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LG Düsseldorf: Fliegender Gerichtsstand im UWG trotz anderer Ansicht des OLG Düsseldorf
Nicht überraschend sind die Gerichte von der Änderung des UWG seit Dezember 2020 nicht begeistert. Durch das „Anti-Abmahngesetz“ ist bei einigen Wettbewerbsverstößen der sogenannte fliegende Gerichtsstand entfallen. Fliegender Gerichtsstand bedeutet, dass bei Wettbewerbsverstößen im Internet der Abmahner sich deutschlandweit das Gericht aussuchen kann, an dem er seine Unterlassungsansprüche gerichtlich durchsetzen kann. Das Rennen haben in der Vergangenheit die Gerichte gemacht, die sich mit der Materie auskanten, aber auch solche Gerichte, bei denen der Streitwert relativ hoch war.
Durch die Änderung des UWG haben viele Gerichte nunmehr erheblich weniger zu tun. Frühere Schwerpunktgerichte bei Wettbewerbsverstößen im Internet können nunmehr häufig nur noch solche Verfahren entscheiden, bei denen der Beklagte seinen Sitz im Gerichtsbezirk hat. Wir vermuten, dass Wettbewerbskammern in Bochum, Bielefeld, Essen, Hamburg oder auch Düsseldorf nunmehr erheblich weniger zu tun haben.
LG Düsseldorf zum ersten
Offen renitent gegen das neue Wettbewerbsrecht ist das Landgericht Düsseldorf:
Mit Beschluss vom 15.01.2021, Az. 38 O 3/21 entschied das Landgericht Düsseldorf, doch zuständig zu sein, obwohl es sich um einen Verstoß in Telemedien handelte.
Gemäß § 14 Abs. 2 gilt der fliegende Gerichtsstand nicht für Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien. Die Zusammenfassung der Begründung des Landgerichtes Düsseldorf lautete wie folgt:
„Dieser Ausnahmetatbestand umfasst entgegen seinem (insoweit missverständlichen) Wortlaut nicht jegliches unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien, sondern ist seinem Sinn und Zweck nach beschränkt auf solche Zuwiderhandlungen, bei denen der geltend gemachte Rechtsverstoß tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpft.“
Die Entscheidung ist deutlich kritisiert worden, widerspricht sie doch dem Gesetzeswortlaut.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021, Az. I-20 W11/21) sah die Rechtslage jedoch anders, nämlich so, wie sie auch im Gesetz steht:
„Der Wortlaut enthält die vom Landgericht vorgenommene Einschränkung nicht. Diese lässt sich auch nicht mit Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen. Hintergrund der Änderung der Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit waren vom Gesetzgeber angenommene Unzuträglichkeiten….Eine teleologische Einschränkung verbietet sich auch deswegen, weil dem Gesetzgeber mögliche Einschränkungen vor Augen standen, er diese aber nicht übernommen hat.“
LG Düsseldorf zum zweiten
Normalerweise beachtet ein Gericht die Auslegung einer gesetzlichen Regelung seines zuständigen Oberlandesgerichtes. Nicht so das Landgericht Düsseldorf, gleiche Kammer, in einem weiteren Beschluss vom 26.02.2021, Az. 38 O 19/21:
Es ging wieder um eine Werbung in Telemedien (Werbespot). Das Landgericht kämpft weiterhin um den fliegenden Gerichtsstand:
„Die Kammer sieht keine Veranlassung, ihre Auffassung im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung aufzugeben. Die Diskussion darüber, wie die seit dem 2. Dezember 2020 geltende Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 14 Abs. 2 UWG auszulegen ist, steht noch an ihrem Anfang. Die Überzeugungskraft der Bedenken, die bislang gegen das in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 gefundene Ergebnis und die dafür gegebene Begründung vorgebracht worden sind, ist – jedenfalls aus Sicht der Kammer – gering und auf der anderen Seite sind Ergebnis und Begründung des Beschlusses der Kammer vom 15. Januar 2021 teils ausdrücklich zustimmend besprochen worden. Angesichts dessen erscheint es der Kammer, die ausschließlich mit Streitigkeiten aus den Bereichen des Wettbewerbs-, Kennzeichen- und Geschmacksmuster-/Designrecht befasst ist und auf deren Spruchpraxis sich die beteiligten Kreise vielfach einstellen, angezeigt, an ihrer eingeschlagenen Linie festzuhalten“
Es geht für die Kammer letztlich um alles oder nichts. Warum im Übrigen ein Kläger, der das Landgericht Düsseldorf aufsucht, davon ausgehen soll, dass eine Kammer eine „eingestellte Spruchpraxis“ trotz einer Gesetzesänderung weiterführt, bleibt ein Geheimnis der Kammer.
