urheberrecht19
Ob eine Vorrichtung, die objektiv zur unerlaubten Nutzung eines zugangskontrollierten Dienstes (z. B. Pay‑TV) geeignet ist, dazu im Sinne des ZugangskontrolldiensteschutzG (ZKDSG) auch “bestimmt” ist, richtet sich nach der Zweckbestimmung, von der die angesprochenen Verkehrskreise ausgehen.
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 5. 6. 2003 ‑ 6 U 7/03; K & R 2003, S. 525
Sachverhalt
Die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 vertreiben das Gerät “Magic modul”, welches mit einem DVB‑Descrambler ausgestattet und dadurch geeignet ist, verschlüsselte PayTV‑Signale zu entschlüsseln. Zudem bewarben sie das “Magic modul” unter anderem in der Multimedia‑Illustrierten “lnfosat ‑ Europas Nr. 1 zum Thema Sat‑Empfang”. Dabei nannten sie vier Anwendungsmöglichkeiten für das Modul, ohne auf ein Entschlüsselungselement einzugehen.
Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, die Vorrichtung sei objektiv zur unerlaubten Nutzung eines zugangskontrollierten Dienstes (z. B. Pay‑TV) geeignet und auch dazu bestimmt. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens auf Unterlassung des Vertriebs und der Werbung in Anspruch.
Das LG hat die Antragsgegnerinnen antragsgemäß verurteilt.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens haben die Parteien das Eilverfahren im Hinblick auf die von den Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Kosten wurden den Antragsgegnerinnen auferlegt.
Wie das LG zutreffend angenommen hat, stand der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG 1. V m. § § 2 Nr. 3, 3 ZKDSG zu, da das beanstandete “Magic Modul” im Hinblick auf die Gesamtumstände des vorliegenden Falls die Voraussetzungen einer “Umgehungsvorrichtung” gemäß § 2 Nr. 3 ZKDSG erfüllt hat.
Ob eine objektiv zur unerlaubten Nutzung eines zugangskontrollierten Dienstes geeignete Vorrichtung auch im Sinne des Gesetzes hierzu “bestimmt” ist, richtet sich nach Auffassung des erkennenden Senats nach der so genannten objektiven Zweckbestimmung (vgl. zur Verwendung dieses Begriffs etwa bei der Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln BGH, WRP 2002, 1141 ‑ Muskelaufbaupräparate ‑ m. w. N.).
Es kommt nicht darauf an, welchen Verwendungszweck sich der Hersteller vorstellt, sondern von welcher Zweckbestimmung der Verkehr, also der verständige Durchschnittsnutzer, nach den Gesamtumständen ausgeht. Ein ‑ in der Regel sogar wichtiges ‑ Indiz für die objektive Zweckbestimmung sind zwar die Angaben, die der Hersteller zum Verwendungszweck macht. Allerdings kann sich die Zweckbestimmung für den Verkehr auch aus anderen Umständen, etwa dem eigenen technischen Vorverständnis, bereits bestehenden Gepflogenheiten oder Hinweisen von dritter Seite ergeben. Diese Umstände können im Einzelfall sogar eine abweichende, jedoch vom Verkehr nicht ernst genommene Bestimmungsangabe des Herstellers überlagem; ansonsten könnte sich der Hersteller nämlich durch ‑ als solche ohne weiteres erkennbare ‑ Scheinhinweise zum Verwendungszweck der Haftung entziehen.
Entscheidend ist stets, ob der angesprochene Verkehr die objektiv mögliche Nutzung zu den in § 2 Nr. 3 ZKDSG genannten Zwecken letztlich noch als vom Willen des Herstellers getragene bestimmungsgemäße Verwendung der Vorrichtung oder als einen mit den Intentionen des Herstellers nicht zu vereinbarenden Missbrauch ansieht.
Der Einstufung eines Gerätes als “Umgehungsvorrich‑
tung” steht ferner nicht entgegen, dass es nach dem Verständnis des Verkehrs auch noch zu anderen (legalen)
Zwecken verwendet werden kann und soll.
