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Internetkauf: Ist die Lieferung frei Bordsteinkante eine Erfüllung des Kaufvertrages?
Gerade bei Speditionsware, wie Möbeln oder weißer Ware (Waschmaschinen, Geschirrspüler, etc.) macht es für den Internethändler einen erheblichen Unterschied, ob er dem Kunden die Ware “frei Bordsteinkante” oder bis hinter die erste verschließbare Tür liefern muss oder zur Erfüllung des Kaufvertrages gezwungen ist, die Ware tatsächlich in den 5. Stock ohne Aufzug in die Wohnung des Käufers schleppen zu lassen.
Soweit Verbraucher an einem Internetkauf beteiligt sind, wird es problematisch. Es geht letztlich um die Frage, wann der Internethändler die Lieferpflicht aus dem Kaufvertrag einwandfrei erfüllt hat. Ist ein Verbraucher an einem sogenannten Versendungskauf nicht beteiligt, gilt § 447 BGB. Die Gefahr für einen Verlust oder eine Beschädigung der Ware geht auf den Käufer über, sobald die Ware (ordnungsgemäß verpackt) an den Versender übergeben wurde.
Bei einem Kauf, bei dem Verbraucher beteiligt sind, gilt § 474 Abs. 2 BGB, der das Versandrisiko dem Verkäufer aufbürdet. Aus diesem Grund ist es bspw. problematisch, einen Versand mit “versichert” zu bezeichnen, da ja der Verbraucher gar kein Versandrisiko trägt und es demzufolge auch keinen Grund gibt, dass er gesonderte Versicherungsleistungen zu zahlen hat, da der Verlust oder die Beschädigung der Ware nicht sein Problem ist.
Erfüllung des Kaufvertrages bei Lieferung frei Bordsteinkante?
Die juristische Kommentierung ist zu dieser für Internethändler sehr wichtigen Frage wenig klar. Es heißt lediglich, dass bei einem Versendungskauf durch Verbraucher die Gefahr für eine Beschädigung oder den Verlust der Ware erst dann auf den Verbraucher übergeht, wenn der Verbraucher den Besitz der gekauften Sache erlangt. Dies klärt jedoch noch nicht die Frage, ob der Internethändler den Kaufvertrag erfüllt hat, wenn er die Speditionsware auf dem Bürgersteig vor dem Haus des Verbrauchers “abgekippt” hat.
Amtsgericht Bonn: Gesonderte Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer notwendig
Eine der wenigen Urteile zu diesem Thema, die jedoch nur einschlägig erhellend sind, ist eine Entscheidung des Amtsgerichtes Bonn (Urteil vom 25.03.2010, Az.: 103 C 315/09).
Ein gewerblicher Käufer hatte ein Sofa im Internet gekauft und bestand bei dessen Annahme darauf, dass das Sofa in seine Geschäftsräume gebracht wird, was der Verkäufer verweigerte. Der Verkäufer machte dann Schadenersatzansprüche geltend. Allein auf Grund des Umstandes, dass es hier ein gewerblicher Käufer war, der etwas im Internet gekauft hatte, lassen sich die Ansichten des Amtsgerichtes somit auf den Verbrauchsgüterkauf, bei dem ein Verbraucher beteiligt ist, nicht einfach übertragen.
Das Amtsgericht hatte jedenfalls die Klage abgewiesen und grundsätzlich angenommen, dass der Verkäufer verpflichtet gewesen wäre, das Sofa am Verwendungsort, also in die Geschäftsräume zu liefern. Jedenfalls – so das Amtsgericht – gelte dies dann, wenn es keine andere Absprache gab:
Mit der Vereinbarung einer Versendung durch den Verkäufer bringt der Käufer zum Ausdruck, dass er gerade von den mit einem Transport zusammenhängenden Umständen befreit werden will. Dieser auch für den Verkäufer erkennbare Wille würde nicht realisiert, müsste der Käufer einen Teil des Transportweges doch auf sich nehmen. Wenn der Verkäufer dann ohne weitere Einschränkung den Transport zusagt, darf der Käufer aus Sicht eines objektiven Empfängers darauf vertrauen, dass er von der Transportpflicht insgesamt befreit wird.
Vereinbarung möglich, dass Lieferung bis zur Bordsteinkante ausreicht?
Das Amtsgericht stellt darauf ab, dass es zwischen Verkäufer und Käufer gerade keine vertragliche Vereinbarung dahingehend ab, dass eine Lieferung lediglich bis zur Bordsteinkante geschuldet und ausreichend war. Das Problem war, dass der Verkäufer in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu diesen Fragen keine Regelungen vorgesehen hatte, lediglich sehr versteckt in einem Link mit der Bezeichnung “Versandkosten”. Nach wohl zutreffender Ansicht des Amtsgerichtes wurde der sehr versteckte Hinweis auf die Lieferung frei Bordsteinkante nicht Vertragsbestandteil, da sich auf der Internetseite gleichzeitig ein Link mit der Bezeichnung AGB befand, unter dem die entsprechende Klausel nicht aufgeführt war.
Die Ansicht des Amtsgerichtes zu Ende gedacht, müsste es möglich sein, eine Lieferung frei Bordsteinkante oder bis hinter die erste verschließbare Tür mit dem Verbraucher zu vereinbaren, wenn dies deutlich und transparent geschieht. Ein entsprechender Hinweis nach Vertragsschluss ist hierfür auf keinen Fall ausreichend. Zudem schadet es nicht, einen entsprechenden Hinweis sehr deutlich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterzubringen und am besten noch einmal gesondert in der Artikelbeschreibung selbst oder im Bestellablauf auf die eingeschränkte Lieferung hinzuweisen.
Praxisproblem Widerrufsrecht
Der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Bonn, bei dem der Käufer ein Gewerbetreibender war, wäre von vornherein aussichtslos gewesen, wenn es sich bei dem Käufer um einen Verbraucher gehandelt hätte, da dieser einfach von seinem Widerrufsrecht hätte Gebrauch machen können. Das Widerrufsrecht kann selbstverständlich auch vor Lieferung der Ware ausgeübt werden, so dass der Verbraucher zwanglos die Möglichkeit hat, einer Unzufriedenheit mit der Form der Belieferung frei Bordsteinkante dadurch Ausdruck zu verleiehen, indem er die Annahme der Ware einfach verweigert und sein Widerrufsrecht ausübt. Da gerade bei Speditionsware Hin- und Rückversand durch den Händler mit erheblichen Kosten verbunden ist, ist dies ein weiterer Grund, eine mögliche Belieferung frei Bordsteinkante oder bis hinter die erste verschließbare Tür sehr offensiv mit dem Kunden zu kommunizieren und dies ggf. hinsichtlich der möglichen Folgen (Verbraucher muss anwesend sein, ggf. noch Hilfspersonen haben, die die Ware mit hochtragen) im Vorfeld zu klären.
Stand: 23.02.2011
Ihr Ansprechpartner:Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock
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