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Endgültig geklärt durch den BGH: Internethändler muss nicht über eine Herstellergarantie proaktiv informieren

Aktuell: Nach der unten erläuterten Vorabentscheidung des EuGH war die Entscheidung des BGH klar. Mehr hat der BGH (BGH Urteil vom 10.11.2022, Az. I ZR 241/19) endgültig entschieden:

Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Die Beklagte hat sich nicht unlauter verhalten, weil sie in ihrem Internetangebot keine näheren Angaben zu der im verlinkten Produktinformationsblatt erwähnten Herstellergarantie gemacht hat.

Die Beklagte hat sich nicht nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG aF (nun § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF) unlauter verhalten, weil sie den Verbrauchern keine nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF (nun Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB nF) vor Vertragsschluss zu erteilende Information über die Herstellergarantie vorenthalten hat. Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung der vorgenannten Bestimmungen, die der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU dienen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Unternehmer die Verbraucher vor Abschluss eines Kaufvertrags über die Bedingungen der Herstellergarantie informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht und so als Verkaufsargument einsetzt. Erwähnt er dagegen die Herstellergarantie nur beiläufig, so dass sie aus Sicht der Verbraucher kein Kaufargument darstellt, muss er keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen.

Im Streitfall stellt die Herstellergarantie kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar. Sie wird auf der Angebotsseite selbst nicht erwähnt, sondern findet sich an untergeordneter Stelle in einem Produktinformationsblatt. Auf dieses Produktinformationsblatt gelangt der Verbraucher nur, wenn er einen Link anklickt, der unter der Zwischenüberschrift “Weitere technische Informationen” steht und mit der Bezeichnung “Betriebsanleitung” versehen ist und daher eher auf eine technisch-funktionale Erläuterung hindeutet.

Die Beklagte hat mangels eines Verstoßes gegen die Marktverhaltensregelung des § 479 Abs. 1 BGB auch keine nach § 3a UWG unlautere Handlung begangen. Die in § 479 Abs. 1 BGB normierte Pflicht zur Information über den Gegenstand und den Inhalt einer (Hersteller-)Garantie greift erst ein, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet. Im Streitfall enthielt der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie noch kein verbindliches Garantieversprechen.

Aufgrund einer Vorlage des Bundesgerichtshofes hatte sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage zu befassen, ob bei dem Bestehen einer Herstellergarantie ein Internethändler, der ein entsprechendes Produkt anbietet, im Angebot selbst über die Garantiebedingungen informieren muss.

Diese Frage ist weitreichend: Zum einen ist dem Verkäufer nicht immer bekannt, ob es überhaupt eine Herstellergarantie gibt. Zum anderen müsste in derartigen Fällen bereits im Internet eine Garantieerklärung veröffentlicht werden, die alle formalen Anforderungen an eine Garantieerklärung gem. § 479 BGB erfüllt. In der Praxis, so unser Eindruck, sind Garantieerklärungen von Herstellern, sofern es sie überhaupt gibt, häufig nicht rechtskonform.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ist somit für den Internethandel von großer Reichweite.

Nunmehr hat der Europäische Gerichtshof das Urteil, Az: C-179/21 Victorinox veröffentlicht.

In der Sache selbst ging es um das Angebot eines Victorinox-Taschenmessers bei Amazon. In dem Link „Weitere technische Informationen“ gab es ein Informationsblatt des Herstellers. Dort wurde eine Garantie erwähnt, jedoch ohne Garantiebedingungen.

EuGH wägt ab

Die große Befürchtung war, dass der EuGH grundsätzlich entscheiden würde, dass bei Bestehen einer Herstellergarantie im Internet darüber zu informieren ist. Die Folgen wären weitreichend: Die Informationspflicht, die sich für Internethändler daraus ergibt, wäre in der Praxis kaum einzuhalten.

Dies sieht auch der EuGH so:

Die Information über eine Garantie stellt ein hohes Schutzniveau des Verbrauchers sicher. Die Verpflichtung, eine solche Information, nämlich die Garantieerklärung, stets zur Verfügung zu stellen, ist jedoch unverhältnismäßig. Die Pressemitteilung des EuGH zum Urteil fast es gut zusammen:

„Eine solche Verpflichtung würde Unternehmer nämlich dazu zwingen, die Information über eine solche Garantie mit erheblichem Aufwand zu sammeln und zu aktualisieren, obgleich zwischen ihnen und den Herstellern nicht notwendigerweise eine unmittelbare vertragliche Beziehung besteht und wie wohl die gewerbliche Herstellergarantie grundsätzlich nicht Gegenstand des Vertrages ist, den sie (gemeint sind die Verkäufer) mit dem Verbraucher abschließen möchten.“

Informationspflicht über Garantiebedingungen nur, wenn die vom Hersteller angebotene Garantie zentrales oder entscheidendes Merkmal des Angebotes

Diesen Aspekt erläutert der EuGH unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses des Verbrauchers:

 „Insoweit ist das Vorliegen eines solchen berechtigten Interesses anzuerkennen, wenn der Unternehmer die vom Hersteller angebotene gewerbliche Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht.

Die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83 genannte Informationspflicht kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn der Unternehmer die Aufmerksamkeit des Verbrauchers ausdrücklich auf das Bestehen einer gewerblichen Garantie des Herstellers lenkt, um daraus ein Verkaufs- oder Werbeargument herzuleiten und damit die Wettbewerbsfähigkeit oder die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zu den Angeboten seiner Wettbewerber zu verbessern.“

Keine Informationspflicht, wenn die Garantie nur beiläufig erwähnt wird

Für Internethändler bedeutet es ein erhebliches Mehr an Rechtssicherheit, dass selbst eine beiläufige Erwähnung einer Garantie keine Informationspflicht ausgelöst:

„Erwähnt das Angebot des Unternehmers die gewerbliche Garantie des Herstellers hingegen beiläufig oder in belangloser oder vernachlässigbarer Weise, so dass sie im Hinblick auf Inhalt und Ausgestaltung des Angebots objektiv weder als Geschäftsargument angesehen werden noch einen Irrtum beim Verbraucher hervorrufen kann, so kann der Unternehmer nicht schon aufgrund dieser bloßen Erwähnung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/81 verpflichtet sein, dem Verbraucher vorvertragliche Informationen über die Garantie zur Verfügung zu stellen.“

Welche Merkmale für die Beurteilung eine Rolle spielen führt der EuGH ebenfalls aus:

„Für die Feststellung, ob die gewerbliche Garantie des Herstellers ein zentrales oder entscheidendes Merkmal des Angebots des Unternehmers im Sinne von Rn. 44 des vorliegenden Urteils darstellt, sind Inhalt und allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der betroffenen Ware zu berücksichtigen sowie die Bedeutung der Erwähnung der gewerblichen Garantie des Herstellers als Verkaufs- oder Werbeargument, die Positionierung der Erwähnung der Garantie im Angebot, die Gefahr eines Irrtums oder einer Verwechslung, die durch eine solche Erwähnung bei einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher hinsichtlich der unterschiedlichen Garantierechte, die er geltend machen kann, oder hinsichtlich der tatsächlichen Identität des Garantiegebers hervorgerufen werden könnte, das Vorliegen von Erläuterungen zu weiteren mit der Ware verbundenen Garantien im Angebot und jeder weitere Gesichtspunkt, der ein objektives Schutzbedürfnis des Verbrauchers begründen kann.“

Da im vorliegenden Fall in einer Herstellerinformation, die über einen Link erreichbar war, über die Herstellergarantie informiert wurde, sah der EuGH diese Information nicht als zentrales Merkmal des Angebotes an.

Was bedeutet dies im Ergebnis?

Das Urteil des EuGH ist bemerkenswert praxisgerecht. Die große Befürchtung, dass der EuGH ohne Rücksicht auf die tatsächliche Situation nur anhand der gesetzlichen Vorgaben zu dem Ergebnis kommen, dass bei Bestehen einer Herstellergarantie auch über die Garantiebedingungen zu informieren ist, hat sich nicht bewahrheitet.

Nach unserer Auffassung muss über die Garantiebedingungen eine Herstellergarantie in einem Angebot nicht informiert werden, wenn

  • eine Herstellergarantie besteht, die im Angebot mit keinem Wort erwähnt wird oder
  • eine Herstellergarantie lediglich in verlinkten Unterlagen erwähnt wird oder
  • eine Herstellergarantie z.B. lediglich auf der Produktverpackung des Produktbildes erkennbar ist

Wie geht es weiter?

Nach der Entscheidung des EuGH wird nunmehr der BGH in dem entsprechenden Verfahren unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung eine Entscheidung treffen. Da in dem vom BGH entschiedenen Fall die Garantie in der Herstellerinformation erwähnt wurde, gehen wir davon aus, dass der BGH hier eine Informationsverpflichtung sieht.

Jedoch wird auch die Frage, ob bei einem Bestehen einer Herstellergarantie, ohne dass diese in der Artikelbeschreibung erwähnt wird, eine Informationspflicht besteht, der BGH in nächster Zeit eine Entscheidung treffen. In einem entsprechenden Verfahren, das aktuell zur Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof liegt, haben wir in den Vorinstanzen den beklagten Händler vertreten.

Stand: 06.05.2022

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard