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LG Arnsberg: Fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung verlängert die Widerrufsfrist nicht

Fehler in der Widerrufsbelehrung für Verbraucher sind für Unternehmer, die eine falsche Widerrufsbelehrung verwenden, sehr problematisch: Nicht nur, dass eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung wettbewerbswidrig sein kann und gerade in der Vergangenheit häufig Thema einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung war. Sehr viel weitreichender sind die Rechtsfolgen einer falschen Widerrufsbelehrung: Wenn die Widerrufsbelehrung nicht rechtskonform ist, verlängert sich die Widerrufsfrist von 14 Tagen ab Erhalt der Ware beim Warenkauf auf 12 Monate und 14 Tage. Zudem kann der Unternehmer im Fall des Widerrufes keinen Wertersatz geltend machen.

LG Arnsberg: Fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung verlängert die Widerrufsfrist nicht

Das Landgericht Arnsberg (LG Arnsberg, Urteil vom 20.02.2024, Az. 4 O 273/23) hatte über den Widerruf eines Fahrzeugvertrages zu entscheiden. Verkäufer war Tesla. In der Widerrufsbelehrung fehlte eine Telefonnummer.

Obwohl im amtlichen Muster-Widerrufsformular die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung vorgegeben ist, ist dies gesetzlich gesehen nach Artikel 246 a § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EGBGB a. F. nicht vorgeschrieben. Dort geht es lediglich um die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechtes sowie das Muster-Widerrufsformular. Zur Begründung führt das Landgericht aus:

„§ 356 Abs. 3 BGB stellt für den Beginn der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen (§ 312c BGB) auf Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ab. Ein Verweis auf Art. 246a § 1 Abs. 1 insbesondere auf Nr. 2 der alten Fassung und Nr. 3 der neuen Fassung, wonach der Unternehmer dem Verbraucher die Telefonnummer zur Verfügung stellen muss, erfolgt gerade nicht. Jedenfalls für die Frage des Fristbeginns nach § 356 Abs. 3 BGB sind in der Widerrufsbelehrung daher nur die Angaben erforderlich, die in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannt werden und gerade nicht die Angaben aus Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB. Eine für den Fristbeginn allein maßgebliche vollständige Informationserteilung erfordert bei Fernabsatzverträgen somit nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (lediglich) eine ausreichende Information des Verbrauchers über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 (und nicht über die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1). Die Verletzung weiterer, auf den Vertragsgegenstand bezogener Informationspflichten, die nicht in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannt werden, haben bei Fernabsatzverträgen dahingegen keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist.

bb) Für diese Sichtweise spricht neben dem Wortlaut auch die Systematik des § 356 Abs. 3 BGB. Denn für Finanzdienstleistungen wird ausdrücklich auf Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB verwiesen, der durch einen Verweis auf § 1 (des Art. 246b) auch die Informationspflichten einbezieht, was Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB a. F. gerade nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat für den Fernabsatzvertrag bewusst die Informationspflichten aus Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB und damit insbesondere die Angabe einer Telefonnummer aus dem Verweis in § 356 Abs. 3 BGB herausgenommen und fordert folglich die Erteilung der Informationspflichten nicht für den Beginn der Widerrufsfrist. Bei Fernabsatzverträgen genügt im Gegensatz zu Verträgen über Finanzdienstleistungen die Information nach § 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB.

cc) Den Gesetzgebungsmaterialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht grundsätzlich von einem telefonischen Widerruf ausging, weil neben dem Widerruf unter Verwendung des Widerrufsformulars lediglich die Möglichkeiten des Widerrufs per Post, E-Mail oder Telefax in Erwägung gezogen wurden. Die insoweit relevanten Informationspflichten waren auch nach dem Willen des Gesetzgebers in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB geregelt.
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dd) Auch folgt allein aus der Verpflichtung der Information über „das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts“ nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB nicht das zwingende Erfordernis der Angabe der Telefonnummer. Über die Form des Widerrufs ist nach der Norm gerade nicht aufzuklären, sodass auch nicht über einen telefonischen Widerruf mitsamt Telefonnummer zu informieren ist. Durch die Nichtangabe der Telefonnummer entsteht im Übrigen auch nicht der Eindruck, dass ein telefonischer Widerruf nicht möglich wäre, da im Weiteren nur beispielhaft verschiedene Kommunikationsformen dargestellt werden und ohnehin für den Widerruf kein Formzwang besteht. Auch aus dem Verweis auf das Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB folgt, dass der Unternehmer seinen Namen und seine Anschrift angeben muss, die Angabe der Telefonnummer aber gerade nicht zwingend ist: (“[hier ist der Name, die Anschrift und die E-Mail-Adresse des Unternehmers durch den Unternehmer einzufügen]”).“

Auch nach der EIS-Entscheidung des EuGH und nach einer BGH-Entscheidung ist die Angabe der Telefonnummer für den Beginn der Widerrufsfrist nicht notwendig. Zudem, so das Landgericht, ist es dem Käufer aus Treu und Glauben verwehrt, den (verspäteten) Widerruf geltend zu machen.

Verbraucher hätte ohnehin nicht telefonisch widerrufen

Die fehlende Angabe der Telefonnummer hätte sich in keiner Weise ausgewirkt, da der Kläger auch bei Angabe der Telefonnummer den Widerruf sicherlich nicht telefonisch erklärt hätte, da er über andere Kommunikationswege verfügte, die deutlich sicherer waren und die er auch genutzt hat.

„Auch ohne juristische Bildung ist es dem Verbraucher bewusst, dass er bei einem telefonischen Widerruf diesen in der Regel nicht beweisen kann.“

Diese Argumentation des Landgerichtes Arnsberg entspricht im Übrigen wohl der Praxis: Wir beraten seit vielen Jahren Internethändler. Uns ist nicht bekannt, dass in einem nennenswerten Umfang ein Widerruf eines Kaufvertrages telefonisch geltend gemacht worden wäre.

Unabhängig davon sollte natürlich eine Widerrufsbelehrung vollständig und korrekt sein, um solche Diskussionen zu vermeiden.

Wir beraten Sie bei der ordnungsgemäßen Gestaltung des Widerrufsrechtes beim Warenverkauf über das Internet.

Stand: 06.05.2024

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard