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1. Die Übersendung von Werbung durch E‑Mail ohne Zustimmung bzw. vermutetes Einverständnis des Empfängers stellt eine unzumutbare Belästigung dar und verletzt den Empfänger in seinem Persönlichkeitsrecht.

2. Die Tatsache, dass es sich bei dem Versender von werbenden E-Mails um eine politische Partei handelt, lässt die Rechtswidrigkeit der Zusendung von E­-Mails ohne Einverständnis des Empfängers nicht entfallen.

3. Wer auf seiner Homepage E-Cards mit werbenden Inhalt bereitstellt und es übernimmt diese an einen von jedem beliebigen Dritten genannten Empfänger weiterzuleiten, ohne von dessen Einverständnis ausgehen zu können, haftet als mittelbarer Störer

AG Rostock, AZ 43 C 68/02 (nicht rechtskräftig)

Nachstehend geben wir Ihnen den Wortlaut des Urteils im Original zur Kenntnis:

  

Amtsgericht Rostock

43 C 68/02

verkündet am 28.01.20003,

  

URTEIL

 

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

…..

Antragsteller ‑

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwaltskanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt und Kollegen

Richard‑Wagner‑Straße 14, 18055 Rostock,

g e g e n

Christlich‑Soziale Union in Bayern e.V

Antragsgegnerin ‑

hat das Amtsgericht Rostock durch Richter am Amtsgericht …. im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatznachlass bis zum 20.01.2003 für Recht erkannt:

Der Antragsgegnerin wird untersagt dem Antragsteller unter dessen E‑Mail‑Adresse …. Werbung im Wege der E‑Mail zu senden oder an solchen Sendungen mitzuwirken; es sei denn das Einverständnis des Antragstellers liegt vor oder ist zumindest zu vermuten.

Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,‑ Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, sowie Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Generalsekretär, angedroht.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Antragsteller ist Student und Inhaber der E‑Mail‑Adresse …..

Die Antragsgegnerin unterhält eine Homepage, in welcher sie über ihre Politik informiert und für sich wirbt. Vor der Wahl zum Deutschen Bundestag bot sich die Antragsgegnerin an, von ihr mit Werbung gestaltete “E‑Cards” an von Dritten benannte E‑Mail­Adressen weiterzuleiten. Am 31.07.2002 ging an die Adresse des Antragstellers eine entsprechende E‑Mail, in der ihm der Erhalt einer Grußkarte mitgeteilt wurde, deren Inhalt er über die Internetadresse http://www.csu.de einsehen könne.

Der Antragsteller forderte von der Antragsgegnerin mittels Telefax vom 31.07.2002 und mittels E‑Mail vom 01.08.2002 unter Fristsetzung zum 07.08.2002 die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

Die Antragsgegnerin antwortete darauf nicht; nahm aber am 01.08.2002 die E‑Card‑Funktion vorerst von ihrer Internetseite. Auch innerhalb einer weiteren vom Antragsteller gesetzten Frist bis zum 13.08.2002 gab die Antragsgegnerin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ab.

Am 26.08.2002 erhielt der Antragsteller von der Antragsgegnerin einen “Newsletter”. Am 27.08.2002, 30.08.2002, 05.09.2002, 06.09.2002, 12.09.2002, 13.09.2002 und am 16.09.2002 erhielt der Antragsteller unaufgefordert von der Antragsgegnerin weitere “Newsletter”.

Der Antragsteller behauptet, dass sein Einverständnis für die von der Antragsgegnerin am 26.08.2002 übersandte E‑Mail nicht vorgelegen habe. Er vertritt die Aufforderung, das er durch die ihm ohne sein Einverständnis zugesandten E‑Mails in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sei.

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin zur Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250,000,‑ EUR, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten ‑ zu vollziehen am Generalsekretär ‑ für jeden Fall der Zuwiderhandlung gem. 935 ff., 890 ZPO zu untersagen, an der Aufnahme eines erstmaligen Kontaktes mittels unaufgeforderter Werbeschreiben per E‑Mail an den Antragsteller unter dessen E‑Mail‑Adresse …… mitzuwirken;

hilfsweise

der Antragsgegnerin zur Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,‑ Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Generalsekretär,zu untersagen, künftig im Wege der E‑Mail­Werbung an den Antragsteller unter dessen E‑Mail‑Adresse ……. heranzutreten, es sei denn, der Antragsteller stimmt zuvor der jeweiligen Sendung zu oder das Einverständnis ist aufgrund einer bereits bestehenden ständigen Geschäftsbeziehung zu vermuten.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Versand der E‑Cards auch ohne Einverständnis des Adressaten zulässig sei. Im übrigen könne sie wegen der Zusendung der E‑Cards nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, weil sie nicht der Absender sei.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.

