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BGH mal wieder zum Rechtsmissbrauch: Abmahnungen sind rechtsmissbräuchlich, wenn sie in keinem Verhältnis zum Jahresgewinn stehen, der Hersteller bereits verklagt wurde und dann eine Vielzahl von Verkäufern abgemahnt wurde

Wieder einmal (siehe bspw. hier)hat sich der Bundesgerichtshof zum Thema Rechtsmissbrauch geäußert (BGH, Versäumnisurteil vom 26.04.2018, Az.: I ZR 248/16 “Abmahnaktion II”).

Es sind in der Regel die heftigen Fälle, die beim BGH aufschlagen:

Es ging um Briefkästen, die mit unzulässigen Werbeaussagen gekennzeichnet waren. Der Abmahner hatte den Hersteller rechtskräftig auf Unterlassung verklagt. Daraufhin wurden durch den Abmahner 203 Baumärkte abgemahnt, die durch den Hersteller beliefert worden waren. Neben einer Unterlassungserklärung wurden jeweilig 984,60 Euro Abmahnkosten zzgl. Auslagenpauschale verlangt.

Weitere Baumärkte wurden ebenfalls abgemahnt.

Wie sich hier aus einem Nebensatz ergibt, hatte der Abmahner noch keine Anwaltskosten für die Abmahnungen an den Anwalt gezahlt.

BGH spricht von Massenabmahnungen

Die Empörung über den Fall ist dem BGH durchaus anzumerken, spricht er doch von “Massenabmahnungen”. Hierbei handelte es sich um 203 Baumärkte, 50 Internethändler und weitere Baumärkte.

Der Abmahner (Klägerin) hatte im Jahr 2013 einen Gewinn von unter 6.000,00 Euro erzielt.

Die offiziellen Leitsätze des BGH sprechen für sich:

  • Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG liegt grundsätzlich vor, wenn mit einer Vielzahl von Abmahnungen ein im Verhältnis zum Jahresgewinn des Abmahnenden existenzbedrohender Verfolgungsaufwand verbunden ist, und für ihn an der Rechtsverfolgung kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse besteht.
  • Bei der für die Prüfung einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung durch Massenabmahnungen gegenüber Händlern erforderlichen Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände kann zu berücksichtigen sein, dass der Abmahnende wegen der von ihm beanstandeten Werbeaussagen bereits eine einstweilige Verfügung gegen den Hersteller erwirkt hat.
  • Fehlt jedes wirtschaftlich nennenswerte Interesse an der Rechtsverfolgung, so entfällt die Indizwirkung einer im Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit sehr umfangreichen Abmahntätigkeit für einen Rechtsmissbrauch nicht dadurch, dass der Abmahnende sich zuvor bemüht hat, die Wettbewerbsverstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kostengünstig abzustellen.

Nach Ansicht des BGH besteht kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse des Abmahners an der Rechtsverfolgung. Der BGH führt insofern aus: “Es ist daher nicht erkennbar, dass die beanstandeten Wettbewerbsverstöße zu Lasten der Umsätze der Klägerin gehen konnten.”

Auch das Argument einer Finanzierung durch den Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin überzeugte den BGH nicht.

Einstweilige Verfügung gegen den Hersteller reicht aus

Normalerweise ist eine Abmahnung in der Lieferkette somit nicht nur gegenüber dem Hersteller, sondern auch gegenüber Abnehmern unproblematisch. Im vorliegenden Fall sah der BGH dies jedoch als “nicht interessengerecht” an.

“Fehlt, wie im Streitfall, jedes wirtschaftlich nennenswerte Interesse an der Rechtsverfolgung, so entfällt die Indizwirkung einer im Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit sehr umfangreichen Abmahntätigkeit vor einem Rechtsmissbrauch nicht dadurch, dass der Abmahnende sich zuvor bemüht hat, die Wettbewerbsverstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kostengünstig abzustellen.”

Vereinfacht gesagt sah der BGH keinen Anlass für die vielfache Abmahnung der weiteren Abnehmer.

Interessanterweise hatte die Vorinstanz, das OLG München, die Rechtslage noch anders gesehen.

Bei einem derartigen Extremfall von wohl über 250 Abmahnungen, konnte der BGH jedoch nicht anders entscheiden.

Ist die Ihnen vorliegende Abmahnung Rechtsmissbrauch?

Wir beraten Sie.

Stand: 02.01.2019

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke

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