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OLG Hamm: Meldung rechtswidriger Angebote gegenüber Amazon ist nicht wettbewerbswidrig

Einige ASINs bei Amazon, die durch Verkäufer genutzt werden sind rechtswidrig. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn das Produkt eindeutig irreführend beschrieben wird. Es gibt jedoch auch eine Vielzahl von gesetzlichen Informationspflichten, die eingehalten werden müssen, damit eine ASIN rechtskonform ist. Zu diesen Informationspflichten gehört z.B. die Information über Energieeffizienzklasse und Energieetikett . Die Informationspflicht gilt z.B. bei dem Angebot von elektrische Lampen (d. h. Leuchtmittel wie bspw. Glühlampen), Haushaltsgeschirrspülern, Haushaltskühlgeräte, Haushaltswaschmaschinen, Fernsehgeräten und Monitore oder Haushaltswäschetrocknern etc.

Hierbei sind die konkreten Vorgaben zur sogenannten geschachtelten Anzeige gemäß der EU-Verordnung 518/2014 einzuhalten. Verstöße gegen diese Kennzeichnungsverpflichtungen sind wettbewerbswidrig (BGH Az. I ZR 184/17). Ein Wettbewerber könnte somit Anbieter, die bei Amazon eine ASIN nutzen, in der gesetzliche Kennzeichnungsvorgaben nicht eingehalten werden, wettbewerbsrechtlich abmahnen und eine Unterlassungserklärung fordern.

In der Praxis, gibt es jedoch gerade bei Amazon noch eine andere Möglichkeit: Wenn Amazon eine ASIN mit einem Kennzeichnungsverstoß, der erheblich ist, gemeldet wird, wird die ASIN in der Regel durch Amazon gesperrt. Der betroffene Händler wird über die Sperrung und die Gründe durch Amazon informiert. Für den Amazon-Verkäufer, der die rechtswidrige ASIN genutzt hatte, ist dies zunächst eine sehr viel preiswertere Alternative als eine kostenpflichtige Abmahnung. Dies sehen jedoch nicht alle betroffenen Händler, die bei Amazon rechtswidrige ASINs verwenden so, wie ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamm zeigt (OLG Hamm, Urteil vom 8.10.2020, Az. 4 U7/20).

Der Fall

Der Sachverhalt war einer, wie er in unserer Beratungspraxis häufig vorkommt:

Ein Amazon-Verkäufer (der Beklagte in diesem Verfahren) bot bei Amazon unter 2 ASINs Leuchten an (LED-Einbaustrahler). Zum damaligen Zeitpunkt bestand auch bei Leuchten die Verpflichtung, über das Energieetikett zu informieren. Es fehlte eine Information zum Energielabel. Der Kläger  wandte sich an Amazon und wies darauf hin, dass die beiden ASINs nicht den Vorgaben der „Delegierten Verordnung (EU) Nr. 874/2012 der Kommission vom 12.07.2012 zur Ergänzung der Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Energieverbrauchskennzeichnung von elektrischen Lampen und Leuchten“ entsprechen würden. Amazon entfernte daraufhin die beiden ASINs sowie weitere ASINs.

Wie in diesen Fällen üblich wurde dem Händler von Amazon mitgeteilt, dass die ASINs aufgrund einer Rechtsverletzung entfernt wurden. Amazon teilte dem Händler konkret Folgendes mit:

„„(…) Das Energieeffizienzlabel wird bei den Angeboten nicht ordnungsgemäß dargestellt (Anhang VIII der Verordnung EU 874/2012). Das Label wird weder unmittelbar neben dem Preis noch mittels einer geschachtelten Anzeige dargestellt. (…)“

Der Amazon-Händler, dessen ASINs gesperrt wurden sah die Beschwerde der Klägerin gegenüber Amazon als rechtswidrig an und sprach eine Abmahnung aus. Die Beschwerde der Klägerin bei Amazon sei eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des § 4a UWG sowie eine gezielte Behinderung. Es sei ein Schaden in Höhe von über 190.000 € entstanden.

Dies ließ die Klägerin nicht auf sich sitzen und mahnte wiederum die Beklagte wegen der falschen Produktkennzeichnung der angebotenen Leuchten ab und erwirkte eine wettbewerbsrechtliche einstweilige Verfügung. Amazon sperrte in der Folgezeit weitere 29 Produktangebote der Beklagten. Die Klägerin behauptete, mit diesen weiteren Sperrungen nichts zu tun zu haben.

Im Folgenden ging in diesem Verfahren die Klägerin in die Offensive und beantragte die Feststellung, dass die Beklagte (der Amazon Händler, dessen ASINs gesperrt wurde) keinen Anspruch auf Unterlassung, Schadenersatz etc. habe.

Das Landgericht Bochum hatte der Klage in der 1. Instanz übrigens stattgegeben.

Im Ergebnis hat das OLG somit aufgrund der eingereichten Feststellungsklage zu entscheiden, ob der Beklagten die behaupteten Unterlassungsansprüche und Schadenersatzansprüche zustehen.

Meldung von rechtswidrigen ASINs bei Amazon ist kein Wettbewerbsverstoß

Zu Recht sieht das OLG Hamm die Meldung des Klägers gegenüber Amazon sichtlich der rechtswidrigen ASINs der Beklagten nicht als Wettbewerbsverstoß an.

Zunächst sieht das OLG in der Meldung keine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a UWG. Hierfür fehle jeglicher Anhaltspunkt.

„Auch für eine wettbewerbswidrige „Anschwärzung“ gibt es keine Grundlage. Eine Anschwärzung setzt die Behauptung oder Verbreitung falscher oder nicht erweislich wahrer Tatsachen voraus. Der Kläger hatte konkret 2 ASINs gemeldet und gegenüber Amazon die Vermutung geäußert, noch weitere ASINs könnten rechtswidrig sein. Diese Vermutung sieht das OLG nicht als wettbewerbswidrig an:
„Dass die Beklagten – die Beklagte zu 1) verfügt immerhin über eine eigene vertragliche Beziehung zu dem Plattformbetreiber – nicht in der Lage gewesen wären zu eruieren, wie häufig und mit welchem jeweiligen konkreten Inhalt die Klägerin sich über die Beklagte zu 1) bei dem Plattformbetreiber beschwert hat, und hierzu im vorliegenden Rechtsstreit konkret vorzutragen, ist nicht erkennbar. Der Umstand, dass der Plattformbetreiber sowohl in seiner E-Mail vom 11.06.2019 als auch in seiner E-Mail vom 26.07.2019 auf eine „Beschwerde“ der Klägerin Bezug genommen hat, ist ohne Aussagekraft, weil die – einzige und auf die beiden oben bezeichneten Produktangebote beschränkte – Eingabe der Klägerin als Auslöser für eigene Überprüfungen des Plattformbetreibers gedient haben kann und nur aus diesem Grunde in den E-Mails Erwähnung gefunden haben mag.“

Es hätten auch keine unwahren Tatsachen vorgelegen. Etwas süffisant führt das OLG aus:

„Es wäre ohnehin unsinnig, gegenüber dem Amazon-Plattformbetreiber unrichtige Tatsachen über den Wortlaut oder die sonstige Gestaltung von Produktangeboten auf seiner eigenen Internetplattform zu behaupten.“

Auch weitere wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Beklagten sah der Senat nicht.

Beschwerde gegenüber Amazon ist schnell, effizient und vom Interesse am gesetzeskonformen Wettbewerb geprägt

Das OLG sieht eine Beschwerde eines Wettbewerbers gegenüber Amazon, statt einer Abmahnung als zulässig und effektiv an (was Sie, so unsere Beratungspraxis, auch ist):

„Dass die Klägerin ihre Beschwerde an den Plattformbetreiber aus sachfremden – wettbewerbsfremden – Interessen abgesetzt hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin zunächst den Weg der Beschwerde an den Plattformbetreiber gewählt hat, der überdies schnell und effizient zu einer Entfernung der nicht gesetzeskonformen Produktangebote aus dem Internet geführt hat, und nicht sofort eine gegebenenfalls Kostenerstattungsansprüche auslösende Abmahnung ausgesprochen hat, spricht im Gegenteil dafür, dass ihr Vorgehen dem Interesse an einem lauteren, gesetzeskonformen Wettbewerb entsprang.“

Hoher Streitwert

Das Verfahren lief somit für die Beklagte nicht besonders gut. Das OLG legte jedoch noch eine Schippe drauf:

Die Beklagte hatte in ihrer Abmahnung einen Streitwert von 60.000 € angenommen, weitere Ansprüche in der Abmahnung geltend gemacht und einen Schadenersatz von mindestens 191.000 € behauptet. Diese Werte addierte der Senat und kam auf einen Gesamtstreitwert von 291.000 € (191.000 € Schadenersatz, 100.000 € für die Feststellung Ansprüche zur Abmahnung). Zur Begründung heißt es

„Bei negativen Feststellungsklagen ist der Streitwert mit dem vollen Wert der entsprechenden umgekehrten Leistungsklage gleichzusetzen, weil ein stattgebendes Urteil einer Leistungsklage des Prozessgegners entgegensteht.“

Rechtswidrige ASINs bei Amazon melden, statt Abmahnung

Aus unserer Beratungspraxis können wir die Einschätzung des Senats, dass eine Meldung von ASINs, die gesetzliche Kennzeichnungsvorgaben nicht einhalten, ein schneller, effektiver und kostengünstiger Weg sein kann, um gegen Wettbewerber vorzugehen. Wir vertreten regelmäßig Amazon-Händler in diesem Bereich. Eine Abmahnung ist aufwendiger und hat insgesamt sehr viel höhere Kosten zur Folge.

Nehmen Sie Kontakt mit uns auf, wenn Ihre Wettbewerber mit rechtswidrigen ASINs verkaufen. Wir unterstützen Sie gerne.

Stand: 25.11.2020

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard