urheberrecht17
Leitsatz:
1. Der Aufsteller eines CD-Kopierautomaten stellt Kopien nicht für den Nutzer des Automatens her, Hersteller ist vielmehr der Kunde, der den Kopiervorgang am Automaten auslöst.
2. Kopien dürfen auch an öffentlicher Stelle vorgenommen werden, da es lediglich auf den privaten Zweck ankommt und nicht auf den Ort, wo der Kopiervorgang ausgeführt wird.
OLG München, Urt. v. 20.3.2003 AZ 29 U 5494/02,
rechtskräftig
CuR 2003, S. 654 ff
Aus den Gründen:
I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegner wegen des Vertriebs von CD‑Münzkopierautormaten, die an öffentlich zugänglichen Plätzen zur Benutzung durch das allgemeine Publikum aufgestellt werden sollen, nach SS 97, 85 UrhG auf Unterlassung und Auskunft in Anspruch (§§ 101a UrhG, 242 BGB).
Die Antragstellerin ist einer der großen deutschen Tonträgerhersteller. Sie verfügt über ein umfangreiches Musikrepertoire, das stark auf ein jugendliches Publikum ausgerichtet ist. Darunter sind regelmäßig auch Hits, die den Weg in die aktuellen Bestenlisten finden.
Die Antragsgegnerin zu 1), deren Vorstand der Antragsgegner zu 2) ist, bewarb und bewirbt auf ihrer Internetseite Geräte zum Kopieren von CDs. Diese sollen von Inhabern von Ladengeschäften wie Fotogeschäfte, Internet‑Cafes oder Tankstellen erworben und aufgestellt werden. Gegen einen von ihnen festzusetzenden Preis sollen dann Kunden an diesen Geräten ihre mitgebrachten CI)s auf ebenfalls mitgebrachte Rohlinge kopieren können. Hilfestellung der Aufsteller beim Kopiervorgang ist nicht vorgesehen. Die Funktion der Geräte wird von der Antragsgegnerin auf ihrer Website wie folgt beschrieben:
“Die Funktionsweise ist einfach genial. Nach dem Einwurf des Geldes für eine Kopie (der Betreiber kann der (sic!) Preis individuell programmieren) fahren zwei Schächte aus, in den einen kommt die zu kopierende CD, in den anderen der CD‑Rohling. Der Kopiervorgang läuft danach automatisch und dauert 3‑6 Minuten. Als letztes müssen nur noch die CD)s aus den Schächten genommen werden. Sollte ein Kopiervorgang nicht erfolgreich gewesen sein, spuckt das Gerät das Geld wieder von alleine aus.”
Nachdem die Antragstellerin die Antragsgegner vergeblich abgemahnt hatte, erwirkte sie unter dem 14.10.2002 eine Beschlussverfügung des LG München I, wonach es den Antragsgegnern bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten wurde.
Geräte oder Vorrichtungen, die zur Vervielfältigung von Tonträgern der Antragstellerin oder der Aufnahmen aus solchen Tonträgern geeignet sind und dazu bestimmt sind, Dritten an öffentlich zugänglichen Stellen die Vornahme solcher Vervielfältigungen gegen Entgelt zu ermöglichen, insb. sog. “CD‑Kopierautomaten”, die nach Münzeinwurf Musik‑CI)s kopieren, zu vertreiben und/ oder den Vertrieb zu bewerben, ohne deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es unzulässig ist, Dritten diese Vorrichtungen entgeltlich zur Vervielfältigung von Tonträgern der Antragstellerin zur Verfügung zu stellen, zur Verfügung stellen zu lassen oder deren Zurverfügungstellung anzubieten.
Außerdem wurde den Antragsgegnern geboten,
der Antragstellerin unverzüglich Auskunft über die Herkunft und den Vertriebswieg der Geräte zu erteilen.
Gegen diese Verfügung haben die Antragsgegner mit Schriftsatz v. 18.10.2002 Widerspruch erhoben. Das LG München [bestätigte daraufhin mit Urt. v. 7.11.2002 die Verfügung im Verbotsausspruch. Das Auskunftgebot der Verfügung wurde hingegen aufgehoben. ( … )
II. Die zulässige Berufung der Antragsgegner ist begründet, Die zulässige Anschlussberufung der Antragstellerin ist hingegen nicht begründet.
Der Antragstellerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nach §§ 97, 85 UrhG auf Unterlassung und nach §§ 101a UrhG, 242 BGB auf Auskunft nicht zu, weil der Aufsteller der Kopierautomaten die Kopien nicht für die Benutzer des Kopierers herstellt (§ 53 Abs. 1 S. 2 UrhG), also keine adäquate Ursache für eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts der Antragstellerin setzt.
1. Das Geschäftsmodell der Antragsgegner ist durch einen zweistufigen Vertrieb gekennzeichnet. Die Kopierautomaten sollen an andere Unternehmen wie Cafe´s, Tankstellen, Fotogeschäfte etc. veräußert werden. Diese wiederum stellen die Automaten auf, bestimmen die Benutzungspreise und ermöglichen es Endkunden, gegen Einwurf des Entgelts ihre mitgebrachten CI)s auf ebenfalls mitgebrachte Rohlinge zu kopieren. Unstreitig nehmen in diesem Modell die Antragsgegner keine direkten Vervielfältigungshandlungen vor, greifen also nicht direkt in die Rechte der Antragstellerin nach S 85 UrhG ein.
Entgegen der Ansicht des LG sind die Antragsgegner nicht Störer in dem Sinne, dass sie durch ihre Werbung, ihre Informationen über Geschäftsaussichten und die Veräußerung der Kopierautomaten an die Aufsteller und Betreiber deren Verstöße oder die der Endkunden erst ermöglichen und deshalb die geltend gemachte Warnpflicht hätten. Nach dem vom LG anerkannten Antrag der Antragstellerin soll den Antragsgegnern untersagt werden, die Kopierautomaten zu vertreiben, “ohne deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es unzulässig ist, Dritten diese Vorrichtungen entgeltlich zur Vervielfältigung von Tonträgern der Antragstellerin zur Verfügung zu stellen, zur Verfügung stellen zu lassen oder deren Zurverfügungstellung anzubieten”. Die geforderte Warnung ist danach an die Abnehmer der Antragsgegner zu richten. Diese sollen auf mögliche Rechtsverstöße ihrerseits hingewiesen werden. Da weder vorgetragen noch zu erwarten ist, dass die Aufsteller mit Hilfe der Automaten selbst Kopien von CDs in rechtswidriger Weise für sich herstellen werden, könnte ein Rechtsverstoß ihrerseits nur in einer Beteiligung an den,Kopiertätigkeiten ihrer Kunden gesehen werden. Das setzt wiederum voraus, dass die Kunden der Aufsteller bei der Benutzung der Automaten nicht in den Genuss eines der Privilegien nach § 53 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG kommen können.
2. Nach § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke zum privaten Gebrauch herzustellen. Diese Vorschrift wurde zwar zu einer Zeit erlassen, als die Möglichkeiten digitaler Kopien noch nicht vorhersehbar waren, doch ist es allgemeine Meinung, dass sie auch auf solche Kopien anzuwenden ist (s. nur SchrickerILoe.wenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., § 53 Rz. 8).
Da der Gesetzgeber Personen nicht benachteiligen wollte, welche keine eigenen Kopiergeräte haben, darf der zur Vervielfaltigung Befugte die Kopien auch durch einen anderen herstellen lassen (S. 2 Halbs. 1). Allerdings gilt dies u.a. bei Tonträgern nur dann, wenn es unentgeltlich geschieht (S. 2 Halbs. 2).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Endnutzer der Kopierautomaten dann privilegiert sind, wenn sie selbst als Hersteller der Kopien angesehen werden können. Würde man ‑ wie das LG ‑ den Aufsteller und Betreiber des Automaten als Hersteller ansehen, entfiele die Privilegierung, weil die Benutzung der Automaten nicht unentgeltlich ist.
Das LG hat allerdings zu Unrecht angenommen, dass der Aufsteller des Automaten der Hersteller der darauf gefertigten Kopien sei. Eine natürliche Betrachtung des Begriffs “Hersteller” führt dazu, dass dies derjenige ist, der die Handlungen vornimmt, die zum Herstellungsergebnis führen. Im konkreten Fall heißt das: Hersteller von Tonträgerkopien ist derjenige, der die Handlungen vornimmt, die den Vorgang auslösen, an dessen Ende die Kopien stehen. Dies sind hier die Endkunden, welche ohne Mithilfe, Aufsicht oder sonstigen Beitrag der Aufsteller durch Einlegen des von ihnen ausgewählten Originals und des Rohlings, Einwerfen des verlangten Geldbetrages und Drücken des Startknopfes den technischen Vorgangdes Kopierens im Automaten auslösen. Dieser läuft dann ohne Eingriffe von außen ab. Der Vorgang endet bei Erfolg ‑ mit der Entnahme von Original und fertiger Kopie durch den Kunden. Es sind im Wesentlichen dieselben Handlungen (bis auf den Einwurf des Geldes), die der Kunde ihrer Art nach am heimischen Computer vornehmen würde, würde er dort eine CD mit seinem Brenner kopieren. Im letzteren Fall würde er unzweifelhaft als der Hersteller der Kopie angesehen. Gleiches würde auch dann gelten, wenn der Kunde sich einen Brenner (sei es
unentgeltlich oder entgeltlich) ausgeliehen hätte, um diesen mit dem eigenen Computer zur Vervielfältigung zu benutzen.
Die Tatsache, dass im vorliegenden Fall der Kopiervorgang nicht in häuslicher Umgebung in der Privatsphäre des Kunden abläuft, sondern an einem öffentlich zugänglichen Ort, dem Geschäftslokal des Aufstellers, rechtfertigt kein anderes Verständnis des Begriffs des Herstellers. Es kommt für die Privilegierung gerade nicht auf den Ort der Vervielfältigung an, sondern auf den Zweck. Nur letzterer muss privater Natur sein.
Anders als das LG annimmt, macht die Tatsache, dass bei einem Fehlschlagen des Kopiervorgangs der Automat den eingeworfenen Betrag wieder herausgibt, den Aufsteller nicht zum Hersteller i.S. eines Werklieferungsvertrages nach § 651 S. 1 BGB. Auch die Tatsache, dass der Kopiervorgang ohne den vom Aufsteller bereitgestellten Automaten nicht durchgeführt werden könnte, macht den Aufsteller nicht zum Hersteller i.S.d. § 53 Abs. 1 S. 2 UrhG. Es ist unbestritten, dass der Beitrag des Aufstellers in keiner Weise über das bloße Bereitstellen hinausgeht. Am einzelnen Kopiervorgang ist er nicht beteiligt. Der Kopiervorgang läuft unabhängig von ihm allein nach den Vorgaben und Handlungen des Kunden und dem Automatismus der Maschine ab. Zwar hat er ‑ wie das LG ausführt ‑ die Sachherrschaft über die Maschine, die in seinen Räumen steht; allerdings teilt er sie sich zeitweise mit dem Kunden, und er hat keinesfalls die Herrschaft über den einzelnen Kopiervorgang. Er stellt nur das Gerät bereit, mit dem der Kunde dann die Kopie herstellt. In der ähnlichen Situation der Fotokopierautomaten etwa in Kaufhäusern oder Fotogeschäften würde man auch nicht den Aufsteller als Hersteller der Kopien ansehen die der Kunde nach dem Münzeinwurf vornimmt.
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Einem solchen Verständnis der Herstellerbegriffs steht auch die Rspr. des BGH nicht entgegen. Zum Herstellerbegriff bei digitalen Kopien von Tonträgern hat der BGH noch nicht Stellung genommen. Allerdings hat er festgestellt, dass die Herstellung durch einen Dritten nicht über den rein technischen Aspekt hinausgehen darf, soll das Privileg noch gewahrt bleiben (BGH v. 16.1.1997 ‑1 ZR 9195, BGHZ 134, 250 = CR 1997, 403 ‑ CB‑Infobank 1; v. 16.1.1997 ‑ I ZR 38/96, MDR 1997, 871 = GRUR 1997, 464 ‑ CB‑Infobank 11). Zwar geht es dort um die Berechtigung einer Herstellung durch Dritte und die von diesen zusätzlich vorgenommenen Handlungen, nicht darum, wann überhaupt eine Herstellung vorliegt. Der Begründung kann jedoch entnommen werden, dass die Herstellung auf den technischen Aspekt reduziert wird. Der technische Vorgang wird bei den CD‑Kopierautomaten vom Kunden ausgelöst. Hinzu kommt, dass die Entscheidung über das Was und Wann des Kopierens vom Kunden allein getroffen wird (vgl. auch BGH GRUR 1999, 707 [7091 ‑ Kopienversanddienst).
3. Dieser Herstellerbegriff stößt auch nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken. Es ist richtig, dass das Urheberrecht und die Rechte der Tonträgerhersteller als Eigentum auch verfassungsrechtlich geschützt sind. Allerdings liegt in der Privilegierung der Kunden bei Privatkopien kein Eingriff in den geschützten Bereich. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des Privilegs für Privatkopien die problematische Durchsetzung von Ansprüchen wegen Urheberrechtsverletzungen in der Privatsphäre unnötig machen; dafür wurde den Rechtsinhabern über die Geräteabgabe ein Ausgleich als Ergebnis einer verfassungskonformen Abwägung der gegenläufigen Interessen gewährt. Nach 54 Abs. 1 Urh(; hat der Urheber gegen den Hersteller von Gerätcn Lind Bild‑ und Tonträgern, die erkennbar zur Vornahme von Vervielfältigungen vorgesehen sind, einen Anspruch auf angemessene Vergütung. Ein solcher Anspruch ist auch im vorliegenden Fall gegeben und stellt einen Ausgleich für die gewisse Entwertung des Urheberrechts durch das Privileg der Privatkopien dar.
Das LG München I ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein solcher Anspruch im Hinblick auf die Kopierautomaten nicht besteht. Den Grund dafür sieht es darin, dass die Kopiergeräte von den Aufstellern nicht an die kopierenden Kunden veräußert, sondern nur zeitweise zur Benutzung überlassen werden. Damit verkennt das LG aber den Wortlaut von S 54 Abs. 1 UrhG. Dort wird nur verlangt, dass eine durch die Veräußerung der Geräte geschaffene Möglichkeit der Vervielfältigung besteht. Nicht verlangt wird die Veräußerung an die Endkunden. Vielmehr wird auch durch die Veräußerung der Geräte durch die Antragsgegner an die Aufsteller die Möglichkeit zur Vervielfältigung geschaffen, so dass diese Voraussetzung des Vergütungsanspruchs besteht. Damit aber wird der vom Gesetzgeber intendierte Interessenausgleich auch im vorliegenden Fall wirksam.
Zwar hat der historische Gesetzgeber die Entwicklung der digitalen Technologie nicht vorhersehenkönnen. Andererseits können vom Gesetzgeber geschaffene Beschränkungen der ausschließlichen Rechte der Urheber
nicht nur für die Vervielfältigungstechnologien gelten, die zum Zeitpunkt ihrer Schaffung bekannt waren. Entscheidend ist, dass auch bei neuen Technologien der Interessenausgleich gewahrt bleibt, die Rechtsinhaber also eine angemessene Entschädigung erhalteh (können). Dies ist hier, wie oben gezeigt, gegeben.
4. Da somit der Endkunde, der den Kopierautomaten bedient, als Hersteller anzusehen ist und nicht der Aufsteller, steht ihm das Privileg der Privatkopien zu, soweit er die sonstigen Voraussetzungen beachtet. im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass zu Gunsten des Aufstellers auch die Privilegien nach §53 Abs. 2 UrhG in Betracht kommen können (insb. Nr. 2 und 4b). Hier ist der Einsatz Dritter auch dann möglich, wenn er entgeltlich erfolgt.
Es ist selbstverständlich nicht auszuschließen, dass auf den Kopierautomaten der Antragsgegner auch Kopien angefertigt werden, die nicht von einem der Privilegierungstatbestände gedeckt sind, etwa weil mehr als einzelne Kopien hergestellt werden. Warnhinweise vor solchen Kopien hat die Antragstellerin nicht beantragt. ( … )
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock
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