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Abmahnsicher jetzt!
Bundesjustizministerium reagiert auf Protestaktion und Muster-Briefe von internetrecht-rostock.de: Muster soll Verbraucher zwar informieren, eine notwendige rechtliche Beratung des Käufers jedoch “nicht entbehrlich machen”
FDP-Fraktion bei der Bundesregierung nach
Das Bundesjustizministerium (BMJ) plant auf Grund der erheblichen rechtlichen Unsicherheiten und der Abmahnwellen eine neue Widerrufsbelehrung. Nach dem aktuell vorliegenden Entwurf wird es jedoch keine Rechtssicherheit geben. Zudem ist eine 4-seitige Belehrung mit kryptischen Gesetzeszitaten nicht geeignet, den Verbraucher entsprechend zu informieren.
Wir hatten daher unter dem Motto “Abmahnsicher jetzt!” auf unserer Seite Muster-Briefe für eBay-Händler und Internethändler zur Verfügung gestellt, um darauf zu drängen, eine rechtssichere Muster-Belehrung zu erhalten.
Nunmehr liegt uns eine Stellungnahme des Bundesjustizministeriums vor, die zu unserer Kritik und den Argumenten in den Muster-Briefen Stellung nimmt.
Die Stellungnahme lässt nichts Gutes erwarten:
Widerrufsbelehrung als Gesetz
Es wird zwar eingeräumt, dass die Rechtssicherheit tatsächlich nur durch ein formelles Gesetz zur Muster-Belehrung erreichbar ist. Hoffnung ergibt sich daraus, dass dieses gegenwärtig im Bundesjustizministerium auch erarbeitet wird. Die Neufassung der Muster-Belehrung als Teil der BGB-Informationspflichtenverordnung wird im BMJ lediglich als Zwischenschritt auf einem Weg zum Muster mit Gesetzesrang angesehen. Man hofft hierdurch, Abmahnungen kurzfristig die Grundlage zu entziehen. In der Praxis wird jedoch das Gegenteil der Fall sein:
Sollte die Belehrung in der jetzigen Form tatsächlich kommen, gibt es ganz neue Baustellen, auf die sich die Abmahner unverzüglich stürzen werden. Eine einfache Abänderung der Widerrufsbelehrung mit einem neuen Muster, dieses ist zurzeit noch nicht verabschiedet, hätte zudem bei der Masse der Abgemahnten zur Folge, dass diese ggf. gegen Unterlassungserklärungen verstoßen würden. Hier müsste erst einmal überprüft werden, was zu veranlassen ist, um anhand des neuen Musters nicht gegen alte Unterlassungserklärungen zu verstoßen. Da Gesetzgebungsverfahren auch nicht so lange dauern und zudem ein entsprechendes Muster für eine Widerrufsbelehrung mit einer Anpassung nach der aktuellen Rechtsprechung zurzeit einen relativ rechtssicheren Weg darstellt, ist nicht nachzuvollziehen, weshalb der Internethandel wieder in rechtliche Unsicherheiten gestürzt werden soll.
4 Seiten werden bleiben
Hinsichtlich der Frage, dass durch umfangreiche Zitate aus dem Gesetz die neue Muster-Belehrung auf 4 Seiten aufgebläht wird, wird auf die angebliche Erforderlichkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hingewiesen. Hier dürfen wir darauf hinweisen, dass der Verbraucher bei der entsprechenden Wiedergabe von Gesetzestexten endgültig nicht mehr weiß, woran er eigentlich ist. Endgültig zynisch wird es durch die Formulierung in der Stellungnahme: “Als Alternative zur Wiedergabe des Gesetzestextes kommt nur eine für den juristischen Laien verständliche Umschreibung in Betracht, die weit mehr Raum in Anspruch nehmen dürfte, als der Gesetzeswortlaut. Dagegen spricht auch, dass die Muster den Verbraucher zwar umfassend über seine Rechte informieren, nicht aber eine im Einzelfall notwendige rechtliche Beratung entbehrlich machen sollen.”
Mit anderen Worten bedeutet dies, dass seitens des Bundesjustizministeriums gar kein Interesse daran besteht, eine für den Verbraucher verständliche Belehrung zu entwickeln. Hierbei wird übersehen, dass das Widerrufsrecht sich ausschließlich auf Verbraucher bezieht, somit auch zwingend Verbraucherschutz darstellt und auch nicht in erster Linie der Vermeidung von Abmahnungen dient. Die Haltung des BMJ zugrunde gelegt bedeutet dies, dass das Widerrufsrecht zukünftig so kompliziert gestaltet wird, dass der Verbraucher nur im Einzelfall mit anwaltlicher Hilfe weiß, woran er eigentlich ist. Dies ist letztlich nichts anderes als ein Offenbarungseid des bisher zur Diskussion gestellten Musters. Es wird deutlich, dass man im BMJ selbst davon ausgeht, dass das jetzige Muster nicht geeignet ist, den Verbraucher entsprechend zu informieren. Hier sind wir automatisch wieder bei den Transparenzproblemen des bisherigen Musters. Wenn schon das bisherige Muster durch die Rechtsprechung als so unklar angesehen wird, dass der Verbraucher nicht vernünftig belehrt wird, hat dies denklogisch zur Folge, dass dies bei dem aktuellen Diskussionsentwurf, der selbst für Juristen schwer verständlich ist, erst recht der Fall sein wird. Mit anderen Worten: Es ist nur eine kurze Frage der Zeit, bis auch dieses Muster durch die Rechtsprechung gekippt werden wird und zwar gründlicher, als es bei dem bisher bestehenden Muster der Fall ist.
Wertersatz
Die Frage Wertersatz wird zugunsten des Verbrauchers und zu Lasten des Internethandels entschieden. Neben der Tatsache, dass neben dem OLG Hamburg auch das OLG Köln einen Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme bei eBay als zulässig ansieht, sind die finanziellen Folgen für den Internethandel kaum zu überblicken. Eine unklare Rechtslage wird einfach der vermeintlichen Abmahnsicherheit geopfert.
Hinsendekosten
Dass das Muster nicht abschließend ist, ergibt sich ferner aus der von uns angemerkten Frage der Hinsendekosten. Hier ist man nicht bereit, diese mit in das Muster aufzunehmen, obwohl die Rechtsprechung hier etwas eindeutiger ist. Sollte eine Auswertung der Stellungnahmen ergeben, dass die Aussage zu den Kosten der Hinsendung oder andere Änderungen geeignet sind, Abmahnungen zu vermeiden, werde der Entwurf entsprechen angepasst.
Fazit: Rechtssicherheit ade
Aus der Stellungnahme wird deutlich, dass der Internethändler in nächster Zeit von Rechtssicherheit bei einer Widerrufsbelehrung weiter entfernt sein wird denn je. Positiv anzumerken ist, dies wird aus der Stellungnahme deutlich, dass es wohl in erster Linie darum geht, dem Internethändler ein möglichst abmahnsicheres Muster an die Hand zu geben. Wenn dies insofern zu Lasten des Verbrauchers geht, als dass dieser nur noch mittels einer anwaltlichen Beratung im Einzelfall überhaupt beurteilen kann, ob und in welchem Umfang und mit welchen Rechtsfolgen ihm ein Widerrufsrecht zusteht, wird es sich nur um Tage handeln, bis auch dieses Muster wieder durch die Rechtsprechung gekippt wird.
Der Zwischenschritt eines neuen Musters in Form einer Verordnung ist daher nach unserer Auffassung vollkommen unnötig. Vielmehr wäre das Bundesjustizministerium gut beraten, gleich Nägel mit Köpfen zu machen und die entsprechende Information in Gesetzesform zu gießen. Folge wäre, dass Gerichte sich an diesem Muster nicht mehr vergreifen könnten.
Aktuell
Die FDP Fraktion im Bundestag hatte am 08.11.2006 kleine Anfrage getätigt, die sich ausschließlich mit den aktuellen Problemen des Widerrufsrechtes befasste. Die FDP hat nun am 23.01.2008 mit einer weiteren kleinen (Drucksache 16/7883) Anfrage bei der Bundesregierung nachgehakt und fordert eine offizielle Stellungnahme zum Diskussionsentwurf. Mittlerweile liegt die Antwort der Bundesregierung vom 08.02.2008 vor. Viele Antworten sind – politisch weichgespült – nichssagend. Eine Antwort ist an Zynismus jedoch kaum zu überbieten:
- Vertritt die Bundesregierung die Meinung, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in der Lage sein werden, die für sie notwendige Widerrufsbelehrung ohne juristisch beratende Hilfe zu erstellen, insbesondere im Hinblick auf die vielen unterschiedlichen Gestaltungsanweisungen im Verordnungsentwurf, und wie begründet sie ihre Meinung?
Antwort:
Die Musterbelehrungen sind seit ihrer Einführung von den Unternehmen gut angenommen worden, was für ihre Praxistauglichkeit spricht. Durch die geplante Neufassung erhöht sich die Anzahl der Gestaltungshinweise nur unwesentlich. Mit größeren Schwierigkeiten bei der Handhabung der Muster ist deshalb auch in Zukunft nicht zu rechnen.
Wenn der Gesetzgeber ein amtliches Muster anbietet, kann von “gut angenommen” wohl nicht die Rede sein. Die Handhabung des zukünftigen Musters wird nicht das Problem sein, sondern die Tatsache, dass das Muster immer noch nicht rechtssicher ist.
Hoffnung eröffnet die Antwort auf Frage 10. Auf Dauer wird die Belehrung als Gesetz gefasst werden und smit rechtssicher werden. Hoffen wir, dass das Gesetz gut angenommen wird….
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock
Stand 04.04.2008
https://ssl-vg03.met.vgwort.de/na/7df4ebc039b94da787fd947136a127e3