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“Tussi ATTACK”: Nicht jede Verwendung einer Marke ist eine Markenrechtsverletzung
Eine Markenrechtsverletzung bei Verwendung, insbesondere eine Wortmarke, kommt nur dann in Betracht, wenn die angemeldete Marke auch als Marke verwendet wird. Juristen sprechen hier von einem kennzeichenmäßigen Gebrauch. Es kommt somit darauf an, ob die Marke als Herkunftsverweis verwendet wird oder eher als allgemeinbeschreibend.
Die Grenze ist oft fließend. Ein schönes Beispiel, wann eine Marke nicht als geschütztes Kennzeichen verwendet wird, hat aktuell das Kammergericht Berlin (KG Berlin Beschluss vom 27.10.2015, Az: 5 W 216/15) entschieden.
Markenmäßige Verwendung? “Tussi ATTACK” auf einem T-Shirt?
Auf einem T-Shirt befand sich der Aufdruck “Tussi ATTACK”. Dagegen war der Inhaber der Marke “ATTACK” wegen einer Markenrechtsverletzung vorgegangen.
Um was geht es bei diesem Ausdruck? Kommt das T-Shirt von der Marke “ATTACK” oder geht eigentlich um etwas anderes?
Grundsätzliches
Das Kammergericht Berlin führt hierzu aus:
“Die Ausübung des Markenrechts ist grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichen durch einen Dritten die Funktion der Marke und insbesondere Ihrer Hauptfunktion, die Herkunft der Waren gegenüber den Verbrauchern zu gewährleisten, beeinträchtigen kann. Ist dies nicht der Fall, kann der Inhaber einer Marke die Benutzung einer identischen oder ähnlich verwechselungsfähigen Bezeichnung nicht verbieten. Die Frage einer markenmäßigen Nutzung einer Bezeichnung bestimmt sich nach der Auffassung des Verkehrs und zwar eines durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers.”
Produktbezogener Hinweis oder dekoratives Element?
An der Verwendung eines Kennzeichens als Marke fehlt es insbesondere dann, wenn die verwendete Wortfolge aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen. Dies gilt insbesondere für typische und insbesondere auf eine originelle Selbstdarstellung angelegte Fun-Sprüche. Bekleidungsstücke, vorrangig T-Shirts, dienen in anderen Zwecken auch als Kommunikationsmittel. Sei es Vereins- oder Schulsymbole oder als Medium politischer oder sonstiger Äußerungen.
Nun wird es amtlich: Was versteht das KG Berlin unter “Tussi ATTACK”?
Richter haben es manchmal nicht leicht. Im vorliegenden Fall mussten sie eine Aussage dazu treffen, was der Aufdruck “Tussi ATTACK” auf einem T-Shirt eigentlich meint. Nämlich Folgendes:
“Die Wendung Tussi steht salopp, oft abwertend für eine weibliche Person, insbesondere eine Freundin oder Geliebte. Das Wort ATTACK wird auch im deutschen Sprachraum ohne Weiteres als Attacke, Angriff oder Überfall verstanden. Während dieses Wort eine eher kämpferische Haltung des Trägers eines damit bedruckten T-Shirts zum Ausdruck bringt, bedeutet die Wendung Tussi gegenläufig vornehmlich auf einen unmoralischen Charakterzug hin. Eine weibliche Person bezeichnet sich selbst regelmäßig nicht – jedenfalls nicht ohne Selbstironie – als Tussi. Auf der Gegenläufigkeit ihrer Inhalte beruht der Sprachwitz der Wortfolge “Tussi ATTACK”… Unter diesen Umständen versteht der Durchschnittsverbraucher den Aufdruck sinnhaft als selbstironische, schillernde, lustig gemeinte Meinungsäußerung des Trägers des T-Shirts.”
Die übliche Auslegung im Markenrecht: Was ist prägend
Beim Markenrecht kommt es immer darauf an, was eigentlich tatsächlich unterscheidungskräftig ist bei einer Marke bzw. einem Begriff, der aus Marke und anderen Begriffen besteht. Hier nimmt das Kammergericht an, dass “ATTACK” nicht die Wortfolge “Tussi ATTACK” dominiert. Letztlich ist dies immer wie eine Art Deutschaufsatz für Fortgeschrittene. Die genauen Ausführungen des Kammergerichtes möchten wir Ihnen an dieser Stelle ersparen.
Es kommt auf den konkreten Fall an
Der oben genannte Sachverhalt ist nur ein Beispiel. Das bedeutet nicht, dass bei Verwendung eines geschützten Kennzeichens einer Marke im Zusammenhang mit anderen Begriffen automatisch keine Markenrechtsverletzung vorliegt. Vielmehr kommt es darauf an, wie das geschützte Kennzeichen tatsächlich verwendet wird. Die Grenzen sind hier fließend. Häufig ist es (leider) so, dass man eine markenmäßige Nutzung der geschützten Marke nicht ganz von der Hand weisen kann.
Dies ist letztlich immer eine Frage des Einzelfalls.
Wir beraten Sie konkret.
Stand: 07.12.2015
Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke
https://ssl-vg03.met.vgwort.de/na/7790bbcce5fd407ca5aa28259f5e46a1