ecommerce43
I ZR 222/00 Verkündet am:
3. April 2003
Internet-Reservierungssystem
UWG § 1; PAngV § 1 Abs. 1 und Abs. 6
Der Anbieter eines Reservierungssystems für Linienflüge im Internet verstößt
nicht deshalb gegen § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 PAngV, weil das System bei der
erstmaligen Bezeichnung von Preisen nicht bereits den Endpreis angibt, sondern dieser erst bei der fortlaufenden Eingabe in das Reservierungssystem ermittelt wird, wenn der Nutzer hierauf zuvor klar und unmißverständlich hingewiesen
wird.
BGH, Urteil vom 3. April 2003 – I ZR 222/00 – OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Dr. Büscher und
Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
München vom 13. Juli 2000 wird auf Kosten der Beklagten
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die ein Reisebüro betreibt, bietet im Internet ein Reservierungssystem
für Linienflüge und Pauschalreisen an, das sie auch anderen Reisebüros
zur Verfügung stellt.
Nach fortlaufender Eingabe von Reisedaten (u.a. Abflughafen, Reiseziel
und Reisezeit) über mehrere Internet-Seiten kann der Nutzer die gewünschte
Reise mit dem abschließend kalkulierten Reisepreis auswählen. Die Angaben
umfassen den Tarif und die Steuern pro Person und graphisch hervorgehoben
den Gesamtpreis.
Vor der erstmaligen Anzeige von Flugtarifen erscheint auf einer der Internet-
Seiten des Systems der Hinweis:
“Alle ausgewiesenen Tarife verstehen sich zuzüglich Steuern und
Flughafengebühren. Da die anfallenden Steuern und Gebühren
vom jeweiligen Flugziel und vom Routing abhängig sind, wird der
endgültige Flugpreis erst nach Auswahl der gewünschten Flugverbindung
angezeigt.”
Auf der folgenden Internet-Seite werden die in Betracht kommenden Flüge
mit den Flugtarifen ohne Steuern und Flughafengebühren angeführt. In weiteren
Schritten ermittelt das System die Verfügbarkeit freier Plätze auf den vom
Nutzer ausgewählten Flügen und weist den kalkulierten Gesamtpreis hierfür
aus. Anschließend besteht die Möglichkeit zur Buchung.
Die Beklagte ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
Sie hat das Reservierungssystem der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen
die Preisangabenverordnung beanstandet und Reisebüros, die das System der
Klägerin nutzen, abgemahnt, weil vor Angabe des Endpreises auf den Internet-
Seiten bereits Flugtarife ohne Steuern und Flughafengebühren angegeben
werden.
Die Beklagte ist zudem der Auffassung, die Klägerin sei aufgrund einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 12. November 1997 verpflichtet,
die beanstandete Werbung zu unterlassen und wegen des Verstoßes gegen
das Unterlassungsgebot durch das Reservierungssystem die vereinbarte Vertragsstrafe
von 7.000 DM zu zahlen. Mit der Unterwerfungserklärung hatte die
Klägerin sich verpflichtet, es ab dem 26. November 1997 zu unterlassen, in der
an den letzten Verbraucher gerichteten Werbung für Flugreisen unter Angabe
von Preisen zu werben, ohne gleichzeitig in bezifferter Form darauf hinzuweisen,
daß zusätzlich Kosten für Sicherheitsgebühren/örtliche Steuern anfallen,
es sei denn, daß diese Sicherheitsgebühren und Steuern bereits in den Preis
eingerechnet sind.
Die Klägerin hat sich mit einer Feststellungsklage gegen die Abmahnung
ihrer Vertragspartner gewandt.
Die Beklagte hat gegen die Klägerin Widerklage erhoben und beantragt,
die Klägerin zu verurteilen,
I. an die Beklagte 7.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. August
1999 zu zahlen und
II. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs mit Flugreisen Dritten ein Informations- und Einbuchungssystem
im Internet zur Verfügung zu stellen und/oder
es selbst gegenüber dem Letztverbraucher zu benutzen, bei
welchem für Flugreisen mit Flugtarifen geworben wird, ohne
gleichzeitig entweder die zusätzlich zu entrichtenden Passagierund
Sicherheitsgebühren und/oder Flughafensteuern auszuweisen
oder die Passagier- und Sicherheitsgebühren und/oder
Flughafensteuern in den Gesamtpreis einzubeziehen.
Die Klägerin ist der Widerklage entgegengetreten und hat einen Verstoß
gegen die Preisangabenverordnung und das vertragliche Unterlassungsgebot in
Abrede gestellt.
Das Landgericht hat die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen
und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht
unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Widerklage
abgewiesen.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt
die Beklagte ihre Widerklageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Widerklage für unbegründet erachtet und
hierzu ausgeführt:
Weder aufgrund der Unterlassungserklärung vom 12. November 1997
noch nach § 1 UWG i.V. mit § 1 PAngV könne die Beklagte die begehrte Unterlassung
verlangen, weil die Klägerin in der Werbung gleichzeitig mit der Angabe
der Tarife auch anfallende Steuern und Gebühren nenne und den Gesamtpreis
für einen ausgewählten Flug hervorhebe. Die erforderlichen Angaben
seien im Reservierungsprogramm der Klägerin am Ende des Systems deutlich
erkennbar. Die vorherige Nennung nur des Preisbestandteils “Flugtarif” sei unschädlich,
weil sich das Reservierungsprogramm als einheitliches Informationsund
Buchungssystem darstelle, in dem alle erforderlichen Angaben enthalten
seien. Der durchschnittlich informierte Verbraucher werde die Einheit des Reservierungssystems
erkennen und nicht davon ausgehen, es handele sich bei
den vor der Auswahl eines von ihm gewünschten Fluges angegebenen Tarifen
um den Gesamtpreis.
II. Die Revision hat keinen Erfolg. Der Beklagten steht der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch weder aus Vertrag aufgrund der von ihr angenommenen
strafbewehrten Unterlassungserklärung der Klägerin vom 12. November
1997 noch nach § 1 UWG i.V. mit § 1 Abs. 1 und Abs. 6 PAngV zu.
Auch ein Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe nach § 339 BGB ist nicht
gegeben.
1. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin
in der Erklärung vom 12. November 1997, soweit die Unterlassungsverpflichtung
in Rede steht, das an Verpflichtungen übernommen hat, was sich bei
der Werbung für Flugreisen ohnehin aus § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1
PAngV ergibt.
Die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung diente der Ausräumung
der Wiederholungsgefahr, die aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1
PAngV aufgrund einer Zeitungswerbung der Klägerin folgte. Mit der Unterlassungserklärung
wollte sich die Klägerin ersichtlich nicht weitergehend binden,
als es ihrer Verpflichtung nach der Preisangabenverordnung zur Werbung für
Flugreisen entsprach. Durch die in der Unterwerfungserklärung enthaltene Verpflichtung
zur gleichzeitigen Angabe der bezifferten Sicherheitsgebühren und
örtlichen Steuern hat die Klägerin der Beklagten keine zusätzlichen Rechte eingeräumt.
Danach steht der Beklagten aus der strafbewehrten Unterlassungser-
klärung kein weitergehender Anspruch zu, als er sich ohnehin aus § 1 Abs. 1
Satz 1, Abs. 6 PAngV ergibt.
Davon ist auch das Landgericht ausgegangen. Die Berufung der Klägerin
hat das Berufungsgericht daher zutreffend auch insoweit als zulässig angesehen,
als sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung der Vertragsstrafe richtete.
Eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung muß nach § 519 Abs. 3 Nr. 2
ZPO a.F. die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe
der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel
und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung
anzuführen hat. Betrifft die Berufung mehrere prozessuale Ansprüche, muß die
Begründung sich auf alle Teile des Urteils beziehen, deren Abänderung beantragt
ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.6.1993 – XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073, 3074).
Das ist vorliegend der Fall. Denn in der Berufungsbegründung hat sich die Klägerin
mit den Anforderungen der Preisangabenverordnung auseinandergesetzt
und sich gegen die Annahme gewandt, ihr Internet-Auftritt verstoße gegen die
Verpflichtung, Flugtarife nicht ohne Sicherheitsgebühren und Steuern zu beziffern.
Dies reichte aus, weil diese Begründung für sich genommen geeignet war,
die landgerichtliche Entscheidung auch hinsichtlich der Verurteilung der Klägerin
zur Zahlung der Vertragsstrafe in Frage zu stellen.
