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Nur vorläufig geklärt: BGH entscheidet über Glück

Glück hat jetzt ein eigenes Aktenzeichen beim Bundesgerichtshof. Kein Scherz: Mit Datum vom 07.12.2023 hat der BGH zum Az. I ZR 126/22 seine Leitsatzentscheidung „Glück“ verkündet. In dem Fall ging es um „Glück“ und „LieBee“. Nun könnte man vermuten, dass es um einen familienrechtlichen Fall ging, tatsächlich ging es aber um wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz. Der Fall berührt interessante Fragen des Marketings und ist deshalb für alle interessant, die sich etwas tiefergehend mit Marketingskonzepten beschäftigen. Im nachfolgenden Beitrag erläutern wir (etwas augenzwinkernd), was man für das Marketing daraus lernen kann:

„Glück“ oder „LieBee“?

Die dröge Wiederholung von Werbe-Slogans mag funktionieren, aber wirklich gutes Marketing zielt erfolgreich auf die ganz großen Gefühle. Und natürlich auf das Geld der Kunden. Kein Wunder also, dass immer wieder empfohlen wird, Marken emotional aufzuladen. Aber wie das immer so ist: Je mehr Herzblut und Investitionen in ein Marketingkonzept geflossen sind, umso größer ist das Drama, wenn andere ähnliche Marketingskonzepte verfolgen. Doch der Reihe nach:

GlueckDie Klägerin stellt Konfitüren und Fruchtaufstriche her, die sie seit 2017 unter der Bezeichnung „Glück“ vermarktet. Die Beklagte stellt ebenfalls süße Brotaufstriche her und vertreibt seit Herbst 2019 unter anderem Honig unter der Bezeichnung „LieBee“. Ebenfalls im Herbst 2019 erweiterte die Klägerin ihr Sortiment um einen „Glück“-Honig. Zu allem Überfluss sehen die Gläser, in denen die Produkte vertrieben werden, auch noch ähnlich aus.

LiebeeGestritten wurde dann, weil die Klägerin in der Aufmachung der „LieBee“-Honiggläser der Beklagten eine unlautere Nachahmung ihrer „Glück“-Konfitürengläser sah. In den Vorinstanzen hatte die Klägerin damit auch Erfolg. Deshalb lautete die spannende Frage, ob „Glück“ sich in einem gerichtlichen Verfahren am Ende gegen „LieBee“ durchsetzen kann. Nun ja, die Sache ist entschieden, aber nur vorläufig. Zwischenstand: 1 : 0 für „LieBee“. Ganz ausgestanden ist die Sache allerdings noch nicht.


Ist „LieBee“ eine Nachahmung von „Glück“?

Ja, nein, vielleicht? Es ist aus juristischer Sicht kompliziert. Also fing der BGH – ganz emotionslos – mit dem Grundsätzlichen an:

„Der Vertrieb einer Nachahmung kann wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produktes – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt.“

Danach ging es ans Eingemachte, aber um die Sache hier abzukürzen: der BGH hat festgestellt, dass nicht ausgeschlossen sei, dass die angesprochenen Kunden die Frage nach einer Produktherkunft nicht nur nach der Gestaltung der Verpackung, sondern auch nach darauf angebrachten Produkt- und Herstellerangaben beurteilt. Knackpunkt des Falls und in diesem Zusammenhang aus Marketing-Sicht noch wichtiger:

„Das Konzept, ein Emotionsschlagwort als Produktnamen zu verwenden, kann nicht als allein die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts mitbestimmendes Element angesehen werden. Gegenstand des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes (…) ist der Schutz von Waren und Dienstleistungen in ihrer konkreten Gestaltung, nicht die dahinterstehende abstrakte Idee.“

Vereinfacht und zusammengefasst ausgedrückt: Wenn eine bestimmte Gestaltung einer Verpackung sich von den üblichen Verpackungen vergleichbarer Produkte abhebt (hier: tiegelförmige „Glück“-Gläser), dann kann eine ähnliche Verpackungs-Gestaltung zu dem Vorwurf einer nachschaffenden Nachahmung führen. Daher kann es in einem solchen Fall auf die an der Verpackung angebrachten Produkt- und Herstellerkennzeichnungen ankommen.

Der BGH erklärt, worauf es bei „Glück“ und „LieBee“ ankommt

In ganz nüchternen juristischen Worten ausgedrückt, hat der BGH klargestellt: Der wettbewerbsrechtliche Nachahmungsschutz gewährt keinen Konzeptschutz. Die Tatsache, dass mit den Bezeichnungen „Glück“ und „LieBee“ auf Emotionsschlagworte genommen werde, bedeute nicht, dass die angesprochenen Kunden den LieBee-Honig als neue Serie im Sinne einer Sortimentserweiterung des Herstellers der Glück-Konfitüren ansehen.

Der BGH hat den Rechtsstreit also an das Berufungsgericht zurückverwiesen und diesem eine Prüfung aufgegeben, ob der Vertrieb des LieBee-Honigglases unter dem Aspekt einer vermeidbaren Herkunftstäuschung wettbewerbsrechtlich als unlauter anzusehen ist und falls nein, ob eine unangemessene Rufausbeutung vorliegt. In der Sache „Glück“ gegen „LieBee“ wird es also aller Voraussicht nach eine weitere Runde geben.

Praxistipp: bei ähnlichen Marketing-Konzepten auf andere Gestaltung setzen

Die Auseinandersetzung zwischen „Glück“ und „LieBee“ wäre nach unserer Auffassung von Anfang an anders gelaufen, wenn die Produktverpackungen und Produktaufmachungen unterschiedlicher gewesen wären. Für das Marketing lassen sich daher aus dem Fall insbesondere die folgenden Lehren ziehen: Wenn Sie ein Marketing-Konzept erarbeiten, dann sollten sie von vornherein recherchieren, ob es bereits ähnliche Marketing-Konzepte gibt und wie die konkrete Umsetzung dieser Marketing-Konzepte in den Produktverpackungen und Produktaufmachungen aussieht. Je ähnlicher Ihr Marketing-Konzept bereits bestehenden Marketing-Konzepten ist, umso wichtiger werden Unterschiede bei den Gestaltungen der Produktverpackungen und Produktaufmachungen.

Einen Konzeptschutz, wie ihn die Vorinstanzen in dem Verfahren „Glück“ gegen „LieBee“ angenommen hatten, hat der BGH im Ergebnis zwar abgelehnt. In Anbetracht der ähnlichen Gestaltungen der Produktverpackungen und Produktaufmachungen sah der BGH jedoch die Erforderlichkeit einer weiteren Aufklärung der tatsächlichen Gegebenheiten. Wie die Sache am Ende ausgehen wird, ist also offen. Fazit: Auch wenn es um süße Brotaufstriche geht, wird der Ausgang des Verfahrens für eine der beteiligten Parteien am Ende einen bitteren Nachgeschmack haben.

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Stand:08.01.2023

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Andreas Kempcke und Rechtsanwalt Johannes Richard