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Neue Möglichkeit gegen asiatische Hersteller vorzugehen: Bevollmächtigte nach Produktsicherheitsgesetz haften für Schutzrechtsverletzungen der Produkte
Wenn ein Hersteller keinen Sitz in der Europäischen Union hat, braucht er für die Verkehrsfähigkeit von Produkten innerhalb der EU einen Bevollmächtigten.
Ein Bevollmächtigter nach § 2 Nr. 6 Produktsicherheitsgesetz ist eine natürliche oder juristische Person in der EU, die vom Hersteller schriftlich beauftragt wurde, im Namen des Herstellers bestimmte Aufgaben in Erfüllung von Harmonisierungsvorschriften der Europäischen Union oder des Produktsicherheitsgesetzes wahrzunehmen.
Vereinfacht gesagt ist der Bevollmächtigte Ansprechpartner für Marktüberwachungsbehörden und Verbraucher bei Fragen der Produktkonformität und der Produktsicherheit.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) muss auf jedem Verbraucherprodukt Namen und Kontaktanschrift des Herstellers stehen. Wenn der Hersteller nicht in dem Europäischen Wirtschaftsraum (EU) ansässig ist, muss Name und Kontaktanschrift des Bevollmächtigten oder des Einführers angebracht werden. Diese Information muss in erster Linie auf dem Produkt selbst stehen. Nur wenn die Information auf dem Produkt selbst nicht möglich ist (z.B. aufgrund der Größe), ist es zulässig, diese Informationen auf der Verpackung anzubringen.
Ohne eine Herstellerinformation oder die Information der Daten des Bevollmächtigten auf dem Produkt ist ein Produkt nicht verkehrsfähig und darf nicht vertrieben werden.
Eine große praktische Rolle spielt die Funktion des Bevollmächtigten bei Amazon: Es gibt bei Amazon viele chinesische Händler oder Hersteller, die direkt über FBA verkaufen. Ohne die Bestellung eines Bevollmächtigten und einer entsprechenden Kennzeichnung der Produkte wären die dort angebotenen Waren nicht verkehrsfähig.
Das ist neu: Bevollmächtigter haftet für Schutzrechtsverletzungen der Produkte, für die er bevollmächtigt ist
Für viele Bevollmächtigte war ihre Tätigkeit bisher nicht mehr als eine reine Formalie. Dies wird sich zukünftig ggf. ändern.
Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt (OLG Frankfurt, Urteil vom 16.03.2023, Az: 6 U 189/22) haftet ein Bevollmächtigter für Schutzrechtsverletzungen des Herstellers und der Produkte, für die er bevollmächtigt wurde.
Beklagte ist ein Unternehmen, welches Bevollmächtigte für einen chinesischen Hersteller war. Dieser Hersteller bot bei Amazon ein Produkt an, welches eindeutig gegen ein Gemeinschaftsgemacksmuster (Design) verstieß.
Das OLG Frankfurt verurteilte dem Bevollmächtigten zur Unterlassung. Dem Bevollmächtigten wurde untersagt
als Bevollmächtigte im Sinne von § 2 Nr. 6 ProdSG für ein Unternehmen zu wirken, das (Beschreibung des Produktes) im Bereich der Bundesrepublik Deutschland anbietet, in den Verkehr bringt, einführt und / oder zu den vorgenannten Zwecken besitzt und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen lässt….“
Der Bevollmächtigte selbst wird die Produkte, für die er bevollmächtigt ist, nicht selbst anbieten und auch nicht selbst in den Verkehr bringen, einführen oder besitzen.
Er nimmt diese Handlungen jedoch durch Dritte vor, nämlich den Hersteller, für den er bevollmächtigt ist.
Neu: Die Haftung des Bevollmächtigten
Das OLG Frankfurt hat eine Haftung des Bevollmächtigten, der sogenannten Passivlegitimation anhand der Grundsätze zur Teilnehmerhaftung vorgenommen.
Ein Teilnehmer haftet auf Unterlassungs, wenn er zumindest bedingt vorsätzlich den Rechtsverstoß eines anderes fördert. Dabei gehört zum Teilnehmervorsatz nicht nur die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale (in diesem Fall die Designrechtsverletzung), sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat. Hierbei nimmt das OLG ausdrücklich auch Bezug auf die Rechtsprechung des BGH zum Wettbewerbsrecht. Dies spricht dafür, dass man das Urteil auch auf Wettbewerbsverstöße des Herstellers übertragen könnte.
Vollkommen zutreffend führt das OLG aus, dass der Hersteller das Produkt nur dann in der EU auf den Markt bringen kann, wenn auf dem Produkt Name und Kontaktanschrift des Europäischen Bevollmächtigen angebracht ist. Es kommt, so das OLG, nicht darauf an, dass der Bevollmächtigte die Produkte nicht selbst importiert und hier in den Verkehr bringt. Die Haftung des Bevollmächtigten ergibt sich daraus, dass dieser sich als EU-Bevollmächtigter zur Verfügung stellt und damit den Rechtsverstoß des Herstellers fördert. Der Rechtsverstoß wäre ohne Bestellung eines Bevollmächtigten gar nicht möglich, da in diesem Fall die Ware in der EU nicht vertrieben werden dürfte.
Keine Prüfungspflicht des Bevollmächtigten, aber….
Der Bevollmächtigte soll in erster Linie dazu dienen, Verbraucher dafür zu bewahren, mit unsicheren Produkten in Berührung zu kommen. Der Bevollmächtigte ist somit verpflichtet, sich aus sicherheitstechnischen Aspekten mit den Produkten des Herstellers auseinanderzusetzen, dessen Bevollmächtigter er ist. Zu den Aufgaben des Bevollmächtigten, so das OLG Frankfurt, zählt es allerdings nicht, die Produkte auf mögliche Schutzrechtsverletzungen zu untersuchen.
Anders sieht es jedoch aus, wenn der Bevollmächtigte z.B. durch eine Abmahnung über einen Rechtsverstoß eines Produktes informiert wird, für das er als Bevollmächtigter fungiert. Unter der Voraussetzung, dass es sich um eine plausibel begründete Abmahnung handelt, führt dies zu dem erforderlichen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Bevollmächtigung für dieses Produkt.
Die Bevollmächtigte hatte sich unglücklich verhalten:
Eine Haftung war abgelehnt worden, der chinesische Hersteller hatte trotz Kenntnis ebenfalls nicht reagiert und das Produkt weiterhin bei Amazon angeboten.
Weitere Alternative: Haftung als Störer
Bei einer Haftung als Störer gilt so Ähnliches:
Eine Prüfungspflicht eines Unternehmens, welches z.B. Waren für eine Vielzahl von Kunden einlagert sowie eine anlasslose Überprüfung dieser Ware ist nicht verpflichtend. Etwas andere gilt jedoch auch hier, wenn der Störer auf die klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist.
Zu was der Bevollmächtigte verpflichtet ist:
Nach Ansicht des OLG ist der Bevollmächtigte verpflichtet, die Unterstützungshandlungen für den Vertrieb des Produktes einzustellen
„sei es dadurch, dass sie erfolgreich auffordert, den Vertrieb einzustellen oder notfalls durch Beendigung ihrer Stellung als Bevollmächtigte im Sinne des ProdSG“.
Was die Entscheidung in der Praxis bedeutet:
Gerade bei Plattformen, wie Amazon, spielen z.B. chinesische Hersteller eine große Rolle, die ihre Produkte ohne Bestellung eines Bevollmächtigten und entsprechende Kennzeichnung gar nicht vertreiben dürfen. Durch diese Entscheidung des OLG Frankfurt rollt auf Bevollmächtigte unter Umständen eine Abmahnwelle zu: Endlich gibt es eine Möglichkeit, ein Unternehmen innerhalb der EU, welches greifbar ist, in Anspruch nehmen zu können.
Diese Rechtsprechung dürfte für Unternehmen, die die Rolle eines Bevollmächtigten einnehmen, zum Problem werden:
Bisher war die Rolle des Bevollmächtigten mit nur wenig praktischen Aufgaben und Verantwortung verbunden.
Soweit Unterlassungsansprüche gegenüber einem Bevollmächtigten gerichtlich durchgesetzt werden, geht die Reichweite dieser Unterlassungsansprüche unter Umständen über das konkrete Produkt hinaus und natürlich über den gewählten Vertriebsweg. Entsprechende Unterlassungsansprüche können daher weitaus mehr Rechtsfolgen haben als das nur ein Produkt, z.B. bei Amazon nicht mehr angeboten wird.
Umgekehrt müssen Bevollmächtigte sich darauf einstellen, bei einem Hinweis oder einer Abmahnung auf die Rechtsverletzung eines Produktes, für das sie als Bevollmächtigte tätig sind, reagieren zu müssen. Ohnehin wird der Wind für Bevollmächtigte zukünftig rauer: Im September 2022 hat die Europäische Kommission einen Entwurf für eine neue Produkthaftungsrichtlinie vorgelegt. Sollte diese in Kraft treten, würde auch der Bevollmächtigte für Produktfehler haften.
Ich berate Sie, wenn Sie gegen einen Bevollmächtigten für ein Produkt vorgehen möchten.
Stand: 08.06.2023
Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard