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BGH: Bei Verstoß gegen bereits vorhandene Unterlassungserklärung reicht eine weitere Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch

Bei einem Wettbewerbsverstoß oder einem Markenrechtsverstoß oder einem anderen Verstoß gegen Schutzrechte, wird im Rahmen einer Abmahnung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Auf der einen Seite soll der Abgemahnte sich verpflichtet, zukünftig etwas zu unterlassen. Für den Fall der Zuwiderhandlung muss der Abgemahnte sich verpflichten, an den Abmahner eine Vertragsstrafe zu zahlen. Nur bei einer Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe zugunsten des Abmahners entfällt die sogenannte Wiederholungsgefahr. Eine Ausnahme ist im Übrigen eine erstmalige Abmahnung wegen der Verletzung von Informationspflichten im Internet durch einen Wettbewerber. Hier reicht ausnahmsweise die Abgabe einer Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe.

Der Hamburger Brauch

Durchaus üblich ist eine Vertragsstrafenregelung nach dem sogenannten neuen Hamburger Brauch.

Dies bedeutet, dass für den Fall, dass für den Fall der Zuwiderhandlung keine feste Summe als Vertragsstrafe eingeräumt wird, sondern eine angemessene Vertragsstrafe, die in die gerichtliche Überprüfung gestellt werden kann. Eine Formulierung kann sinngemäß wie folgt aussehen nach der Unterlassungsverpflichtung:

Für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung an den Unterlassungsgläubiger eine angemessene Vertragsstrafe zu zahlen, deren Höhe in das billige Ermessen des Unterlassungsgläubigers gestellt wird und die im Streitfall in die Überprüfung durch das zuständige Gericht gestellt werden kann.

Im Wettbewerbsrecht sind Abmahnungen mit einer beigefügten Unterlassungserklärung mit einer festen Vertragsstrafe selten geworden. Hintergrund ist, dass die Forderung nach einer Unterlassungserklärung mit einer zu hohen Vertragsstrafe ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein kann.

Der Vorteil einer Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch ist, dass der Abgemahnte bessere Verhandlungsoptionen zur Höhe der Vertragsstrafe hat.

Im Zweifel muss ein Gericht entscheiden, ob die geltend gemachte Vertragsstrafe angemessen war oder nicht.

Im Übrigen bedeutet eine Vertragsstrafenregelung nach Hamburger Brauch nicht zwangsläufig, dass die Vertragsstrafe immer gering ist. Auch eine hohe Vertragsstrafe kann durchaus angemessen sein. Nach unserem Eindruck sind die Gerichte bei der Überprüfung von Vertragstrafenforderungen relativ streng zu Lasten des Abgemahnten.

Wenn gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen wird

Wenn, sei es im Markenrecht, im Wettbewerbsrecht, im Urheberrecht oder bei sonstigen gewerblichen Schutzrechten gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen wird, kann der Abmahner gegenüber dem Abgemahnten eine Vertragsstrafe geltend machen. Die Vertragsstrafe erhält der Abmahner. Die Motivation eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung zu überprüfen und bei einem Verstoß eine Vertragsstrafe geltend zu machen, ist daher hoch, da der Abmahner davon einen finanziellen Vorteil hat. Aus diesem Grund sollte z.B. bei Verstößen die nicht 100%ig ausgeschlossen werden können, keine Unterlassungserklärung abgegeben werden. Dazu zählen grundsätzliche Informationspflichten, wie z.B. Grundpreise, Textilkennzeichnung oder sonstige Informationspflichten, die dann für jedes Produkt gelten. Zu nennen sind hier energierelevante Produkte, wie Lampen oder Leuchten oder Lebensmittel.

Eine Unterlassung über eine einstweilige Verfügung oder ein gerichtliches Urteil hat in diesen Fällen viele Vorteile.

Wenn es somit zu einem Verstoß kommt, kann der Abmahner eine Vertragsstrafe geltend machen, jedoch nicht nur dies:

Gleichzeitig lebt die sogenannte Wiederholungsgefahr wieder auf. Die in der Vergangenheit abgegebene Unterlassungserklärung war, so die Rechtsprechung, nicht ausreichend, um den Abgemahnten von einem Verstoß abzuhalten. Folge ist, dass der Abmahner einen Anspruch auf eine neue Unterlassungserklärung hat. In der Regel wird neben der Geltendmachung einer Vertragsstrafe daher nochmals wieder kostenpflichtig abgemahnt mit der Forderung nach einer neuen weiteren Unterlassungserklärung.

Da, so die Rechtsprechung, die ursprünglich abgegebene Unterlassungserklärung offensichtlich nicht geeignet war, die Wiederholungsgefahr auszuschließen, hat der Abgemahnte einen Anspruch auf Abgabe einer Unterlassungserklärung mit einer erheblich höheren Vertragsstrafe. Anspruch bedeutet im Übrigen nicht, dass der Abgemahnte diese Unterlassungserklärung abgeben muss. Auch in diesem Zusammenhang kann es sich anbieten, keine weitere Unterlassungserklärung abzugeben. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bereits die erste Unterlassungserklärung offensichtlich nicht eingehalten wurde bzw. nicht eingehalten werden konnte.

Wie ist es bei einer ursprünglich abgegebene Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch?

Der Bundesgerichtshof (BGH, Versäumnisurteil vom 01.12.2022, Az.: I ZR 144/21 „Wegfall der Wiederholungsgefahr III“) hatte sich mit folgendem Fall zu befassen:

Es war aufgrund einer Markenrechtsverletzung eine Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch abgegeben worden. Es kam dann zu einem Verstoß. Der Abmahner machte eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 Euro geltend. Es wurde ferner eine Unterlassungserklärung mit einer erhöhten Vertragsstrafe gefordert.

Der Abgemahnte gab eine erneute Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch ab, die durch den Abmahner jedoch nicht angenommen wurde.

Bisher war es in Fällen, in denen ursprünglich eine Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch abgegeben wurde und es dann zu einem Verstoß kam, üblich, eine weitere Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch mit einer Mindestvertragsstrafe zu fordern.

Nunmehr hat der BGH sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine weitere Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch, die quasi identisch war zu der zuerst abgegebenen Unterlassungserklärung, ausreichend ist.

Weitere Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch reicht aus

Der BGH hat nunmehr klargestellt, dass im Wiederholungsfall die Abgabe einer weiteren Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch ohne Mindestvertragsstrafe ausreichend ist:

„Ein der Höhe nach unbegrenztes Bestimmungsrecht – wie es die von den Beklagten abgegebene Er-klärung nach “Hamburger Brauch” vorsieht – bietet dem Gläubiger den entscheidenden Vorteil, in schwerwiegenden Verletzungsfällen die Vertragsstrafe auch in einer Höhe bestimmen zu können, die erheblich über derjenigen liegen kann, die für die Vereinbarung eines festen Betrags im Hinblick auf die zuvor begangene Verletzungshandlung angemessen gewesen wäre. Eine Vertragsstrafevereinbarung in dieser Form ist deshalb ein besonders geeignetes Mittel zur Verhütung schwerwiegender oder folgenreicher Wiederholungen der Verletzungshandlung, da der Schuldner gerade bei Begehung solcher Verstöße einem angemessen höheren Strafrisiko ausgesetzt ist.  Diese Grundsätze gelten auch für eine weitere, nach einer erneuten Verletzung abgegebene Unterlassungserklärung. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die im Wiederholungsfall grundsätzlich erforderliche höhere Strafbewehrung einem Vertragsstrafeversprechen nach “Hamburger Brauch” bereits innewohnt. Dieses entfaltet mit der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe auch in zuvor nicht absehbarer Höhe festzusetzen, im Wiederholungsfall dem Schuldner gegenüber die notwendige Abschreckungswirkung, zumal der Umstand der wiederholten Zuwiderhandlung bei einer gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen ist

Entgegen der Auffassung der Revision ist deshalb im Wiederholungsfall die Angabe einer Untergrenze nicht erforderlich.“

Auffällig ist die Dogmatik: Wenn man es genau nimmt, ist eine zweite Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch eine reine Formalie. Bei einem Verstoß könnte aufgrund der ersten abgegebene Unterlassungserklärung einfach eine höhere Vertragsstrafe geltend gemacht werden.

Abmahner hatte eigentlich ausreichende Unterlassungserklärung nicht angenommen

Der Fall zeichnet sich auch dadurch aus, dass die ursprünglich abgegebene zweite Unterlassungserklärung durch den Abmahner nicht angenommen wurde. Wie sich jetzt aus der BGH-Entscheidung in der dritten Instanz herausgestellt, war die Unterlassungserklärung jedoch ausreichend.

Wenn – zu Unrecht – der Abmahner eine abgegebene Unterlassungserklärung ablehnt bzw. verweigert, kann er dennoch die Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend machen. Der Abgemahnte kann in diesem Fall ein sofortiges Anerkenntnis im gerichtlichen Verfahren nach § 93 ZPO erklären mit der Folge, dass der Abmahner die Kosten des Rechtsstreites zu zahlen hat.

Da im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung die Rechtslage noch ungeklärt war, hatte der Abgemahnte jedoch keine Chance, die Kosten des Verfahrens zu vermeiden.

Im vorliegenden Fall muss er daher trotzdem die Kosten des Rechtsstreites tragen, obwohl ihm der BGH im Endergebnis Recht gegeben hatte, als eine weitere Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch abgegeben wurde.

Wir beraten Sie bei einer Abmahnung, insbesondere wenn aufgrund einer bereits abgegebenen Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe geltend gemacht wird und von Ihnen eine Unterlassungserklärung mit einer höheren Vertragsstrafe gefordert wird.

Stand: 09.01.2023

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke