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Ordnungsgeldantrag ist rechtsmissbräuchlich, wenn Gläubiger vorher Geldbetrag gegen Verzicht auf den Antrag gefordert hatte

Bei einer einstweiligen Verfügung oder einem Urteil auf Unterlassung wird dem Abgemahnten (Gläubiger genannt) für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € angedroht. Ein Ordnungsgeld bei einem sog. Bestrafungsantrag geht in die Staatskasse. Der Abmahner hatte davon also keine finanziellen Vorteile. Dies ist im Übrigen ein Grund, weshalb wir in der Beratungspraxis häufig davon abraten, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Motivation des Abmahners, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu überprüfen ist hoch. Stellt der Gläubiger einen Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung fest, kann eine Vertragsstrafe geltend machen und neu abmahnen. Die Vertragsstrafe bekommt der Abmahner. Die Motivation, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu überprüfen ist daher hoch.

KG Berlin: Ordnungsgeldantrag ist rechtsmissbräuchlich, wenn Verzicht angeboten wird gegen Zahlung eines Geldbetrages

Das Kammergericht Berlin (KG Berlin, Beschluss vom 17.12.2020 Az. 5 W1038/20) hat entschieden, dass ein Ordnungsmittelverfahren rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Gläubiger zuvor nach einem festgestellten Verstoß dem Schuldner angeboten hatte, dass diese einen deutlich niedrigeren Betrag, als im Ordnungsmittelverfahren zu erwarten wäre, zahlt. Im Gegenzug hätte der Gläubiger dann auf die Einleitung eines gerichtlichen Ordnungsgeldverfahrens verzichtet.

Der Schuldner hatte sich auf dieses Angebot nicht eingelassen.

„Bereicherung des Gläubigers“

Zur Begründung führt das Kammergericht aus:

„Danach ist hier die Einleitung des Ordnungsmittelverfahrens als missbräuchlich anzusehen. Denn zeitlich davor hat der Gläubiger der Schuldnerin mit Anwaltsschreiben vom 10. Januar 2020 Gelegenheit gegeben, 1.500 € an ihn zu zahlen, und angeboten, im Gegenzug auf das gerichtliche Ordnungsgeldverfahren zu verzichten. Er hat dabei, wie die Beschwerde betont, einen “deutlich niedrigeren Betrag gefordert als in einem Ordnungsgeldverfahren ausgeurteilt worden wäre.” Damit ist klar, dass es ihm vorrangig nicht um die nachhaltige Unterbindung weiterer Verstöße, sondern die Erzielung eigener Einnahmen ging. Denn gerichtliche Ordnungsmittel werden im Rahmen des Erforderlichen verhängt, um weitere Verstöße zu unterbinden, eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen (BGHZ 156, 335 – Euro-Einführungsrabatt). Der Gläubiger war also bereit, die Sanktion für die Schuldnerin “deutlich niedriger” (so die Beschwerde) als zur Unterbindung weiterer Verstöße tatsächlich erforderlich ausfallen zu lassen. Die Gefahr weiterer Verstöße wurde dadurch also “deutlich” erhöht, und zwar um der pekuniären Interessen des Gläubigers willen. Damit dient die Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht dem gesetzlich vorgesehenen Zweck (Durchsetzung des Unterlassungstitels), sondern – mittels Aufbau weiteren Drucks bzw. auch “generalpräventiv” – anderen und rechtlich zu missbilligenden Zwecken, nämlich letztlich einer Bereicherung des Gläubigers.“

Neue Unterlassungserklärung wurde gefordert

Wenn nach einer Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird und es kommt später zu einem Verstoß gegen diese Unterlassungserklärung, kann der Abmahner nicht nur Vertragsstrafe geltend machen sondern auch erneut abmahnen. Im Rahmen der erneuten Abmahnung kann dann eine Unterlassungserklärung mit einer höheren, als der ursprünglichen Vertragsstrafe, gefordert werden. Wenn ein gerichtlicher Unterlassungstitel vorliegt, kann im Falle eines Verstoßes keine erneute Unterlassungserklärung gefordert werden.

Der Gläubiger hatte jedoch, neben dem Angebot, dem Bestrafungsantrag durch Geldzahlung zu erledigen, auch eine neue Unterlassungserklärung gefordert. Auch dies sah das Kammergericht als Argument für einen Rechtsmissbrauch an:

„Soweit der Gläubiger in dem Schreiben auch wegen des hier in Rede stehenden Titelverstoßes eine (vertragsstrafbewehrte) Unterlassungserklärung forderte, spricht dies – entgegen der Beschwerde – nicht gegen, sondern im Gegenteil gleichfalls eher für einen Rechtsmissbrauch. Denn eine solche Unterlassungserklärung stand ihm – auch bei erneutem Verstoß – nicht zu, da er schon über einen rechtskräftigen Unterlassungstitel verfügt. Auch dieses Ansinnen unterstreicht also, dass es dem Gläubiger hier weniger um die Unterbindung weiterer Verstöße, sondern um die Generierung (künftiger) Geldforderungen zu seinen Gunsten im Verstoßfalle geht, welche ihm aber nicht zustehen.“

Hinzu kam offensichtlich, dass dem Senat der Anwalt des Abmahners bekannt war:

„Die Rechtsverfolgung scheint sich hier auf Anwaltsebene zu verselbstständigen (was zur Indizierung eines Missbrauchs gleichfalls beitragen könnte). Das alles legt den Gedanken nahe, dass der Gläubiger systematisch Schuldnerverstöße deshalb feststellen lässt, um sich die Einleitung diesbezüglicher Ordnungsmittelverfahren ebenso systematisch abkaufen zu lassen und sich auf diese Weise eine kontinuierlich sprudelnde Geldquelle zu eigenem Nutzen zu erschließen.“

Erledigung eines Ordnungsmittelantrag durch Zahlung an den Gläubiger kann eine Alternative sein

Ein Ordnungsmittelantrag liegt in der freien Entscheidung des Gläubigers. Es kann im Einzelfall durchaus Sinn machen, mit dem Gläubiger zu verhandeln, sodass dieser, z.B. gegen Zahlung eines Geldbetrages, den Ordnungsgeldantrag zurücknimmt. Es macht jedoch ein Unterschied, ob der Schuldner nach Einreichung des Ordnungsgeldantrages dies anbietet oder ob der Gläubiger vor Einreichung des Ordnungsgeldantrages Geld fordert.

Wir vertreten Sie bei einem Ordnungsgeldantrag im Ordnungsgeldverfahren.

Stand: 22.2.2021

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke