lg-hamburg-308_o_407_06
Leitsatz:
Der Inhaber eines Internetanschlusses über ein offenes W-Lan haftet für die dadurch begangenen Urheberrechtsverletzungen bei Tauschbörsennutzung.
Landgericht Hamburg
U r t e i l
Im Namen des Volkes
Geschäfts-Nr.: 308 O 407/06
Verkündet am: 26.07.2006
I. Die einstweilige Verfügung vom 22.06.2006 wird bestätigt.
II. die Antragsgegner haben auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist ein Unterlassungsbegehren der
Antragstellerin gegen die Antragsgegner wegen der öffentlichen
Zugänglichmachung von Musikaufnahmen in einem
Filesharingsystem über den Internetanschluss der Antragsgegner.
Die Antragsstellerin ist Tonträgerherstellerin.
Am 29.12.2005 wurde festgestellt, dass unter der IP-Adresse
80.134.206.120 insgesamt 244 Audiodateien mittels einer
Filesharing-Software, die auf dem Gnutella-Protokoll basiert,
zum Kopieren und Hören vorgehalten wurden, darunter Dateien
mit den Musikaufnahmen “und” “der Künstlergruppe” , “auch
bekannt als” “. Die IP-Adresse war zum streitgegenständlichen
Zeitpunkt den Antragsgegnern zugeordnet. Die Antragsstellerin
hat eine solche Nutzung ihrer Aufnahmen nicht gestattet.
Am 24.05.2006 erhielt die Antragsstellerin Kenntnis davon,
dass die IP-Adresse dem Internetanschluss der Antragsgegner
zugeordnet war. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.06.2006
mahnte sie die Antragsgegner ab. Mit Schreiben vom 16.06.2006
antwortete der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegner und
lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung endgültig ab.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 21.06.2006, bei Gericht
eingegangen am 22.06.2006, erließ die Kammer durch Beschluss
vom 22.06.2006 eine einstweilige Verfügung, mit der den
Antragsgegnern zur Meldung der Ordnungsmittel des § 890 ZPO
verboten wurde, die sieben oben genannten Musikaufnahmen auf
einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer von
Filesharing-Systemen bereitzustellen und damit der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Weiter wurden den
Antragsgegnern die Kosten des Verfahrens aufgelegt.
Dagegen wenden sich die Antragsgegner mit ihrem Widerspruch.
Die Antragsgegner sind der Auffassung, nicht Täter der
Rechtsverletzung zu sein und sich die Verletzung auch nicht
als Störer zurechnen lassen zu müssen. Die
streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung sei nicht über
einen der zwei in ihrem Haushalt befindlichen Computer
erfolgt. Weder sie selbst noch ihr Sohn hätten die oben
genannten Musikaufnahmen auf ihren Computern zum Abruf durch
andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereitgestellt. Sie
hätten vielmehr eine nicht durch ein Geheimwort geschützte
schnurlose Funkverbindung, eine so genannte
“WLan”-Internetverbindung genutzt. Die streitgegenständliche
Nutzung durch Dritte möglich sei. Sie hätten dann unverzüglich
einen Password-Schutz einrichten lassen. Eine Prüfpflicht habe
nicht bestanden.
Die Antragsgegner beantragen,
die einstweilige Verfügung vom 22.06.2006 aufzuheben und den
ihrem Erlass zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 22.06.2006 zu bestätigen.
Die Antragstellerin trägt vor, sie besitze die ausschließlichen Verwertungsrechte
an den streitgegenständlichen Musikaufnahmen. Sie ist der Auffassung,
dass die Antragsgegner als Störer haften. Es sei nur eine
Schutzbehauptung, dass die streitgegenständliche Nutzung durch
Dritte über die ungeschützte WLAN-Internetverbindung erfolgt
sei
Entscheidungsgründe:
Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen.
Denn Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund sind auch nach
mündlicher Verhandlung über den Widerspruch gegeben.
I.
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegner einen Anspruch
aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG auf Unterlassung der Öffentlichen
Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Musikaufnahmen in
einem Filesharingsystem.
1. Die Antragstellerin ist Inhaberin der
Tonträgerherstellerrechte aus § 85 Abs. 1 UrhG. Ihr steht
danach unter anderem das ausschließliche Recht zur
öffentlichen Zugänglichmachung der Aufnahme zu. Die
Antragstellerin hat die Rechtekette nachvollziehbar
dargestellt und durch die eidesstattliche Versicherung des xxx
glaubhaft gemacht.
a) Hinsichtlich der Musikaufnahmen der Künstlerin
leitet die Antragstellerin die Rechte aus einem zwischen der
xxx und yyy am 24. Mai 2006 geschlossenen
Künstlerexklusivvertrag ab. In Ausübung dieses Vertrages
wurden die Aufnahmen von der hergestellt und die Rechte an der
Darbietung von der Künstlerin auf diese Firma übertragen. Im
Rahmen des konzernintern gültigen Repertoireaustauschvertrages
wurden die ausschließlichen Verwertungsrechte für das Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland der Antragstellerin übertragen.
b) Hinsichtlich der Musikaufnahmen der Künstlergruppe
auch bekannt als xxx stehen die Antragstellerin die
ausschließlich Verwertungsrechte aufgrund eines
Bandübernahmevertrages zu, den sie am 25.05.2005 mit den
Tonträgerherstellern der Aufnahme geschlossen hat.
2. Dieses Recht ist widerrechtlich verletzt worden,
indem die Aufnahme über den Internetanschluss der
Antragsgegner über ein Filesharing-System im Internet zum
Kopieren und Anhören bereitgestellt und damit der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war, ohne dass dazu
eine Rechtseinräumung durch die Antragstellerin vorlag.
3. Die Antragsgegner haben für diese
Rechtsverletzungen einzustehen. Zwar konnte weder festgestellt
werden, dass sie selbst die Rechtsverletzung begangen haben,
noch konnte es durch die Vorlage der eidesstattlichen
Versicherung ausgeschlossen werden. Denn die eidesstattliche
Versicherung sagt nichts dazu aus, ob die Antragsgegner
persönlich zum streitgegenständlichen Zeitpunkt die
Rechtsverletzung begangen haben, da sie sich auf eine erst am
20.03.2006 erfolgte Überprüfung bezieht. Auch XXX kann
letztendlich nur vermuten, wie seine Eltern, die
Antragsgegner, den Internetanschluss genutzt haben. Es ist
aber nicht auszuschließen, dass die Rechtsverletzung durch
andere nicht bekannte Nutzer des Anschlusses erfolgt sind die
die ungeschützte WLAN-Internetverbindung der Antragsgegner
genutzt haben.
Ob die Antragsgegner die Rechtsverletzungen selbst begangen
haben oder ob die Rechtsverletzungen aufgrund einer Nutzung
der ungeschützten WLAN-Internetverbindung durch Dritte
erfolgten, kann aber dahinstehen. Denn die Antragsgegner haben
für diese Rechtsverletzung jedenfalls nach den Grundsätzen der
Störerhaftung einzustehen.
a) Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in
entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für
eine Schutzrechtsverletzung, der – ohne selbst Täter oder
Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und
adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung
mitgewirkt hat. Um eine solche Haftung nicht über Gebühr auf
Dritte zu erstrecken, die nicht selbst die rechtswidrige
Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des
Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren
Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer
in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung
zuzumuten ist (BGH GRUR 2004, S. 860 ff. (S. 864) –
Störerhaftung des Internetauktionshauses bei
Fremdversteigerung – m. w. N) wobei sich die Art und der
Umfang der gebotenen Prüf- und Kontrollmaßnahmen nach Treu und
Glauben bestimmen (von Wolff in Wandtke/Bullinger, a. a. O. §
97 Rn. 15). So hat sich auch die Verpflichtung, geeignete
Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzung
soweit wie möglich verhindert werden, im Rahmen des Zumutbaren
und Erforderlichen zu halten (BGH GRUR 1984, S. 54/55 –
Kopierläden).
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze haften die
Antragsgegner als Störer.
Wenn die Antragsgegner es Dritten aufgrund einer ungeschützten
WLan-Verbindung ermöglicht haben, ihren Internetzugang zu
nutzen und die streitgegenständliche Rechtsverletzung zu
begehen, dann ist dies adäquat kausal für die
Schutzrechtsverletzung gewesen. Adäquat ist ein Bedingung
dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter
besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem
gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden
Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art
herbeizuführen (BGH NJW 2005, S. 1420 ff. (S. 1421 m. w. N.)).
Davon ausgehend ist eine Adäquanz hier zu bejahen.
Zunächst haben Rechtsverletzungen über das Internet allgemein
zugenommen durch das Herunterladen und öffentliche
Zugänglichmachung insbesondere urheberrechtlich,
geschmacksmusterrechtlich und markenrechtlich geschützter
Leistungen. Darunter fallen auch die Aneignung und das
Bereitstellen von Musikaufnahmen im Internet über
Peer-to-Peer-Dienste und mit Hilfe von Filesharing-Software,
verhamlosend “Tauschbörsen” genannt. Jedenfalls seit dem
Auftreten der Filesharing-Software “Napster” im Herbst 1999
ist derartiges auch nicht mehr ungewöhnlich, sondern wird
gerade von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
vielfältig in Anspruch genommen. Weiter ist allgemein bekannt,
dass ungeschützte WLAN-Verbindungen von Dritten mißbraucht
werden können, um über einen fremden Internetanschluss ins
Internet zu gelangen.
Die Verwendung einer ungeschützten WLAN-Verbingung für den
Zugang ins Internet birgt danach die keinesfalls
unwahrscheinliche Möglichkeit, dass von – unbekannt – Dritten,
die die ungeschützte Verbindung nutzen, solche
Rechtsverletzungen begangen werden. Das löst Prüf- und
gegebenenfalls Handlungspflichten aus, um der Möglichkeit
solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen.
Rechtlich und tatsächlich sind die Antragsgegner in die Lage
versetzt gewesen, wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der
streitgegenständlichen Rechtsverletzung zu treffen. Hier haben
die Antragsgegner aber nach eigenem Eingeständnis keine
Schutzmaßnahmen getroffen mit der Begründung, sie seien sich
der Missbrauchsmöglichkeiten nicht bewusst gewesen. Weder das
fehlende technische Verständnis noch die eigene Unkenntnis von
der Möglichkeit der illegalen Musiknutzung über leicht zu
installierende Tauschbörsenprogramme sowie von der Möglichkeit
der Nutzung einer WLAN-Verbindung durch unbefugte Dritte
entlasten sie. Es hätte ihnen oblegen, sich zu informieren,
welche Möglichkeiten für Rechtsverletzungen sie schaffen und
wie sie solche Verletzungen hätten vorbeugen können. Zudem
hätten sie technische Möglichkeiten in Anspruch nehmen können,
um die streitgegenständliche Rechtsverletzung zu verhindern.
So hätten sie etwa einen Password-Schutz einrichten können.
Eine derartig ihnen mögliche Maßnahme haben die Antragsgegner
jedoch nicht ergriffen, sondern die WLAN-Verbindung
“ungeschützt” genutzt.
Die Durchführung der vorgenannten Maßnahmen ist zumutbar. Das
gilt auch für den Fall, dass die Antragsgegner selbst nicht in
der Lage sein sollten, sie einzurichten und sich dazu
entgeltlicher fachkundiger Hilfe bedienen müssten. Den dadurch
bedingten Geldaufwand erachtet die Kammer als durchaus noch
verhältnismäßig.
4. Die danach den Antragsgegnern zurechenbare
widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung einer
Wiederholungsgefahr. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre
neben einer Einstellung der Nutzung die Abgabe einer
ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend
strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung
erforderlich gewesen (vgl. Möhring/Nicolin/Lütje, UrhG, 2.
Aufl., § 97 Rn. 120, 125; Schricker/Wild, Urheberrecht, 2.
Aufl., § 97 Rn. 42; Schulze/Dreier, UrhG, 2. Aufl., § 97 Rn.
41, 42; v. Wolff in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Aufl.,
§ 97 Rn. 34, 35), wie sie erfolglos verlangt worden ist.
Allein das Einrichten eines Password-Schutzes nach einer
bereits erfolgten Rechtsverletzung reicht nicht aus.
 , ; III.
Es hat auch ein Verfügungsgrund bestanden. Dieser folgt
grundsätzlich bereits aus der Wiederholungsgefahr, zu deren
Beseitigung durch Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungsverpflichtungserklärung die Antragsgegner sich
zunächst nicht veranlasst gesehen haben. Im Übrigen hat die
Antragstellerin die Sache selbst geboten zügig behandelt.
https://ssl-vg03.met.vgwort.de/na/9a6783063e4f4b30b6a316a749ed3dbb