2. Die Klägerin verstößt mit der beanstandeten Art der Preisangabe in ihrem
Reservierungssystem nicht gegen die Preisangabenverordnung.
a) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die von der Klägerin angegebenen
Endpreise entsprächen nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1
PAngV, da nicht zu erkennen sei, daß in den Preisen auch Flughafengebühren
einbezogen seien.
aa) Endpreise sind nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV
die Preise, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile
unabhängig von einer Rabattgewährung zu zahlen sind. Dazu gehören bei einer
Flugreise neben dem Flugtarif auch diejenigen Leistungen Dritter, die bei jeder
Flugreise in Anspruch genommen werden müssen, wie Flughafen- und Sicherheitsgebühren
sowie die bei der Flugreise anfallenden Steuern (vgl. BGH, Urt.
v. 5.7.2001 – I ZR 104/99, GRUR 2001, 1166, 1168 = WRP 2001, 1301 – Fernflugpreise).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gibt die Klägerin auf der
die abschließende Kalkulation enthaltenden Internet-Seite in hervorgehobener
Form den Gesamtpreis an. Mit ihrem gegenteiligen, in der Revisionsinstanz
erstmals erfolgten Vortrag, dieser Gesamtpreis enthalte neben dem Flugpreis
nur die anfallenden Steuern, nicht aber auch Sicherheits- und Flughafengebühren,
kann die Beklagte nicht gehört werden (§ 561 ZPO a.F.). In den Tatsacheninstanzen
war zwischen den Parteien unstreitig, daß der in der abschließenden
Kalkulation angegebene Preis sämtliche anfallenden Steuern und Gebühren
umfaßt, auch wenn die Klägerin in der Kalkulation des Endpreises nur
die Positionen “Tarif pro Person” und “Steuern pro Person” gesondert anführt.
Darauf beruhen die Feststellungen des Berufungsgerichts.
bb) Anders als die Revision meint, verstößt die abschließende Kalkulation
nicht gegen die Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit (§ 1 Abs. 6
Satz 1 PAngV). Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher
wird nach dem Hinweis, daß die anfallenden Steuern und Gebühren vom jeweiligen
Flugziel und der Flugroute abhängen und der endgültige Flugpreis nach
der Auswahl der gewünschten Flugverbindung angezeigt wird, den dort ange-
gebenen Preis als Endpreis auffassen. Entsprechend ist die Beklagte in den
Tatsacheninstanzen selbst davon ausgegangen, daß diese Angabe der Preisangabenverordnung
entspricht.
b) Dem Berufungsgericht ist auch bei der Prüfung, ob die Angabe von
Flugtarifen ohne Gebühren und Steuern vor der abschließenden Kalkulation
des Endpreises auf den Internet-Seiten des Reservierungssystems der Klägerin
gegen § 1 PAngV verstößt, kein Rechtsfehler unterlaufen. Die Angaben genügen
dem Gebot eindeutiger Zuordnung und leichter Erkennbarkeit nach § 1
Abs. 6 Satz 2 PAngV. Denn auch wenn bereits vor der Kalkulation des Endpreises
Flugtarife ohne Steuern und Gebühren angegeben werden, ist diese Angabe
erkennbar vorläufig. Der Endpreis läßt sich durch Auswahl des gewünschten
Fluges einschließlich Steuern und Gebühren eindeutig, leicht erkennbar und gut
wahrnehmbar bestimmen. Die Angabe der einzelnen Flüge erfordert auf den
der Kalkulation des Endpreises vorausgehenden Seiten dagegen noch keine
Anführung der Endpreise, auch wenn dort bereits Flugtarife angegeben werden.
Vielmehr reicht es aus, wenn die Endpreise aufgrund einfacher elektronischer
Verknüpfung, etwa durch einen Wechsel in ein Preisverzeichnis (vgl. OLG
Frankfurt NJW-RR 2001, 1696; Völker, Preisangabenrecht, 2. Aufl., § 4 PAngV
Rdn. 34 und § 5 PAngV Rdn. 20; vgl. auch Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 4
PAngV Rdn. 11; a.A. Landmann/Rohmer/Gelberg, Gewerbeordnung, § 4
PAngV Rdn. 23) oder durch weitere fortlaufende Eingabe in das Reservierungssystem
der Klägerin festgestellt werden können und die Nutzer – wie im
Streitfall – klar und unmißverständlich hierauf hingewiesen werden.
3. Die Vertragsstrafe hat die Klägerin nicht verwirkt, weil sie mit ihrem
Reservierungssystem nicht gegen den vertraglich vereinbarten Unterlassungsanspruch
verstoßen hat (vgl. Abschn. II 1 und 2).
III. Die Revision der Beklagten war danach mit der Kostenfolge des § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard Rostock
https://ssl-vg03.met.vgwort.de/na/505067a0f66740cc92a5ba741b6f6a5b