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OLG Hamm: Abmahnung bei Anhängen an Amazon-ASIN kann Rechtsmissbrauch sein

Ein häufiger Grund für eine Abmahnung bei Amazon ist das Anhängen an bereits bestehende ASINs. Hintergrund ist, dass es relativ einfach möglich ist, eine ASIN zu monopolisieren, sei es durch eine Eigenmarke oder durch Informationen in der “von…” Beschreibung in der Artikelüberschrift.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2018, Az.: 4 U 73/18) ist es jedoch denkbar, dass Unterlassungsansprüche gegen einen Händler, der sich an eine ASIN anhängt, rechtsmissbräuchlich sein können.

Es geht hierbei nicht um den klassischen Abmahn-Rechtsmissbrauch gemäß § 8 Abs. 4 UWG, sondern um den allgemeinen Rechtsmissbrauch aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, dort § 242 BGB.

Der Fall

Der Fall ist zunächst einmal ein häufig vorkommender:

Bei Amazon wurde ein Netzladegerät für ein Telefon mit dem Zusatz “von X” angeboten. Bei dem Artikel handelte es sich um das Noname-Produkt eines chinesischen Herstellers, welches über eine polnische Firma importiert wurde. Die Beklagte hatte sich an die ASIN angehangen und war abgemahnt worden.

Nachdem die erste Instanz, das Landgericht Bochum, der Klage noch stattgegeben hatte, sah das OLG Hamm die Rechtslage anders:

Täuschung über betriebliche Herkunft ist gegeben

Nach Ansicht des OLG ist mit der Angabe “von X” durch die Beklagte durchaus eine Täuschung über die betriebliche Herkunft gegeben:

“Denn der angesprochene Verkehr fasst eine solche Angabe regelmäßig als ein auf den Hersteller des Produktes hinweisendes Kennzeichen (mithin eine Marke oder ein sonstiges unternehmen-bezogenes Zeichen) – und dies ist auch Gegenstand des klägerischen Irreführungsvorwurfes – auf. Dies ergibt sich schon aus der Verbindung mit der vorangestellten und auf einen Ausgangspunkt oder Ursprung hinweisenden Präposition “von”. Für einen Hinweis auf den Verkäufer des Produktes hält der Verkehr die in Rede stehende Angabe schon deshalb nicht, weil dieser in den hier in Rede stehenden Angeboten grundsätzlich an anderer Stelle ausdrücklich als solcher benannt ist.

Er versteht den Zusatz auch nicht etwa als bloßen Hinweis darauf, dass die Ware unmittelbar oder auch nur mittelbar aus den Beständen des Klägers stammt. Denn über welche Zwischenhändler der Verkäufer seine Ware bezogen hat, ist für den Verkehr regelmäßig ohne Belang und bedarf keiner besonderen Erwähnung an einer prominenten Stelle, wie dem werbewirksamen Titel der Anzeige – und (allein) insoweit ist der Irreführungsvorwurf des Klägers unbegründet.”

Im Weiteren nimmt das OLG an, dass der Kläger weder selbst Hersteller noch Importeur ist, sondern lediglich einer von mehreren Anbietern eines sogenannten Noname-Produktes.

Aber: Rechtsmissbrauch

Die Ansprüche des Klägers und Abmahners gehen jedoch quasi wieder unter, da das OLG Rechtsmissbrauch gemäß § 242 BGB annimmt.

“Allerdings ist es dem Kläger gemäß § 242 BGB verwehrt, den Unterlassungsanspruch auf ein solchermaßen wettbewerbswidriges, das irreführendes Handeln des Beklagten zu stützen.
Denn die Rechtsposition des Klägers beruht auf seinem eigenen unlauteren, da gleichermaßen irreführenden Handeln  Die Unlauterkeit des beanstandeten Handelns des Beklagten wird nämlich einzig und allein durch das gleichermaßen irreführende eigene Angebot des Klägers provoziert – und dies geht über den sog. Unclean hands – Einwand hinaus  Denn er selbst ist ebenso wenig Hersteller, sondern lediglich Händler. Dies sieht er offensichtlich selbst nicht anders, wenn er in der Klageschrift vorbringt, er sei “sozusagen Hersteller”.
Dem Kläger fehlt, zumal er die Irreführung durch eine entsprechende Korrektur der eigenen Produktdetailseite umgehend effizient unterbinden könnte, zudem ein schutzwürdiges Eigeninteresse am lauterkeitsrechtlichen Vorgehen gegen den Beklagten. Das Ziel des Klägers, durch diese Vorgehensweise von vorneherein das auf der Internetplattform P systemimmanente Anhängen von Wettbewerbern an das eigene (Erst-)Angebot zu unterbinden, ist wettbewerbsrechtlich inakzeptabel. Denn hiermit würde ein Wettbewerb hinsichtlich des jeweiligen Produktes auf der Internetplattform P tatsächlich behindert, wenn nicht gar vereitelt. Wettbewerbern würde das Angebot gleicher Artikel letztlich unmöglich gemacht wird, da sie diese nicht unter einer anderen ASIN anbieten könnten, ohne sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, solchermaßen irreführend eine “Dublette” anzubieten.”

Die Argumentation des OLG ist nicht ganz leicht zu verstehen. Es geht offensichtlich darum, dass sich das OLG daran stört, dass der Anbieter “von X” nicht Hersteller ist. Das OLG geht sogar noch ein Stück weiter:

Nicht nur, dass das Vorgehen des Abmahners wettbewerbsrechtlich inakzeptabel sei. Das OLG nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf seine eigene Rechtsprechung, der zufolge es Anbietern bei Amazon auch wettbewerbsrechtlich untersagt ist, eine bereits existierende Artikelbeschreibung noch einmal als neue ASIN anzulegen (sogenannte Dublette).

Worin genau das OLG Hamm hier einen allgemeinen Rechtsmissbrauch sieht, ist unklar. Wenn man die Angabe “von X” als betriebliche Herkunft wertet, wäre ein Anhängen nicht zulässig. Siehe hierzu auch “Was Sie hinsichtlich der Information “von” in der Artikelbeschreibung bei Amazon beachten müssen“.

Amazon könnte diese Problematik im Übrigen entschärfen, in dem nicht so einfach möglich wäre, “von”-Angaben hinzufügen. Das Angebot von Noname-Produkten bei Amazon wird dadurch erheblich erschwert. Letztlich zwingt die Gesamtgestaltung der Artikelbeschreibungen bei Amazon die Händler dazu, ihre ASINs zu monopolisieren. Dies kann entweder durch eine von-Bezeichnung geschehen oder durch eine Marke oder Set-Angebote.

Wir gehen jedenfalls davon aus, dass das OLG hier über eine nicht ganz leicht nachzuvollziehende Sonderkonstellation entschieden hat. Sicherlich wird man nicht allgemein sagen können, dass die Abmahnung bei einem Anhängen an eine ASIN Rechtsmissbrauch ist.

Stand: 22.01.2019

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke

 

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