Denn anderenfalls könnte die Vorschrift des § 2 Nr. 3 ZKDSG durch Geräte mit Mischfunktionen leicht unterlaufen werden (vgl. hierzu die Begründung zum Entwurf des ZKDSG, BT‑Drucks. 14/7229, S. 5). Allerdings können sich solche anderen (legalen) Verwendungszwecke auf die im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung sich stellende Frage auswirken, ob eine tatsächlich vorhandene Eignung einer Vorrichtung, die unerlaubte Nutzung eines zugangskontrollierten Dienstes zu ermöglichen, noch von der objektiven Zweckbestimmung im oben erläuterten Sinn umfasst ist. Je fernliegender die legalen Verwendungsmöglichkeiten erscheinen, desto eher wird der Verkehr von einer Zweckbestimmung zur unerlaubten Nutzung i. S. v. § 2 Nr. 3 ZKDSG ausgehen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war das”Magic Modul” i. S. v. § 2 Nr. 3 ZKDSG dazu bestimmt, verschlüsselte Pay‑TV‑Signale zu entschlüsseln.
Zwar haben die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 in ihrer eigenen Werbung lediglich 4 andere (legale) Anwendungsmöglichkeiten für das Modul genannt.
Dem kann jedoch aus den oben genannten Gründen keine entscheidende Bedeutung zukommen, weil diese Werbeangaben vom angesprochenen Verkehr als nicht emst gemeinte Scheinhinweise verstanden worden sind; vielmehr war nach der Glaubhaftmachungslage zumindest einem großen Teil der potenziellen Abnehmer auf Grund anderer Umstände bekannt, dass das Gerät tatsächlich zur Entschlüsselung von Pay‑TV‑Signalen eingesetzt werden konnte und sollte.
Abgesehen davon, dass die Werbung der Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 in der Multimedia‑Illustrierten “lnfosat ‑ Europas Nr. 1 zum Thema Sat‑Empfang” erschienen ist, fällt bereits auf, dass die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 keinerlei an den Käufer gerichtete Erläuterungen dazu haben vorlegen können, wie das “Magic Modul” für die in der Werbung genannten Anwendungen konkret eingesetzt werden kann. Solche Erläuterungen hätten verfügbar sein müssen, wenn es sich um ernsthafte, vom Verkehr nachgefragte Anwendungen gehandelt hätte.
Darüber hinaus hat das LG im Einzelnen ausgeführt, warum die von den Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 behaupteten legalen Anwendungen des “Magic Modul” entweder (noch) gar nicht technisch möglich oder ‑ was die Benutzung als Smartcard‑Leser angeht ‑ wirtschaftlich sinnlos sind. Hierzu enthielt auch die Berufungsbegründung ‑ abgesehen von Hinweisen auf weitere künftige Anwendungsmöglichkeiten ‑ keine überzeugenden Angriffe.
Vor allem fehlte es an nachvollziehbarem Vortrag der Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 dazu, warum sich im”Magic Modul” der für die Entschlüsselung wesentliche DVBDescrambler befindet. Die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 haben hierzu lediglich vorgetragen, sie hätten von einer Drittfirma das von ihnen benötigte ASIC‑Bauteil günstig erworben, auf welchem nun einmal ein DVB‑Descrambler vorhanden gewesen sei, ohne dass die Antragsgegnerinnen diesen aktiviert oder verwendet hätten. Diese Hintergründe sind jedoch sowohl für die Nutzungsmöglichkeiten, die das Gerät tatsächlich bietet, als auch für den Anwender ohne Bedeutung.
Schließlich ist das Gerät unstreitig von Händlern mit dem alleinigen Hinweis auf die Pay‑TV‑Entschlüsselungsfunktion beworben worden. Wie die Antragstellerin belegt hat, ist auch in der “lntemet‑Gemeinde” das “Magic Modul” allein für diesen Anwendungszweck empfohlen und diskutiert worden. Es kommt nicht darauf an, inwieweit die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 für diese Werbeaussagen und Empfehlungen verantwortlich waren.
Allein der Umstand, dass ihr Gerät vom angesprochenen Verkehr tatsächlich als Pay‑TV‑Entschlüsselungsgerät angesehen wurde, bewirkte ‑ zusammen mit den weiteren Begleitumständen ‑ die objektive Zweckbestimmung i. S. v. § 2 Nr. 3 ZKDSG.
Damit verstießen Angebot und Vertrieb des “Magic Modul” gegen die Vorschriften des ZKDSG und zugleich gegen § 2 UWG, da das ZKDSG gerade dazu dient, die Hersteller legaler Entschlüsselungsvorrichtungen vor illegalem Wettbewerb zu schützen.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard
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