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Leitsätze (amtlich):
a) Der Telefonnetzbetreiber und nicht der Anschlußinhaber trägt das
Risiko der heimlichen Installation eines automatischen Einwahlprogramms
(sogenannter Dialer) in einen Computer, das für den durchschnittlichen
Anschlußnutzer unbemerkbar die Verbindungen in das
Internet über eine Mehrwertdienstenummer herstellt, sofern der Anschlußnutzer
dies nicht zu vertreten hat (Rechtsgedanke des § 16
Abs. 3 Satz 3 TKV).
b) Es obliegt dem Anschlußnutzer nicht, Vorkehrungen gegen sogenannte
Dialer zu treffen, solange kein konkreter Hinweis auf einen
Mißbrauch vorliegt.
BGH, Urteil vom 4. März 2004 – III ZR 96/03 – Kammergericht LG Berlin
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Galke und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 26. Zivilsenats
des Kammergerichts in Berlin vom 27. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Vergütung für
die Inanspruchnahme von Telefonmehrwertdiensten.
Die Klägerin betreibt im Raum B. ein Telekommunikationsnetz für die
Öffentlichkeit und stellt ihren Kunden Teilnehmeranschlüsse zur Verfügung.
Für Verbindungen, die nicht zwischen ihren Netzkunden hergestellt werden,
nimmt die Klägerin das Netz der D. T. AG (nachfolgend DTAG)
entgeltlich in Anspruch. Bei der Anwahl von 0190- oder 0900-Mehrwertdiensten
wird die Verbindung von der DTAG zu dem Inhaber der Zuteilung der 0190-
oder 0900-Rufnummer weitergeleitet, der in der Regel ebenfalls als Telekommunikationsunternehmen
(Plattformbetreiber) tätig ist. Dieser stellt seinerseits
die Rufnummern den Diensteanbietern zur Verfügung und leitet die eingehenden
Verbindungen an diese weiter. Zwischen dem Anschlußkunden und der
Klägerin, der Klägerin und der DTAG, der DTAG und dem Plattformbetreiber
sowie zwischen diesem und dem Diensteanbieter bestehen jeweils gesonderte
Verträge.
Die Beklagte hatte mit der Klägerin einen Vertrag über die Bereitstellung
eines ISDN-Telefonanschlusses geschlossen. Einbezogen waren die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin, die auszugsweise wie folgt lauteten:
“4.1 Soweit der Kunde Leistungen der B. (= Klägerin)
in Anspruch nimmt, ist er zur Zahlung der Vergütungen verpflichtet,
wie sie sich aus den veröffentlichten und dem Kunden bei
Vertragsschluß bekanntgegebenen Tarifen im einzelnen ergeben.
Die Vergütungspflicht trifft den Kunden auch dann, wenn sein Anschluß
durch Dritte benutzt wurde und der Kunde diese Nutzung
zu vertreten hat.”
Nach der Preisliste der Klägerin waren für die Inanspruchnahme von
Mehrwertdiensten an die Klägerin Entgelte zwischen 0,41414 und 1,85599
pro Minute zu entrichten. Für die Verbindungen, bei deren Herstellung die Klägerin
das Netz der DTAG in Anspruch nimmt, hat sie an diese einen Teil der
von ihr vereinnahmten Beträge abzuführen. Der ihr verbleibende Anteil ist bei
der Nutzung von Mehrwertdiensten höher als bei der Anwahl von geographischen
Rufnummern.
Von Mai bis August 2000 wurde von dem Anschluß der Beklagten eine
Vielzahl von Verbindungen zu der Rufnummer 0190-………… hergestellt. Hierfür
berechnete die Klägerin auf der Grundlage ihrer Preisliste insgesamt
15.770,92 DM. Die genannte Nummer ist an einen H. H. vergeben, von
dem lediglich eine spanische Postfachadresse bekannt ist. Darüber hinaus
wurden weitere Mehrwertdienste angewählt, für die die Klägerin 1.201,28 DM
in Rechnung stellte.
Die Beklagte hat behauptet, die Verbindungen zu der oben genannten
0190-Nummer seien durch ein heimlich installiertes Einwahlprogramm, einen
sogenannten Dialer, hergestellt worden. Ihr seinerzeit 16-jähriger Sohn habe
aus dem Internet eine Datei namens “…………….exe” auf seinen Computer heruntergeladen,
von der er sich eine bessere Bilddarstellung versprochen habe.
Nachdem er bemerkt habe, daß lediglich eine teure 0190-Verbindung zu Erotikseiten
hergestellt wurde, habe er die Datei gelöscht. Diese habe aber zuvor
die Einstellungen im Datenfernübertragungsnetzwerk (DFÜ-Netzwerk) heimlich
derart verändert, daß sämtliche Verbindungen in das Internet nicht mehr über
die Standardeinwahl der Klägerin erfolgten, sondern über die Nummer 0190-
…, ohne daß dies jeweils bemerkbar gewesen sei.
Die Klage, mit der außer dem Entgelt für die Verbindungen zu der vorgenannten
Nummer auch weitere Forderungen geltend gemacht wurden, hatte
vor dem Landgericht Erfolg. Das Kammergericht (NJW-RR 2003, 637) hat die
Klage bis auf eine Teilsumme, die andere Verbindungen betraf, und den Betrag,
den die Beklagte zu zahlen gehabt hätte, wenn die strittigen Einwahlen in
das Internet über die Standardverbindung der Klägerin erfolgt wären, abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat bei seiner rechtlichen Würdigung den Sachvortrag
der Beklagten zum Zustandekommen der Verbindungen zu der vorgenannten
Nummer als zutreffend zugrunde gelegt. Es hat die Klageabweisung
im wesentlichen auf die Erwägung gestützt, dem Anspruch der Klägerin wegen
der Anwahl der Nummer 0190-……….. stehe ein Schadensersatzanspruch der
Beklagten aus culpa in contrahendo in Verbindung mit § 278 BGB gegenüber.
Dieser sei darauf gerichtet, sie so zu stellen, als ob die Einwahl in das Internet
über die von der Klägerin angebotene Standardverbindung erfolgt wäre. Die
Klägerin müsse sich das Verhalten des Diensteanbieters H. nach § 278
BGB zurechnen lassen. Dieser sei Verhandlungsgehilfe für den Abschluß der
jeweiligen Einzelverträge gewesen, die aufgrund der Wahl der genannten Ziffernfolge
im Rahmen des Vertrages zwischen den Parteien zustande gekommen
seien. Die Klägerin sei mittels ihrer vertraglichen Beziehungen zur DTAG
als Wiederverkäuferin der Leistung des Mehrwertdiensteanbieters aufgetreten.
Sie müsse damit das Risiko von Einwendungen des Anschlußinhabers tragen.
Die Herstellung von Verbindungen zum Mehrwertdiensteanbieter sei aufgrund
des eigenen wirtschaftlichen Interesses der Klägerin hieran auch nicht als
neutrales Geschäft anzusehen. Der Diensteanbieter H. habe seine Sorgfaltspflichten
gegenüber den potentiellen Kunden schuldhaft verletzt, indem er
es unterlassen habe, darauf hinzuweisen, daß sich mit dem Herunterladen des
scheinbar der Verbesserung der Bilddarstellung dienenden Programms ein
sog. Dialer im DFÜ-Netzwerk installiere.
II.
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe entscheidungserheblichen
Vortrag übergangen. Es habe nicht berücksichtigt, daß die Klägerin die Behauptung
der Beklagten, die Anwahl der Telefonnummer 0190-………. sei ausschließlich
durch einen Dialer erfolgt, bestritten habe. Vielmehr begründe die
Tatsache, daß von dem Anschluß der Beklagten weitere 0190-Nummern angerufen
worden seien, die Vermutung, daß es sich insgesamt bei der Anwahl solcher
Nummern nicht um unbewußte Nutzungen gehandelt habe. Diese Rüge ist
unbegründet.
Das Berufungsgericht hat die entsprechende Behauptung der Beklagten
im Tatbestand seines Urteils als strittig gekennzeichnet.
Auch in den Entscheidungsgründen hat es sich mit der Frage auseinandergesetzt,
ob sich durch das Herunterladen der Datei “……………exe” auf den
vom Sohn der Beklagten benutzten Computer heimlich ein Dialer installierte,
der Einwahlen in das Internet unbemerkbar zu der Rufnummer 0190-……….
umleitete. Das Berufungsgericht hat dies unter Hinweis auf die unbestritten
gebliebenen, von der Beklagten vorgelegten Bildschirmausdrucke bejaht. Es
hat ferner als lebensfremd gewürdigt, daß die Beklagte oder ihr Sohn bei zutreffender
Information über den Dialer die Einwahl in das Internet über die
0190-Nummer des H. vorgenommen hätten. Diese Ausführungen zeigen,
daß das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin, dessen Berücksichtigung
die Revision vermißt, einbezogen hat. Die Würdigung des Sachverhalts
hält sich in den Grenzen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.
III.
In materiellrechtlicher Hinsicht hält das Berufungsurteil im Ergebnis der
revisionsrechtlichen Prüfung stand.
1. Durch den Abschluß des als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierenden
Telefondienstvertrages verpflichtete sich die Klägerin, der Beklagten den Zugang
zu dem öffentlichen Telekommunikationsnetz zu eröffnen und zu ermöglichen,
unter Aufbau abgehender und Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen
mit anderen Teilnehmern eines Telefonfest- oder Mobilfunknetzes
Sprache und sonstige Daten auszutauschen (vgl. Senat, Urteil vom 2. Juli
1998 – III ZR 287/97 – NJW 1998, 3188, 3191; Graf v. Westphalen/Grote/Pohle,
Der Telefondienstvertrag, 2001, S. 21, 25; so auch zum Mobilfunkvertrag: Senat,
Urteil vom 22. November 2001 – III ZR 5/01 – NJW 2002, 361, 362). Die
wechselseitigen Ansprüche der Parteien richten sich nach diesem Vertragsverhältnis.
Nimmt der Anschlußkunde einen sogenannten Mehrwertdienst in Anspruch,
zu dem die Verbindung regelmäßig über eine mit den Ziffernfolgen
0190 oder 0900 beginnende Nummer hergestellt wird, tritt nach der vorzitierten
Entscheidung des Senats vom 22. November 2001 (aaO) ein weiteres Rechtsverhältnis
hinzu. Neben der die technische Seite des Verbindungsaufbaus betreffenden
und im Rahmen des Telefondienstvertrages zu erbringenden Dienstleistung
des Netzbetreibers (vgl. § 3 Nr. 16, 19 TKG) entsteht ein Rechtsverhältnis
mit dem Anbieter der die inhaltliche Seite des Vorgangs betreffenden
Dienstleistung. Bei dieser weiteren Dienstleistung handelt es sich um Teledienste
im Sinne des Teledienstegesetzes (Senatsurteil vom 22. November
2001 aaO, m.w.N.). Nach § 5 Abs. 1 und 3 TDG in der hier maßgeblichen Fassung
(jetzt: § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 TDG in der Fassung des Gesetzes über
rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr vom
14. Dezember 2001, BGBl. I S. 3721) trifft die Verantwortlichkeit für den Inhalt
der angebotenen Dienste grundsätzlich nur den Diensteanbieter, nicht aber
daneben auch den den Zugang zur Nutzung vermittelnden Netzbetreiber. Hieraus
hat der Senat den Schluß gezogen, daß der Einwand der Sittenwidrigkeit
der Leistung des Diensteanbieters den Anspruch des Netzbetreibers auf das
für die Herstellung der 0190-Sondernummer-Verbindung geschuldete erhöhte
Entgelt unberührt läßt. Diese Rechtsprechung hat in der Literatur vielfältige
Kritik erfahren (ablehnend: Härting, recht der mehrwertdienste – 0190/0900 -,
2004, Rn. 120; ders. DB 2002, 2147, 2148 f; Klees CR 2003, 331, 335 f; Hoffmann
ZIP 2002, 1705, 1706 ff; Fluhme NJW 2002, 3519, 3520 f; Spindler JZ
2002, 408 ff; Koos K&R 2002, 617, 618 ff; zustimmend: Schlegel MDR 2004,
125, 126; Eckhardt CR 2003, 109 ff; Draznin MDR 2002, 265 ff).
Die rechtlichen Erwägungen des Senats in der vorzitierten Entscheidung
sind mit Inkrafttreten der Zweiten Verordnung zur Änderung der Telekommunikations-
Kundenschutzverordnung (TKV) vom 20. August 2002 (BGBl. I
S. 3365), durch die § 15 Abs. 3 TKV eingefügt wurde, in weiten Teilen obsolet
geworden. Nach dieser Bestimmung hat der die Telefonrechnung erstellende
Netzbetreiber den Kunden darauf hinzuweisen, daß er begründete Einwendungen
gegen einzelne in Rechnung gestellte Forderungen erheben kann. Mit dieser
Regelung sollten die Rechte des Verbrauchers gegenüber dem die Rechnung
erstellenden Telekommunikationsunternehmen gerade mit Blick auf die
Nutzung von Mehrwertdiensten in dem Sinne gestärkt werden, daß sich der
Rechnungsersteller über begründete Einwendungen des Rechnungsempfängers
nicht hinwegsetzen darf (vgl. BR-Drucks. 505/02, Begründung zum Verordnungsentwurf
der Bundesregierung S. 3, 5) Allerdings würde sich am Ergebnis,
nicht zuletzt unter Berücksichtigung des inzwischen in Kraft getretenen
Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember
2001 (BGBl. I S. 3983), nichts ändern. Hierauf näher einzugehen, bietet
der hier zu beurteilende Fall allerdings keinen Anlaß.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des strittigen Betrages
aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Telefondienstvertrag. Aus dem
zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis ergibt sich nicht, daß die
Beklagte der Klägerin eine Vergütung nach den erhöhten Tarifen der 0190-
Nummern für die Verbindungen in das Internet schuldet, die der heimlich installierte
sog. Dialer hergestellt hat.
a) Dies folgt allerdings nicht schon unmittelbar aus § 16 Abs. 3 Satz 3
TKV. Nach dieser Bestimmung ist der Netzbetreiber nicht berechtigt, Verbin-
dungsentgelte zu fordern, soweit der Netzzugang in vom Kunden nicht zu vertretenden
Umfang genutzt wurde, oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen,
daß die Höhe der Verbindungsentgelte auf Manipulationen Dritter an öffentlichen
Telekommunikationsnetzen zurückzuführen ist. Die Vorschrift ist nicht
unmittelbar einschlägig. Die Bestimmung regelt nicht die Folgen eines Sachverhalts
wie des vorliegenden, in dem durch Manipulationen Dritter im Datenbestand
des Anschlußendgeräts die Art der Nutzung des Netzzugangs durch
den Kunden oder einer sonst berechtigten Person unbemerkt verändert wird.
Vielmehr bestimmt sie die Rechtsfolgen von physischen Zugriffen auf den
Netzzugang (vgl. die amtliche Begründung zu § 15 des Verordnungsentwurfs
der Bundesregierung = § 16 TKV in BR-Drucks. 551/97, S. 36: “Nutzung des
Netzzugangs in den Räumlichkeiten des Kunden”, und die Beispiele bei Ehmer
in Beckscher TKG-Kommentar, 2. Aufl., Anh. § 41, § 16 TKV Rn. 18), durch die
sich Dritte anstelle des Kunden die Leistungen des Telekommunikationsnetzes
zunutze machen.
b) Jedoch weist der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag der
Klägerin und nicht dem Anschlußkunden das Risiko der unbemerkten Herstellung
von Verbindungen durch heimliche Manipulationen Dritter an den Daten
des Endgeräts zu, soweit der Kunde dies nicht zu vertreten hat. Dies ergibt
sich aus einer ergänzenden Auslegung des Vertrages, wobei der Rechtsgedanke
des § 16 Abs. 3 TKV herangezogen werden kann (vgl. auch
Burg/Gimnich DRiZ 2003, 381, 385, die sich ebenfalls auf den Rechtsgedanken
von § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV berufen). Der Senat ist zu einer ergänzenden
Auslegung des möglicherweise nur im Bezirk des Kammergerichts anwendbaren
Vertrages befugt (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 545 Rn. 7; siehe
auch BGHZ 24, 159, 164).
aa) Eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließende
Regelungslücke besteht, wenn der Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten
Rahmens oder innerhalb der objektiv gewollten Vereinbarung ergänzungsbedürftig
ist, weil eine Vereinbarung in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt
(z.B.: Senatsurteile BGHZ 125, 7, 17; 84, 1, 7 und BGHZ 77, 301, 304; Bamberger/
Roth/Wendtland, BGB, § 157 Rn. 35). Unmaßgeblich ist grundsätzlich,
auf welchen Gründen die Unvollständigkeit der Regelung beruht (Senat in
BGHZ 84 aaO; Bamberger/Roth/Wendtland aaO, Rn. 36). Die ergänzende Vertragsauslegung
kommt allerdings zumeist nicht in Betracht, wenn das dispositive
Recht Regelungen für die offen gebliebene Problematik bereit hält (BGHZ
77 aaO; 40, 91, 103; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl, § 157 Rn. 4).
Die Voraussetzungen für die ergänzende Vertragsauslegung sind hier
erfüllt. Dem Vertrag zwischen den Parteien liegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Klägerin (nachfolgend AGB) zugrunde. Eine Regelung darüber,
ob der Anschlußkunde das tarifliche Entgelt auch für Verbindungen zu
zahlen hat, die ein von Dritten heimlich im DFÜ-Netzwerk installierter Dialer
unbemerkt herstellt, ist in dem Vorschriftenwerk nicht enthalten. Nummer 4.1
Satz 2 AGB ist ersichtlich an § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV angelehnt und trifft daher
die zu beurteilende Fallkonstellation nicht unmittelbar. Die Ergänzung dieses
offenen Punktes ist geboten, weil eine interessengerechte Lösung der vorliegenden
Problematik innerhalb des ausdrücklich vereinbarten Regelwerkes
nicht gefunden werden kann, jedoch eine Regelung, nicht zuletzt wegen der
erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung für die Vertragsparteien, zwingend erforderlich
ist. Dispositive gesetzliche Bestimmungen, die das Vertragswerk zu
dem fraglichen Punkt vervollständigen könnten, existieren nicht.
bb) Die ergänzende Vertragsauslegung richtet sich danach, was die Parteien
bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und
Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten
Fall bedacht hätten (z.B.: Senat in BGHZ 84 aaO; Bamberger/
Roth/Wendtland aaO, Rn. 41; Palandt/Heinrichs aaO, Rn. 7). Bei der Ermittlung
dieses hypothetischen Parteiwillens sind in erster Linie die in dem
Vertrag schon vorhandenen Regelungen und Wertungen zu berücksichtigen
(z.B.: BGHZ 77 aaO; Bamberger/Roth/Wendtland aaO, Rn. 40; Palandt/
Heinrichs aaO). Die hieraus herzuleitende Vertragsauslegung muß sich
als zwanglose Folge aus dem gesamten Zusammenhang des Vereinbarten ergeben
(BGHZ 77 aaO; 40, 91, 104; Bamberger/Roth/Wendtland aaO).
Demnach sind Ausgangspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung im
hier zur Entscheidung stehenden Fall der zwischen den Parteien geschlossene
Telefondienstvertrag und die ihm zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Klägerin.
Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet,
daß der Diensteanbieter H. , also im Rechtsverhältnis zwischen
den Parteien ein Dritter, die Einstellungen im DFÜ-Netzwerk des Computers
des Sohnes der Beklagten heimlich verändert hat. Die AGB enthalten eine Regelung
über die Zurechnung des Zugriffs Dritter auf den Teilnehmeranschluß in
Nummer 4.1 Satz 2. Nach dieser Bestimmung trifft den Kunden nur dann eine
Vergütungspflicht für die Benutzung seines Anschlusses durch Dritte, wenn er
diese zu vertreten hat. Nummer 4.1 Satz 2 der AGB und der inhaltsgleiche § 16
Abs. 3 Satz 3 TKV grenzen damit die Risikosphären zwischen dem Netzanbie-
ter und dem Anschlußkunden unter dem Gesichtspunkt voneinander ab, ob der
Kunde die Nutzung seines Netzzugangs zu vertreten hat.
Diese Abgrenzung der Risikobereiche ist als in dem Telefondienstvertrag
angelegte grundsätzliche Wertung auf die Installation eines Dialers durch
Dritte übertragbar (ähnlich: LG Kiel CR 2003, 684, 685; AG Freiburg NJW
2002, 2959; a.A.: LG Mannheim NJW-RR 2002, 995, 996). Der in den vorgenannten
Bestimmungen geregelte Sachverhalt kommt dem hier zu beurteilenden
sehr nahe. Beide haben denselben Kern: Ein Dritter verschafft sich durch
den Zugriff auf einen Telekommunikationsanschluß zu Lasten seines Inhabers
Nutzungsvorteile. Beide Sachverhalte unterscheiden sich allerdings durch den
Weg, auf dem der Dritte auf den Anschluß des Kunden zugreift, und durch die
Art der (mißbräuchlichen) Nutzung. Diese Unterschiede in den technischen
Details bilden jedoch keine sachliche Grundlage für eine verschiedene Bewertung
beider Sachverhalte im Verhältnis zwischen Anschlußkunden und Netzbetreiber.
Allein die Erweiterung dieser in Nummer 4.1 Satz 2 AGB und in § 16
Abs. 3 Satz 3 TKV vorgenommenen Risikoverteilung auf die hier zu entscheidende
Konstellation führt zu einem angemessenen Ausgleich der objektiven
Interessen der Vertragsparteien.
Hierbei ist maßgebend zu berücksichtigen, daß die Klägerin, wie andere
Netzanbieter auch, mit der Eröffnung des Zugangs zu den Mehrwertdiensten
für den geschäftlichen Verkehr ein Risiko veranlaßt hat (vgl. zu diesem Kriterium
für die Abgrenzung von Risikosphären BGHZ 150, 286, 296; 114, 238,
245). Die Mehrwertdienste sind, wie nicht zuletzt der hier zu entscheidende
Sachverhalt zeigt, in erhöhtem Maße mißbrauchsanfällig (vgl. auch Buchstabe
A. des Entwurfs der Bundesregierung zur Zweiten Verordnung zur Änderung
der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung, BR-Drucks. 505/02, S. 1
des Vorblatts; Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses des Bundesrats zu
dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs von 0190er-/
0900er-Mehrwertdiensterufnummern, BR-Drucks. 248/1/03, S. 5, Nr. 9). Die
Klägerin zieht aus der risikobehafteten Nutzung der Mehrwertdienste wirtschaftliche
Vorteile, da sie für die Herstellung von Verbindungen zu diesen
Diensten, auch unter Berücksichtigung der an die DTAG abzuführenden Beträge,
von ihren Kunden ein höheres Entgelt erhält als bei der Inanspruchnahme
der Standarddienstleistungen. Genießt die Klägerin wirtschaftlichen Nutzen
aus einem von ihr mitveranlaßten, mißbrauchsanfälligen System, ist es angemessen,
sie die Risiken solchen Mißbrauchs tragen zu lassen, den ihre Kunden
nicht zu vertreten haben.
c) Die Beklagte hat die Nutzung ihres Telefonanschlusses für die von
dem Dialer hergestellten Verbindungen in das Internet jedenfalls insoweit nicht
zu vertreten, als hierdurch Kosten verursacht wurden, die diejenigen der Inanspruchnahme
des von der Klägerin bereitgestellten Standardzugangs überschritten.
aa) Die Einwahlen in das Internet durch ihren Sohn als solche sind der
Beklagten zuzurechnen. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend berücksichtigt
und die Beklagte zur Zahlung der Vergütung verurteilt, die für die Inanspruchnahme
der Interneteinwahlnummer der Klägerin zu entrichten gewesen
wäre.
bb) Nicht zu vertreten hat sie hingegen, daß der Dialer die Verbindungen
mit der teureren Nummer 0190-……….. herstellte und nicht die Standardnummer
der Klägerin verwendet wurde. Zu vertreten im Sinne von Nummer 4.1
Satz 2 AGB und § 16 Abs. 3 Satz 3 TKG hat der Anschlußinhaber entsprechend
§ 276 Abs. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit (zu § 16 TKG: Ehmer aaO
Rn. 17; Nießen in: Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Kommentar,
Stand 7/03, C § 41/§ 16 TKV, Rn. 49). Ferner muß er sich das Verhalten
derjenigen, denen er Zugang zu dem Netzanschluß gewährt, entsprechend
§ 278 BGB zurechnen lassen.
Die Beklagte und ihr Sohn handelten bei dem Gebrauch ihres Computers
und des Internetzugangs in der Zeit von Mai bis August 2000 im Hinblick
auf den Dialer nicht fahrlässig.
(1) Der Sohn der Beklagten verstieß nicht gegen die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt, indem er die vorgebliche Bildbeschleunigungsdatei, in der
sich der Dialer verbarg, lediglich löschte und nicht auch die durch den Dialer
bewirkten Veränderungen der Einstellungen im DFÜ-Netzwerk rückgängig
machte. Der durchschnittliche Internetbenutzer muß nicht damit rechnen, daß
sich in harmlos erscheinenden Dateien illegale Dialer verstecken, die nicht
durch bloßes Löschen unschädlich gemacht werden können.
(2) Es bestand für die Beklagte und ihren Sohn auch keine besondere
Veranlassung, die Zugangsprogramme darauf hin zu überprüfen, ob sich ein
Dialer eingeschlichen hatte, da sie keinen Hinweis hierauf hatten. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts war es bei der normalen, standardmäßigen
Nutzung des auf dem Rechner der Beklagten installierten Internetzu-
gangsprogramms nicht zu erkennen, daß sich der Dialer einnistete, die Einstellungen
im DFÜ-Netzwerk veränderte und die Einwahl in das Internet über
die teure 0190-Verbindung herstellte.
(3) Weiterhin oblag es der Beklagten nicht, vorsorglich ohne besondere
Verdachtsmomente für einen Mißbrauch (hier: Zugang der Rechnung Ende
August 2000), gleichsam routinemäßig den Computer auf Dialer zu überprüfen,
den Aufbau von Verbindungen in das Internet zu überwachen und nur mit ausdrücklicher
Freigabe zuzulassen sowie ein sogenanntes Dialerschutzprogramm
einzusetzen. Soweit derartige Vorkehrungen in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung
gefordert werden (z.B.: AG Wiesbaden CR 2003, 754 [Leitsatz]; AG
München NJW 2002, 2960 [Leitsatz]; zustimmend: Burg/Gimmich aaO,
S. 384 f; wie hier: LG Kiel aaO), ist dem nicht zu folgen.
(4) Schließlich war die Beklagte auch nicht gehalten, vorsorglich ohne
konkrete Anhaltspunkte für einen Mißbrauch den Zugang zu sämtlichen Mehrwertdienstenummern
sperren zu lassen, um ihren Sorgfaltsobliegenheiten im
Verhältnis zur Klägerin nachzukommen.
3. Die Klägerin, die allein einen Anspruch aus eigenem Recht geltend
macht, könnte auch keinen Anspruch aus einem Vertrag zwischen der Beklagten
und dem Diensteanbieter H. herleiten.
Dabei kann offen bleiben, ob der Netzbetreiber nach § 15 Abs. 1 TKV
überhaupt berechtigt ist, Ansprüche von Mehrwertdiensteanbietern auch gerichtlich
im eigenen Namen geltend zu machen (ablehnend z.B.: Piepenbrock/
Müller MMR 2000, Beilage 4, S. 15; Hoffmann aaO, S. 1707). Ebenso bedarf
es keiner Entscheidung, ob eine vertragliche Beziehung zwischen der Beklag-
ten und dem Mehrwertdiensteanbieter ausscheidet, weil es bei der Herstellung
der Verbindungen zu dem Dienst am Erklärungsbewußtsein des Sohnes der
Beklagten fehlte (so für die Anwahl durch einen heimlichen Dialer: LG Kiel
aaO; AG Mönchengladbach NJW-RR 2003, 1208, 1209; Braun ZUM 2003,
200, 203; Härtig, recht der mehrwertdienste – 0190/0900, Rn. 51 f; Koenig/
Koch TKMR 2002, 457), oder ob eine mögliche Willenserklärung des Anschlußnutzers
wegen Inhaltsirrtums oder arglistiger Täuschung anfechtbar ist
(vgl. Hein, Neue Juristische Internet-Praxis 2003, 6, 11; Klees aaO; Winter CR
2002, 899) und ob hier eine Anfechtungserklärung dem richtigen Anfechtungsgegner
gegenüber abgegeben worden ist.
In Fällen wie dem vorliegenden könnte nämlich dem Mehrwertdiensteanbieter
ein Anspruch – wenn nicht schon aus culpa in contrahendo, so jedenfalls
– aus § 826 BGB entgegengehalten werden.
a) Grundlage eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB kann
unter anderem die Veranlassung zum Vertragsschluß durch eine vorsätzliche
Täuschung sein (Senatsurteil vom 7. März 1985 – III ZR 90/83 – WM 1985, 866,
868; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 826 Rn. 20; Staudinger/Oechsler, BGB
(2003), § 826 Rn. 149; vgl. auch: BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 – II ZR
178/90 – NJW 1992, 3167, 3174). Sollte im hier zur Beurteilung stehenden Fall
ein Vertragsschluß anzunehmen sein, hätte der Diensteanbieter H. diesen
vorsätzlich in sittenwidriger Weise durch Täuschung erschlichen. H. hat,
wie das Berufungsgericht festgestellt hat, über den Inhalt der Datei
“………….exe” getäuscht. Die Werbung für die angebotene Software, in der der
Dialer verborgen war, war so gehalten, daß sich der falsche Eindruck aufdrängte,
es handele sich bei dem herunterzuladenden Programm um ein solches, mit
dem eine verbesserte Übertragungsgeschwindigkeit bei der Internetnutzung erreicht
werden konnte. Zudem war der verschleiernde Hinweis gegeben, das
Herunterladen des Programms sei ungefährlich, weil es frei von Viren sei. Darüber
hinaus wurde nicht deutlich, daß ein Löschen des Programms die Veränderungen
der Computereinstellungen nicht rückgängig machte, sondern daß
dafür ein besonderes Programm erforderlich war. Zwar war ein Hinweis auf ein
Programm zur Entfernung der Datei gegeben worden. Dieser enthielt aber nicht
den entscheidenden Punkt, daß nur so die erfolgten Änderungen rückgängig
gemacht werden konnten. Das gesamte Vorgehen H.’s war auf eine Täuschung
über den Inhalt des Programms angelegt. Hierdurch sollten die Computernutzer
zu seinem Vorteil zur unbemerkten Verwendung der teuren 0190-
Verbindung bei der Einwahl in das Internet und damit zu dem (möglichen) Vertragsschluß
veranlaßt werden. Ein derartiges Vorgehen verstößt, unabhängig
von seiner eventuellen strafrechtlichen Relevanz (vgl. hierzu Buggisch NStZ
2002, 178, 179 ff), gegen die guten Sitten. Es ist ferner auf die Schädigung der
Internetnutzer beziehungsweise der Anschlußinhaber durch überhöhte Telefonentgelte
gerichtet. Bei alledem handelte H. vorsätzlich. Der Vorsatz bezog
sich auch auf die Schädigung. Insoweit genügt der hier mindestens vorliegende
dolus enventualis (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 – IX ZR 209/98 – NJW
2001, 3187, 3189; Bamberger/Roth/Spindler aaO, Rn. 10; MünchKomm-BGB/
Wagner, 4. Aufl., § 826 Rn. 19).
b) Der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB ist, sofern infolge des
vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens des Schädigers ein Vertragsschluß
bewirkt wurde, nach § 249 Abs. 1 BGB darauf gerichtet, den Geschädigten so
zu stellen, als ob vertragliche Beziehungen nicht bestünden (Bamberger/Roth/
Spindler aaO, Rn. 20; MünchKomm-BGB/Wagner aaO, Rn. 43; Staudinger/
Oechsler aaO, Rn. 153; vgl. auch: BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 – IX ZR
121/99 – NJW 2000, 2669, 2670). Dieser Anspruch besteht unabhängig von der
Anfechtbarkeit des Vertrages (Bamberger/Roth/Spindler aaO, Rn. 2, 20;
MünchKomm-BGB/Wagner aaO, Rn. 40 jew. m.w.N.).
4. Das Berufungsurteil hält auch hinsichtlich der übrigen Forderungen, wegen
der das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat, im Ergebnis der
rechtlichen Nachprüfung stand. Dies gilt insbesondere für den geltend gemachten
Schadensersatzanspruch wegen entgangener Grundgebühren in Höhe von
486,35 _DM), den das Berufungsgericht mit zutreffenden Erwägungen
abgewiesen hat. Insoweit erhebt die Revision auch keine Beanstandungen.
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Galke Herrmann
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