kein-schadenersatz-wenn-nach-unberechtigter-abmahnung-vertrieb-eingestellt-wird

BGH: Kein Schadenersatzanspruch, wenn nach einer Abmahnung ohne Grund der Vertrieb eingestellt wird

Soweit sich eine Abmahnung auf Produkte bezieht, können die Rechtsfolgen weitreichend sein:

Geltend gemachte Unterlassungsansprüche können zur Folge haben, dass das Produkt nicht mehr vertrieben werden darf, denkbar sind zudem Rückrufansprüche. Bei einer Markenrechtsverletzung können auch Vernichtungsansprüche geltend gemacht werden.

Das hektische Aktionismus nicht angebracht ist, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 19.09.2019, Az.: I ZR 116/18 „Chickenwings“.

Der dortige Kläger war im Jahr 2011 wegen der Verwendung bestimmter Hühnermotive (Chickenwings“) auf Grußkarten abgemahnt worden. Der Abmahner machte eine Verletzung von Marken-, Urheber- und Geschmacksmusterrechten geltend. Die Klägerin wies die Abmahnung zurück, stellte jedoch zunächst einmal den Verkauf der beanstandeten Grußkarten ein.

Etwas später reichte die Klägerin eine negative Feststellungsklage ein. Im Rahmen der negativen Feststellungsklage sollte geklärt werden, dass die Abmahnung unberechtigt war. Die Beklagte (der Abmahner) klagte daraufhin auf Unterlassung. Unterlassungsansprüche des Abmahners bestanden jedoch nicht.

2015 erging ein Urteil gegen den Abmahner, in dem festgestellt wurde, dass der Abmahner der Klägerin in Folge der Abmahnung den entstandenen Schaden zu ersetzen habe. In dem nunmehr vom BGH entschiedenen Verfahren forderte der Kläger Schadenersatz in Höhe von über 80.000,00 Euro für entgangenen Gewinn, Aufwendungen sowie den Rückruf und die Vernichtung der beanstandeten Grußkarten.

Um es an dieser Stelle zu verdeutlichen:

Der Kläger hatte zu keinem Zeitpunkt eine Unterlassungserklärung abgegeben. Es gab auch kein Urteil einer Untersagungsverfügung oder einstweilige Verfügung. Vereinfacht gesagt hatte der Klägerin ohne Not seine Produkte vom Markt genommen und vernichtet.

Demzufolge hatte die Vorinstanz, das Kammergericht Berlin, die Schadenersatzklage des Klägers abgewiesen.

Dies war damit begründet worden, dass der Kläger es schuldhaft unterlassen habe, Schaden abzuwenden. Das vorangegangene Feststellungsurteil, dass der Abmahner sämtlichen Schaden zu ersetzen haben, ändere daran nichts, da diese Tatsache dem Abmahner im Feststellungsprozess nicht bekannt gewesen sei.

Mitverschulden

Auch nach Ansicht des BGH lag ein überwiegendes Mitverschulden im Sinne des § 252 BGB des Klägers und Abgemahnten vor. Das Einstellen des Vertriebs sei so voreilig gewesen, dass diesbezüglich jeder Schadenersatzanspruch entfällt.

Das Bemerkenswerte an der BGH Entscheidung ist neben dem Sachverhalt, dass der BGH einen Schadenersatzanspruch trotz eines Feststellungsurteils zurückgewiesen hat.

Fazit

Gerade eine Abmahnung im Markenrecht oder Geschmacksmusterrecht (aktuell Designrecht genannt), die unberechtigt ist, kann als unberechtigte Schutzrechtsverwarnung Schadenersatzansprüche zur Folge haben.

Unabhängig davon, dies muss man immer im Einzelfall betrachten, gibt es für den Abgemahnten zunächst keinen Grund sofort aktiv zu werden, solange keine Unterlassungserklärung abgegeben wird, eine einstweilige Verfügung in der Welt ist oder ein vollstreckbares Urteil.

Dies bedeutet nicht, dass eine Abmahnung auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Wenn eine Abmahnung berechtigt ist, sollte unabhängig von der jeweiligen Reaktion (Unterlassungserklärung oder nicht) natürlich darauf geachtet werden, dass eine zu erwartende einstweilige Verfügung oder das Ergebnis einer Klage auch eingehalten werden kann.

Stand: 17.02.2020

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke