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Gleich aussehendes Produkt – andere Qualität: Dual Quality in der EU kann wettbewerbswidrig sein
Durch die sogenannte Omnibus-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2161) ändert sich zum 28.05.2022 das Wettbewerbsrecht (UWG).
Es wird dann ein sogenanntes Dual Quality Verbot geben.
Konkret wird § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG regeln:
Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn..
2. mit ihr eine Ware in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.
Hintergrund der Richtlinie und der Umsetzung in das deutsche UWG sind seit Jahren andauernde Diskussionen, insbesondere von osteuropäischen EU-Ländern mit der Behauptung, dass Markenlebensmittel in unterschiedlicher Qualität in der EU in den Verkehr gebracht werden würden. Es ging dabei vor allem um Lebensmittel, wie Fischprodukte, Fertiggerichte, Kaffee und Erfrischungsgetränke.
Für den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker war es 2017 unakzeptabel, dass – angeblich – in manchen Teilen der EU qualitativ schlechtere Lebensmittel verkauft werden, als in anderen. Dies galt umso mehr, als dass Verpackung und Markenkennzeichnung identisch seien.
Fun Fact: Eine Studie der EU ergab, dass es tatsächlich kein Ost-West-Gefälle in der Qualität von Lebensmitteln gab.
Verbot von Dual Quality eigentlich nichts Neues
Der Gesetzgeber sieht die gesetzliche Normierung eines Dual-Quality-Verbotes lediglich als Klarstellung der bisherigen Rechtslage.
Die neue gesetzliche Regelung betrifft in erster Linie die Hersteller, kann wettbewerbsrechtlich jedoch auch für Anbieter (Verkäufer) relevant sein.
Wann liegt ein Verstoss gegen das Dual-Quality-Verbot vor?
Zunächst einmal muss es sich um ein Produkt handeln, dass identisch in mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vermarktet wird. Identität eines Produktes liegt auch dann vor, wenn die Information auf der Produktverpackung in die jeweilige Landessprache übersetzt wird.
Auf der anderen Seite liegt kein identisches Produkt vor, wenn es sich zwar um zwei Produkte derselben Art und desselben Typ handelt, die jedoch in unterschiedlicher Aufmachung (Verpackung, Produktbestandteile) angeboten werden. Dies gilt erst recht, wenn das Produkt unter unterschiedlichen Marken angeboten wird.
Ein wesentlicher Faktor dürfte somit das Aussehen der Produktverpackung sein.
Legitime Faktoren für eine Abweichung
Im Gesetz heißt es, dass Dual Quality nur dann irreführend ist, „sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist“.
Beides sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die durch Rechtsprechung zu füllen sind.
Faktoren können sein (soweit man dies heute sagen kann) gesetzliche Vorgaben, Verfügbarkeit oder die Saisonabhängigkeit von Rohstoffen. Der deutsche Gesetzgeber hält auch Unterschiede aufgrund von unterschiedlichen Verbraucherreferenzen für zulässig. Mit diesem Aspekt sollten Hersteller vorsichtig sein, waren es doch angebliche Unterschiede in der Qualität von Lebensmitteln, die zu dieser gesetzlichen Regelung führten. Kein Hersteller wird sich mit dem Argument verteidigen können, in einem EU-Land würden die Verbraucher eine schlechtere Qualität oder eine geringere Leistung erwarten.
Die Praxisrelevanz dieser Regelung, die eher aus einer wohl objektiv unberechtigten Empörung entstanden ist, bleibt daher abzuwarten. Wenn überhaupt, so unsere Vermutung, werden sich entsprechende Fälle eher im Lebensmittelbereich auftun, im Nonfood-Bereich dürfte eine praktische Anwendung eher unwahrscheinlich sein.
Die Europäische Kommission geht jedenfalls dann von einem Verstoß aus, wenn
- der Verbraucher berechtigte, besondere Erwartungen an ein Produkt im Vergleich zu einem Referenzprodukt hat und das Produkt erheblich von den Erwartungen abweicht,
- der Hersteller oder Verkäufer es unterlässt oder versäumt, dem Verbraucher angemessene Informationen bereit zu stellen und dieser nicht erkennen kann, dass ein Unterschied zu seinen Erwartungen bestehen könnte,
- diese unangemessenen oder unzureichenden Informationen geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen, etwa indem diese ihn zum Kauf eines Produkts veranlassen, das er sonst nicht gekauft hätte
Für das unzulässige Anbieten von Dual-Quality-Produkten in der EU muss somit einiges zusammenkommen.
Die praktische Relevanz dieser Regelung bleibt daher abzuwarten. Eine Abmahnung zu diesem Thema halten wir für eher unwahrscheinlich.
Stand: 18.05.2022
Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard