verstoss-gegen-produktsicherheitsgesetz- -kein-auskunfsanspruch-ueber-lieferanten

Fehlende Herstellerinformation nach Produktsicherheitsgesetz: Wettbewerber kann keine Auskunft über Lieferanten verlangen

Jedes noch so triviale Verbraucherprodukt muss gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Produktsicherheitsgesetz mit einer Kontaktanschrift gekennzeichnet sein:

§ 6 Zusätzliche Anforderungen an die Bereitstellung von Verbraucherprodukten auf dem Markt

(1) Der Hersteller, sein Bevollmächtigter und der Einführer haben jeweils im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit bei der Bereitstellung eines Verbraucherprodukts auf dem Markt

2.den Namen und die Kontaktanschrift des Herstellers oder, sofern dieser nicht im Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist, den Namen und die Kontaktanschrift des Bevollmächtigten oder des Einführers anzubringen.

Nach der Erfahrung aus unserer Beratungspraxis sind viele Verbraucherprodukte nicht entsprechend gekennzeichnet. Diese Kennzeichnungsverpflichtung ist auch für Verkäufer nicht unwichtig. Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 12.01.2017, Az: I ZR 258/15, Motivkontaktlinsen) hatte bereits 2017 entschieden, dass Verkäufer wettbewerbsrechtlich haften, wenn Sie Produkte anbieten und verkaufen, die keine Herstellerkennzeichnung enthalten. Diese Verkäufer können auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Weitere Ansprüche aus UWG: Auskunft

Das Wettbewerbsrecht sind jedoch noch weitere Ansprüche vor, hierzu gehört auch ein Auskunftsanspruch. Der Auskunftsanspruch dient in der Regel dazu, mögliche Schadensersatzansprüche vorzubereiten.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt, Urteil vom 18.6.2020, Az. 6 U 80/19) hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem ein Verkäufer nicht gekennzeichnete Blechschilder angeboten hatte. Der Abmahner (Kläger) forderte daher eine Auskunft über die Lieferanten bzw. Hersteller der Schilder. Der Kläger beabsichtigte offensichtlich, Ansprüche gegenüber den Lieferanten und Herstellern geltendzumachen.

Hier ging das OLG Frankfurt jedoch nicht mit:

„Um die gegen die Dritten – die Hersteller und Einführer – bestehenden Beseitigungsansprüche durchsetzen zu können, steht der Klägerin jedoch kein selbstständiger Auskunftsanspruch (sog. Anspruch auf Drittauskunft) gegen die Beklagte gemäß § 242 BGB zu.

Soweit die Klägerin meint, ein akzessorischer Anspruch auf Drittauskunft gegen die Beklagte ergebe sich schon aus der – neben der Unterlassungsverpflichtung bestehenden – Beseitigungspflicht der Beklagten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, überzeugt das nicht. Die Verpflichtung der Beklagten ist auf die Beseitigung eines fortwirkenden Störungszustandes gerichtet, der über die bloße Unterlassung des beanstandeten Verhaltens hinausgeht. Zu den geschuldeten Beseitigungsmaßnahmen kann zwar grundsätzlich auch die Einwirkung auf Dritte gehören. Zur Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs kann die Klägerin allerdings nicht verlangen, dass die Beklagte ihr die Namen von Herstellern und Einführern der von ihr bezogenen Blechschilder bekannt gibt.

Unbeschadet dessen, steht der Klägerin gegen die Beklagte auch im Übrigen kein selbstständiger Anspruch auf Drittauskunft zur Vorbereitung eines Anspruchs gegen die Hersteller und Einführer der streitbefangenen Blechschilder zu.

Die Zubilligung eines Drittauskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Er ist auf den konkreten Verletzungsfall bzw. kerngleiche Handlungen begrenzt und muss geeignet und erforderlich für die Durchsetzung des Hauptanspruchs sowie zumutbar für den Verpflichteten sein“

Nach Ansicht des Gerichtes hat der abgemahnte ein beachtenswertes Interesse an der Geheimhaltung der Bezugsquellen. Das Geheimhaltungsinteresse ist gegenüber dem Auskunftsanspruch abzuwägen. Offensichtlich behauptete der Kläger ein Verbraucherinteresse an der Produktsicherheit. Dies reichte dem OLG nicht:

„Demgegenüber kann bei der Verletzung verbraucherschützender Vorschriften in Bezug auf Drittprodukte in der Regel kein das Geheimhaltungsinteresse des Verletzers an seiner Bezugsquelle überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Mitbewerbers an der Auskunft ausgemacht werden.

    So verhält es sich auch im Streitfall. Das allgemeine Interesse der Verbraucher am Schutz der Produktsicherheit kann die Klägerin nicht mit Erfolg dem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten entgegenhalten. Bei den betroffenen Produkten (Blechschildern) ist auch kein überragend wichtiges Allgemeininteresse – wie etwa der Gesundheitsschutz – ersichtlich, dem ohne weiteres vor den Individualinteressen der Beklagten der Vorrang einzuräumen ist.“

Exkurs: Auskunft über gewerbliche Abnehmer dürfte zulässig sein

Gerade bei fehlerhaft gekennzeichneten Produkten gehen die Ansprüche des Wettbewerbers weit über eine Unterlassung hinaus. Nach aktueller BGH-Rechtsprechung besteht auch ein Beseitigungsanspruch. In der Praxis bedeutet dies, dass der Händler verpflichtet ist, die Ware, die er an gewerbliche Abnehmer geliefert hat, zurückzurufen. Dies ist quasi Teil der Unterlassungsverpflichtung, die auch Beseitigungsansprüche zur Folge hat. Aus der Formulierung der Unterlassungserklärung, die sich ausdrücklich nur auf eine Unterlassung bezieht, ist dies jedoch nicht ersichtlich. Eine Unterlassungserklärung, wie aber auch ein Unterlassungstitel, gehen daher weit über den tatsächlichen Wortlaut hinaus.

Aus diesem Grund sollten Verkäufer, wenn sie wegen eines Verstoßes gegen das Produktsicherheitsgesetz abgemahnt wurden oder wegen anderer Punkte, die mit der Produktkennzeichnung zu tun haben, nicht einfach eine Unterlassungserklärung abgeben. Die Folgen sind sehr viel weitreichender, als gedacht.

Wir beraten Sie bei einer Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen das Produktsicherheitsgesetz.

Stand: 08.10.2020

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard