sein.

Gebühren in gesetzlicher Höhe berechtigt

Zurzeit ist streitig, wie die Rechtsanwälte von Tauschbörsenabmahnern die Gebühren gegenüber ihren Mandanten, den Rechteinhabern, abrechnen. Es bestehen Zweifel daran, dass in sämtlichen Verfahren nach den Grundsätzen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetztes abgerechnet wird. Das OLG fordert jedoch, dass der Abgemahnte für eine angebliche Vereinbarung, dass andere Gebühren vereinbart worden seien, darlegungs- und beweisbelastet ist. Es hätte zumindest die Verpflichtung bestanden, Indizien vorzutragen, die auf eine derartige Vereinbarung schließen lassen. Obwohl ganz offensichtlich auf Grund der zuletzt bekannt gewordenen Umstände im Berufungsverfahren entsprechende Indizien vorgetragen worden waren, hat der Senat diesen Vortrag als verspätet zurückgewiesen.

Ganz offensichtlich war der Senat, dies macht der Verspätungseinwand deutlich, nicht daran interessiert, diesem Einwand näher nachzugehen.

Hinsichtlich des Streitwertes hat das OLG Köln einen Gegenstandswert von 50.000,00 Euro für jede der vier Musikunternehmen angenommen, ein Gesamtwert von 200.000,00 Euro. Interessant ist die Annahme, dass der Streitwert nicht in einer mathematischen Abhängigkeit von der Anzahl der ins Netz gestellten Titel zu bemessen ist. Vielmehr sind die Gesamtumstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei wurde berücksichtigt, dass über die 131 Titel, an denen die klagenden Musikunternehmen die Rechte hatten, insgesamt 946 Musikdateien über die Tauschbörse angeboten wurden. Nicht berücksichtigt hat das OLG den Umstand, dass viele Titel nicht der Rechteinhaberschaft des Musikunternehmen zuzuordnen waren. Der Gefährdungsgrad wurde auf Grund der hohen Anzahl der Titel jedoch als erheblich angesehen. Begünstigend wurde berücksichtigt, dass einige Titel keine Neuerscheinungen waren und demnach nicht von einer besonderen hohen Zugriffswahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann.

Ferner wurde für die außergerichtlichen Abmahngebühren eine 1,3-Gebühr unter Berücksichtigung der jeweiligen Erhöhungsgebühren für die Beauftragung mehrerer Mandanten zu Grunde gelegt.

Interessanter Weise hat das OLG die Revision deswegen nicht zugelassen, weil der Abgemahnte zur Frage, wer der tatsächliche Täter gewesen ist, nicht vorgetragen hat. Zur Frage der Haftung für volljährige oder minderjährige Familienmitglieder hätte diese Entscheidung vielleicht anders ausgesehen, da diese auch nach Ansicht des Senates kontrovers diskutiert wird.

Fazit

Das Urteil ist zwiespältig. Das Interesse von Anschlussinhabern, Kinder oder andere Familienangehörige im Rahmen eines derartigen Verfahrens nicht ans Messer zu liefern, liegt auf der Hand. Das Verfahren wäre ggf. anders ausgegangen, wenn Ross und Reiter benannt worden wären und zudem zu den Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen -wahrheitsgemäß- etwas Vernünftiges hätte ausgesagt werden können.

Die Frage, ob Tauschbörsenabmahner ihre Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abrechnen, bleibt offen. Weitere Entscheidungen, in denen auch die Obergerichte diese Frage einmal näher beleuchten werden, werden nach unserer Auffassung nicht lange auf sich warten lassen.

Wichtig für Eltern: Wenn minderjährige Kinder oder andere Familienmitglieder einen Internetanschluss nutzen, sollte von vornherein geklärt werden, dass Internettauschbörsen nicht genutzt werden. Rein vorsorglich ist zu empfehlen, dass Eltern die Rechner Ihrer Kinder regelmäßig überprüfen, noch besser wäre es, technische Maßnahmen vorzunehmen, sodass eine Tauschbörsennutzung gar nicht erst möglich ist.

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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