Eigenes ist OLG anderer Ansicht? Egal.
Üblicherweise reicht ein Hinweis des zuständigen Oberlandesgerichtes aus, um in der Instanz darunter für eine einheitliche Rechtsprechung zu sorgen. Hier nicht:
„Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist schließlich nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen der Rechtsunterworfenen dahin zu begründen, die Kammer werde nunmehr an ihrer – für den geneigten Leser ihres Beschlusses erkennbar nicht unüberlegt in den Raum geworfenen, sondern unter Heranziehung anerkannter Auslegungsgrundsätze und der Gesetzgebungsmaterialien entwickelten – Auffassung nicht länger festhalten. Selbst wenn man – hinausgehend über die sich aus §§ 31 BVerfGG, 322, 563 Abs. 2 ZPO ergebenden Bindungen an Urteile anderer Gerichte und dem sich aus den Rechtswerten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ergebenden Gebot, grundsätzlich an einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung festzuhalten – eine dem deutschen Recht an sich fremde) Präjudizienbindung von Instanzgerichten annehmen wollte, griffe diese nicht ein. Bei der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf unter II 3 c und III seines Beschlusses vom 16. Februar 2021 geäußerten Kritik an Zustandekommen und Inhalt des von der Kammer am 15. Januar 2021 erlassenen Beschlusses handelt es sich um bloße obiter dicta, die als die Entscheidung nicht tragende Erwägungen schon vom Ansatz her keinerlei Bindungswirkung entfalten.“
Was das Landgericht sagen will ist Folgendes: Aus formellen Gründen hat der Beschluss des OLG Düsseldorf keine Bindungswirkung.
Das Landgericht ist sich im Übrigen bewusst, dass seine Entscheidung viel gelesen und viel diskutiert werden wird:
„Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist schließlich nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen der Rechtsunterworfenen dahin zu begründen, die Kammer werde nunmehr an ihrer – für den geneigten Leser ihres Beschlusses erkennbar nicht unüberlegt in den Raum geworfenen, sondern unter Heranziehung anerkannter Auslegungsgrundsätze und der Gesetzgebungsmaterialien entwickelten – Auffassung nicht länger festhalten.“
Was besonders problematisch ist, ist der Umstand, dass die Antragsgegnerin eine Schutzschrift hinterlegt hatte, die dem Gericht auch bekannt war. Einen Anlass, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, um unter anderem auch die Frage der örtlichen Zuständigkeit zu diskutieren, sah das Landgericht nicht.
Status quo um jeden Preis?
Es ist zu erwarten, dass auch diese Entscheidung wiederum durch das Oberlandesgericht Düsseldorf korrigiert werden wird. Der Versuch, den status quo eines Gerichtes zu erhalten, dass aufgrund einer Gesetzesänderung seine Zuständigkeit verliert, wird wahrscheinlich nicht erfolgreich sein. Dies gilt erst recht, wenn die Absicht des Gesetzgebers und der eindeutige Wortlaut des Gesetzes ein anderer ist.
Stand: 15.03.2021