Der auf Untersagung der Mitwirkung bei der Zusendung von E‑Mails gerichtete Hauptantrag ist unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Antragstellers dahin auszulegen, dass auch die Fälle in denen die Antragsgegnerin selbst Absender ist, umfasst sind.

Der Antragsteller hat einen Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, weil eine Verletzung seines durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Persönlichkeitsrechts vorliegt (vgl. LG Berlin, MDR 2001, 391 f.; Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 ff., 1343). Die Übersendung von Werbung durch E‑Mail ohne Zustimmung bzw. vermutetes Einverständnis des Empfängers stellt eine unzumutbare Belästigung dar und verletzt den Empfänger in seinem Persönlichkeitsrecht. Allein schon die Kenntnisnahme der unerwünschten Werbung verursacht ‑ wenn auch geringfügige ‑ Kosten bei dem Empfänger in Höhe des dem jeweiligen Netzbetreiber geschuldeten Verbindungsentgeltes. Viel gravierender ist aber, dass mit der steten Zunahme von Werbung mittels E‑Mails die Gefahr der Blockade des elektronischen Briefkastens besteht (vgl. LG Berlin a.a.O.).

Der Einwand der Antragsgegnerin, dass eine Untersagung der Übersendung ihrer “Newsletter” nicht erfolgen dürfe, weil es sich insofern nicht um Werbung handel, ist allein schon deshalb unzutreffend, weil es sehr wohl Werbung ist. Wenn eine Partei ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ über ihre Aktivitäten und Ziele informiert, wirbt sie für ihre Politik.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann aus der von ihr angeführten Rechtsprechung zur grundsätzlichen Zulässigkeit von persönlich adressierten Werbebriefen, solange ein Widerspruch des Empfängers nicht vorliegt, keinenfalls geschlussfolgert werden, dass E‑Mail‑Werbung ebenfalls bis zum Widerspruch des Empfängers zulässig ist. Beide Werbeformen entscheiden sich erheblich voneinander. Werbebriefe oder sogenannte Edgar‑Cards können, wenn vom Empfänger gewollt, sogleich als Werbung erkannt und aussortiert werden, ohne das er für die Entsorgung mit zusätzlichen Kosten belastet wird. Eine Überschwemmung mit‑Werbepost in dem Umfang, dass der Briefkasten die reguläre Post nicht mehr aufnehmen kann oder sogar Zusatzkosten für die Entsorgung anfallen, ist realistischer Weise nicht zu erwarten. Dafür sorgt bereits der mit dieser herkömlichen Werbeart naturgemäß verbundene Umstand, dass die Herstellung von Druckererzeugnissen und deren Vertrieb ‑ durch Post oder besondere Verteiler ‑ für den Werbenden mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sind, die nicht jeder bereit ist, auf sich zu nehmen (vgl. LG Berlin, a.a.O.).

Dem in diesem Zusammenhang von der Antragsgegnerin erhobenen Einwand, der Antragsteller müsse selbst die Initiative ergreifen und dem Erhalt von E‑Mails‑Werbung widersprechen, folgt das Gericht nicht. Eine grundsätzlich unzulässige Handlung wird nicht dadurch rechtmäßig, dass der Rechtsgutinhaber die Beeinträchtigung durch eigene Abwehrmaßnahmen hätte verhindern können. Solche können ihm schlechterdings nicht aufgezwungen werden (vgl. LG Berlin a.a.O.).

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller die von und mittels der Antragsgegnerin übersandten E‑Mails, ohne dass sein Einverständnis vorlag, erhalten. Es oblag der Antragsgegnerin darzulegen und zu beweisen, dass der Antragsteller der jeweiligen Sendung vorher zugestimmt hat oder sein Einverständnis vermutet werden durfte (LG Berlin, NJW 2002, 569 ff.). Die Antragsgegnerin hat hierzu bereits nichts Hinreichendes vorgetragen. Selbst sie hat nicht behauptet, dass der Antragssteller um die Zusendung gebeten habe. Auch ein fehlender Widerspruch des Antragstellers auf eine ihm durch die Antragsgegnerin per E‑Mail gesandte Bestätigung, ist nicht geeignet, von seinem vermuteten Einverständnis auszugehen. Schweigen ist grundsätzlich keine Willenserklärung. Vielmehr sind weitere Umstände notwendig, welche geeignet wären ein Einverständis des Empfängers zu vermuten.

Auch die Tatsache, dass es sich bei der Antragsgegnerin um eine Partei handelt, lässt die Rechtswidrigkeit der Zusendung von E­-Mails ohne Einverständnis des Empfängers nicht entfallen. Das Gericht teilt zwar die Auffassung der Antragsgegnerin, dass auch die Werbung im Internet, in den Schutzbereich von Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG fällt. Dem steht jedoch das auf Art. 2 Abs. 1 GG fußende Recht des Antragstellers von erwünschter politischer Werbung per E‑Mail verschont zu bleiben, entgegen. Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung vom 23.09.2001(NJW 2002, 379 ff.), welcher durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 01.08.2002 (BerfG, 2 BVR 2135/01) bestätigt wurde, die Interessen des Einzelnen von unerwünschter Wahlwerbung mittels in den Hausbriefkasten eingeworfenden Flugblättern verschont zu bleiben, höher bewertet. Nichts anderes kann für die Werbung politischer Parteien per E‑Mail gelten, denn der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht mit dieser Form der Werbung wiegt nicht zuletzt schon deshalb schwerer, weil er für den Empfänger mit Kosten verbunden ist.

Der Antragsgegnerin bleibt der Erfolg in der Rechtsverteidigung, auch versagt, soweit sie sich darauf beruft, dass sie nicht Versender der E‑Cards ist. Sie haftet nämlich insofern als mittelbare Störerin. Mittelbarer Störer ist, wer die störende Einwirkung Dritter adäquat ursächlich veranlasst hat und sie verhindern kann (vgl. Palandt/Bassenge Kommentar zum BGB, 61. Aufl. 2002, § 1004, Rdn. 17). Dabei reicht für die Haftung des mittelbaren Störes aus, dass er willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, wobei auch die Unterstützung oder Ausnutzung des Tätigwerdens eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern der in Anspruch genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung gehabt hätte (vgl. z. B. BGH, GRUR 1991, 769 ff.). Im vorliegenden Fall haftet die Antragsgegnerin als mittelbare Störerin, weil sie auf ihrer Homepage E‑Cards mit werbenden Inhalt bereit hielt und es übernahm diese an einen von jedem beliebigen Dritten genannten Empfänger weiterzuleiten, ohne von dessen Einverständnis ausgehen zu können (vgl. AG Bochum, Urteil vom 15.08.2002 ‑ Az.: 67 C 193/01; LG Bochum, Urteil vom 12.02.2001 Az.: 9 S 249/01; LG München, Urteil vom 05.11.2002 ‑ AZ: 33 0 17030/02). Die Antragstellerin war als Bereitstellerin der E‑Card­-Funktion in ihrer Homepage in der Lage, derartige Rechtsverletzung durch Dritte zu verhindern. Soweit es ihr nicht gelingt sicherzustellen, dass Dritte nicht ohne ihr Einverständnis ihre E-­Cards erhalten, obliegt es ihr, diese Funktion von ihrer Homepage auf Dauer zu beseitigen.

Auch die von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB geforderte Wiederholungsgefahr ist gegeben. Eine vorausgegangene rechtswidrige Beeinträchtigung begründet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, welche der Störer in der Regel nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausräumen kann (vgl. Palandt/Bassenge Kommentar zum BGB, 61. Aufl. 2002, § 1004, Rdn. 32). Eine solche vom Antragsteller geforderte Unterlassungserklärung hat die Antragsgegnerin indes nicht abgegeben.

Für die beantragte einstweilige Verfügung ist auch ein Verfügungsgrund gemäß § 940 ZPO gegeben. Dem Antragsteller drohen wesentliche Nachteile, solange die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch die Zusendung weiterer E‑Mails nicht ausgeräumt ist. Der Verfügungsanspruch ist auch nicht nachträglich mit Beendigung der Bundestagswahl entfallen. Ein in zulässiger Weise begonnenes Eilverfahren, bleibt aber auch nach dem Ende einer befristeten Aktion zulässig (vgl. OLG Hamburg, WRP 1978, 909).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf S 91 ZPO.

gez …..

Richter am Amtsgericht

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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