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Leitsatz

Zur Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verviel­fältigung urheberrechtlich geschützter Werke in Tat­einheit mit gewerbsmäßigem unerlaubtem Verbreiten urheberrechtlich geschützter Werke.

LG Braunschweig, Urt. v. 21.7.2003 ‑ 6 KLs 1103, rechts­kräftig

Aus den Gründen:

I. ( … )

II. Wie dargestellt, beschäftigte sich der Angeklagte vor allem mit Rechnern und allen damit zusammenhängen­den Fragen. Er rief im Internet das Kommunikations- ­und Informationsforum IRC auf und knüpfte auf diese Weise Kontakte zu anderen Computer‑Profis, die sich mit sog. FTP‑Servern auskannten. FTP‑Server sind Sys­teme, in denen gecrackte, also nach Überwindung des Vervielfältigungsschutzes kopierte, Software geladen ist. Der Angeklagte vertiefte die Kontakte im Laufe der Zeit und wirkte, beispielsweise durch Konfigurieren, am Ausbau von FTP‑Servern mit. Als Gegenleistung erhielt er im Jahre 2000 und danach vom Jeweiligen Adminis­trator ein Account, d.h. die Möglichkeit, Software von den FTP‑Servern herunterzuladen. Der Angeklagte bot seinerseits im Internet die gecrackte Software an.

In der Zeit von Dezember 2000 bis zu seiner Festnahme am 10.2.2003 verkaufte er in größer werdendem Umfang Software an Kunden aus Deutschland, Griechenland und Italien. Die meisten Kunden erhielten die Software in Form eines Abonnements. Dies bedeutet, dass die Abneh­mer ein oder mehrmals im Monat sämtliche neue urheber­rechtlich geschützte Software ohne Erlaubnis des Lizenz­inhabers, die der Angeklagte beschaffen konnte, als Paket auf CDs oder auf DAT‑Bändern, also Datenträgern mit er­heblich höherer Speicherkapazität als CDs, erhielten.

Der Angeklagte bot anfangs lediglich Ripz (verkürzte Software‑Versionen) und später eine zunehmende An­zahl unterschiedlicher Abonnements und schließlich die gesamte Palette auf dem Markt erhältlicher Software an, also PC‑Spiele, DVD‑Spielfilme und Pornofilme, Spiele für alle gängigen Spielkonsolen wie Playstation, Playsta­tion 2, Gameboy, X‑Box und Dreamcast und MP 3‑Mu­sikaufnahmen sowie Anwenderprogramme. Die Kun­den des Angeklagten interessierten sich auch für beson­dere und schwer beschaffbare Software, beispielsweise die japanische Version von CDs englischsprachiger Sän­ger, die sich geringfügig von der Originalversion unter­scheidet. Der Angeklagte bemühte sich, auch diese Kun­denwünsche zu erfüllen.

Die Abnehmer verwendeten und sammelten die vom An­geklagten verkaufte Software teilweise selbst, teilweise vervielfältigten sie die Software auch und verkauften sie weiter. Der Angeklagte hatte keinen Einfluss darauf, in welchen Mengen seine Abnehmer, die aus mehreren Staaten stammen, die von ihm gelieferte Software kopie­ren und weiterverkaufen.

Die Abnehmer bestellten die von ihnen gewünschten Abonnements per E‑Mail. Sie leisteten Vorkasse, oft durch Übersendung von Bargeld postlagernd unter wechselnden Kennwörtern an die Postfiliale in Gifhorn. Der Preis be­trug für ein Abonnement monatlich etwa 280 DM bzw. 140 Euro und verminderte sich bei Abnahme mehrerer Abonnements, beispielsweise kosteten 3 Abonnements et­wa 530 DM bis 320 Euro. Hinzu kamen Hardwarekosten für die CD‑Rohlinge bzw. für die DAT‑Bänder.

Nach Eingang der Zahlungen versandte der Angeklagte den jeweiligen Software‑Satz, und zwar per Post oder, insbesondere bei Auslandsaufträgen, per Kurierdienst an die jeweiligen Abnehmer. Zudem verkaufte er ihnen und einigen weiteren Kunden Hardware wie beispiels­weise CD‑Rohlinge oder Grafikkarten.

Der Angeklagte begann den Verkauf von Software im Dezember 2000. Im Laufe der Zeit erhöhte sich die An­zahl seiner Abnehmer. 

Seit Mitte 2001 standen Leitungen für ADSL‑ Anschlüsse zur Verfügung, auf Grund derer ein erheblich schnelleres Herunterladen auch großer Softwaremengen möglich war. Der Angeklagte ließ sich umgehend einen solchen Anschluss legen und nahm auch die kurze Zeit angebote­nen Flatrates in Anspruch, die gegen Zahlung einer mo­natlichen Pauschalgebühr eine zeitlich unbegrenzte In­ternet‑Nutzung ermöglichen.

Auf Grund dieser Weiterentwicklungen konnte der An­geklagte in weit größeren Mengen Software herunterla­den und vervielfältigen. Er mietete sich im April 2002 weitere Räumlichkeiten an, zumal er seine zahlreichen Rechner, die er für das Herunterladen und Vervielfälti­gen benötigte, nicht mehr in der Wohnung der Mitange­klagten unterbringen konnte. Im Dezember 2002 brach­te er seine Rechner in die dann angemieteten Räume.

Der Angeklagte lieferte die folgenden CDs und DAT- ­Bänder an seine Abnehmer: (Wird ausgeführt.)

Der Gesamtladenpreis der verkauften Software hätte, wenn es sich um echte, also um vom Lizenzinhaber ver­äußerte CDs gehandelt hätte, weit über 1.000.000 Euro betragen.

Der Angeklagte hatte die Mitangeklagte zwar nicht um­fassend informiert; sie wusste aber, dass der Angeklagte urheberrechtlich geschützte Software vervielfältigt und verkauft. Sie holte in der Zeit von August 2001 bis Janu­ar 2003 mindestens einmal monatlich von der Postfiliale die von den Abnehmern übersandten Briefsendungen mit Geld und zu verwendenden Leer‑ CDs in Kenntnis des In­halts und des Verwendungszwecks ab und übergab die Sendungen dem Angeklagten.

Zudem löste die Angeklagte von August 2001 bis Januar 2003 einmal monatlich in Kenntnis aller Umstände Bar­schecks eines Abnehmers ein und übergab den jeweiligen Scheckbetrag, also 500 Euro bis 1.100 Euro bzw. den entsprechenden Betrag in DM dem Angeklagten. Auch insoweit war der Angeklagten bekannt, dass es sich um Zahlungen für gecrackte Software handelte. ( … )

Von April 2002 bis Januar 2003 holte die Angeklagte mindestens einmal monatlich die DAT‑Bänder, für die aus Griechenland stammenden Abnehmer aus den vom Angeklagten zusätzlich angemieteten Räumen ab Sie brachte die DAT‑Bänder zu einer DHL‑Filiale und ließ sie von dort aus zu den Abnehmern versenden.

Eine unmittelbare Bezahlung erhielt die Angeklagte für diese Tätigkeiten nicht.

1.) Der Angeklagte hat sich danach des gewerbsmäßigen unerlaubten Vervielfältigens urheberrechtlich geschütz­ter Werke in Tateinheit mit gewerbsmäßigem unerlaub­ten Verbreiten urheberrechtlich geschützter Werke in 27 Fällen schuldig gemacht.

Die Kammer hat alle Urheberrechtsverletzungen des An­geklagten in jeweils einem Kalendermonat als eine Tat angesehen. Denn es waren mit den Abnehmern Monats­lieferungen vereinbart. Der Angeklagte hat die jeweilige Software lediglich einmal heruntergeladen und dieselbe Software in dem Monat an mehrere Abnehmer versandt, was er von Anfang an beabsichtigt hatte. In der Verviel­fältigung mehrerer Werke in einem Monat ist eine natür­liche Handlungseinheit zu sehen. Der Annahme einer Handlungseinheit steht nicht entgegen, dass die Hand­lungen gegen verschiedene Rechtsgutsträger gerichtet sind, Wandtke/Bullinger‑Hildebrandt, Kommentar zum Urheberrechtsgesetz, § 106 Rz. 47.

Zwischen der Vervielfältigung und der von Anfang an beabsichtigten Verbreitung der urheberrechtlich ge­schützten Werke besteht Tateinheit, Hildebrandt  a.a.U.

Der Angeklagte hat die Urheberrechtsverletzungen von Dezember 2000 bis Februar 2003, also 27 Monate lang, begangen, sodass 27 Taten vorliegen.

2.) Die Angeklagte hat sich der Beihilfe zum gewerbsmä­ßigen unerlaubten Verbreiten urheberrechtlich geschütz­ter Werke in 18 Fällen schuldig gemacht.

Sie hat den Angeklagten in der Zeit von August 2001 bis Januar 2003 unterstützt, also 18 Monate lang, in denen der Angeklagte 18 Haupttaten begangen hat. Mehrere Beihilfehandlungen zu einer Haupttat stellen eine Bewer­tungseinheit dar und führen zu lediglich einer Beihilfe, Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, vor § 52 Rz. 2 e. Dem­gemäß liegen 18 Beihilfetaten vor.

IV. Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer, aus­gehend von einem Strafrahmen bis zu 5 Jahren Freiheits­strafe (Angeklagter) bzw. 3 Jahre 9 Monate (Angeklagte; § § 27, 49 Abs. 1 StGB) oder Geldstrafe, die für und die gegen die Angeklagten sprechenden Umstände gewür­digt.

1.) Zu Gunsten des Angeklagten wurde sein umfassendes Geständnis berücksichtigt. Er hat zahlreiche Abnehmer benannt und Hintergründe des Internationalen Systems der Software‑Piraterie offen gelegt. Dadurch hat er zahl­reiche Ermittlungsansätze gegeben. Zugleich demonst­riert diese Vorgehensweise, dass er seine alten Kontakte abbrechen und sich von der Begehung derartiger Taten endgültig lösen will.

Der Angeklagte hat auf zahlreiche sonst einzuziehende, auch wertvolle Sachen, beispielsweise die meisten seiner Rechner, verzichtet.

Er war längere Zeit in Untersuchungshaft und dürfte strafempfindlich sein.

Gegen den Angeklagten spricht insbesondere das Aus­maß der begangenen Taten. Insoweit ist die Kammer in­des nicht von einem Schaden in Höhe des Ladenpreises der CDs (weit über 1.000.000 Euro) ausgegangen, da es sich bei der vom Angeklagten vervielfältigten Software, für jedermann erkennbar, um Fälschungen gehandelt hat und da die Abnehmer weniger CDs gekauft hätten, wenn sie eine illegal vervielfältigten CDs hätten erhalten kön­nen. Die Inhaber der Urheberrechte hätten also ohnehin keine Aussicht gehabt, einen Gewinn in Höhe des Laden­preises (abzüglich der Kosten) zu erzielen.

Bei der Bewertung des Schadens ist allerdings auch zu be­rücksichtigen, dass der Angeklagte wusste und billigte, dass seine Abnehmer ihrerseits die erhaltene Software vervielfältigen und in mehreren Ländern in vom Ange­klagten nicht zu steuernden Mengen verkaufen würden. Die große Menge der Software, die weit über dem inner­halb eines Monats benutzbaren Bedarf eines Abnehmers hinausgegangen ist, belegt die Verbreitungsabsicht der Abnehmer. Bei dieser Betrachtung liegt der durch das Tun des Angeklagten verursachte Schaden letztlich weit höher, als wenn der Angeklagte Software an Endabneh­mer verkauft hätte.

Der Angeklagte, der Eigentümer eines als Neuwagen ge­kauften, teilweise von seinem Vater bezahlten Jaguar ist, hat einen nicht unerheblichen finanziellen Vorteil durch die Taten erlangt.

Der Angeklagte hat die Begehung der Taten unbeein­druckt fortgesetzt, obwohl gegen ihn am 1.2.2001 eine Hauptverhandlung, ebenfalls wegen der Begehung vonUrheberrechtsverletzungen, stattgefunden hat und er zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist.

Er hat die Tatbegehungen geschäftsmäßig und konspira­tiv organisiert, indem er Räumlichkeiten angemietet hat und er zur Verdeckung seiner Identität Passwörter, bei­spielsweise zur Abholung von Briefsendungen, verwen­det hat; zudem hat er, soweit persönliche Kontakte un­umgänglich waren, beispielsweise mit Versandunterneh­men, seine Freundin zur Tatausführung eingeschaltet.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat die Kam­mer für die Taten im Dezember 2000 und Januar 2001 Einzelfreiheitsstrafen von Jeweils 3 Monaten, von Febru­ar 2001 bis Juni 2001 Einzelfreiheitsstrafen von jeweils 4 Monaten und von Juli 2001 bis Februar 2003 Einzel­freiheitsstrafen von jeweils 6 Monaten gebildet.

Die Strafen für die Taten ab Februar 2001 fielen höher aus, da der Angeklagte zuvor verurteilt worden ist, er aber gleichwohl weitergemacht hat. Wegen der Taten ab Juli 2001 war auf Grund der erheblichen Ausweitung der Urheberrechtsverstöße infolge Einführung der ADSL ­Anschlüsse und der Flatrates eine höhere Strafe geboten. Im Hinblick auf die Einzelstrafen für Dezember 2000 und Januar 2001 wurde auch berücksichtigt, dass eine Gesamtstrafenbildung infolge vollständiger Bezahlung der am 1.2.2001 verhängten Geldstrafe nicht mehr mög­lich war (Härteausgleich).

Wegen der beharrlichen Begehung von Straftaten war die Verhängung kurzer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich (§ 47 Abs. 2 Satz 1 StGB).

Aus diesen Strafen war gem. § 54 Abs. 1 StGB unter Er­höhung der höchsten Einzelstrafe, also 6 Monate Frei­heitsstrafe, eine Gesamtstrafe zu bilden. Die Kammer hat insoweit nochmals alle bedeutsamen Umstände abgewo­gen, u.a. einerseits das Geständnis, andererseits aber die Vielzahl und die Schwere der Taten. Die Kammer hielt eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren für tat‑ und schuldangemessen.

2.) Zu Gunsten der Angeklagten hat die Kammer insbe­sondere berücksichtigt, dass sie den Sachverhalt umfas­send eingeräumt hat, dass sie lediglich untergeordnete Hilfeleistungen erbracht hat, also Tätigkeiten, die der Angeklagte auch selbst hätte erledigen können und dass sie nicht vorbestraft ist. Die Angeklagte hat keinen un­mittelbaren finanziellen Gewinn erzielt.

Gegen die Angeklagte sprachen die große Anzahl der Software, der entsprechend erhebliche Schaden und die beharrliche Begehungsweise.

Die Kammer hielt dennoch für angemessen, Einzelstra­fen von jeweils lediglich 30 Tagessätzen Geldstrafe und daraus unter nochmaliger Berücksichtigung aller Um­stände eine Gesamtgeldstrafe von lediglich 90 Tagessät­zen zu verhängen.

Auf Grund der Einkommensverhältnisse der Angeklag­ten, die monatlich zumindest 900 Euro zur Verfügung hat, wurde ein Tagessatz auf 30 Euro festgesetzt.

 

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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