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Zulässig?

Amazon kündigt Kundenkonto bei häufigen Retouren: Verbraucherzentrale mahnt Amazon ab

  • Aktuell:
  • Interview bei heise.de mit Rechtsanwalt Richard zu den Kontokündigungen von Amazon
  • Ergänzung
    Bei einer Kontoschließung bei Amazon besteht dann kein Zugriff mehr auf
    – digitale Inhalte im Zusammenhang mit der Amazon-Cloud und den Cloud-Player
    – Inhalte und Abonnements für Kindle
    – erworbene Hörbücher
    In der entsprechenden Information von Amazon wird angemerkt, dass für den Fall dass ein Kunde den Kundenservice von Amazon kontaktiert, um eine Kontoschließung zu veranlassen der Kunde bitte den Service-Mitarbeiter darüber informieren möge, dass er die Hinweise zu Folgen der Kontoschließung bereits gelesen hätte. Mit anderen Worten, wenn der Kunde von sich aus kündigt wird er durchaus darauf hingewiesen, dass seine digitalen Inhalte die er erworben oder gespeichert hatte, verloren sind und er diese noch einmal gesondert abspeichern muss.
    Dies ist naturgemäß bei einer vollkommen überraschenden Kontoschließung von Hochretournierern nicht möglich. Damit dürfte ein Abstrafen von Kunden, die zu oft widerrufen mit der Folge, dass ihre erworbenen (quasi gekauften) digitalen Inhalte nicht mehr zugänglich sind, wohl kaum zulässig sein.
    Wer somit zu oft retourniert kann theoretisch auch seine Hörbücher vergessen…

Die Verbraucherzentrale NRW geht aktuell gegen Amazon vor. Amazon kündigt offensichtlich – nach eigenen Angaben in Einzelfällen – Käuferkonten, wenn die Retourenquote zu hoch ist.

Die Verbraucherzentrale bezeichnet die Kündigungspraxis von Amazon als “rigide”. Kritisiert wird wohl, dass es an eindeutigen Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Amazon fehlt und die Kunden nicht vorgewarnt werden.

Ist dies tatsächlich so?

Ein Blick in die Amazon-AGB mit dem Stand 20.03.2013 ergibt unter Nummer 7 Informationen zu “Ihr Konto”.

Es heißt dort

“Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern, wenn Sie gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen.”

Eine andere Regelung zur Kündigung des Kundenkontos haben wir bei Amazon nicht gefunden. Die Regelung ist daher tatsächlich etwas unklar. Nutzungsbedingungen, die beinhalten, dass eine bestimmte Retourenquote nicht überschritten werden darf, gibt es offensichtlich nicht.

eBay regelt dies in § 4 der eBay-AGB anders. Dort gibt es sehr konkrete Regelungen, die auch die Voraussetzungen nennen, die es eBay erlauben, die Mitgliedschaft zu kündigen. Insbesondere heißt es unter § 4 Nr. 5 der eBay-AGB, dass eBay den Nutzungsvertrag jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende kündigen kann. Das OLG Brandenburg sah dies in einem von uns geführten Verfahren als unproblematisch an. Hier weiß der eBay-Nutzer jedenfalls klar, woran er ist.

Dies ist bei Amazon anders.

Wie die Verbraucherzentrale argumentiert

Die Verbraucherzentrale hat sehr wohl erkannt, dass eine Rücksendung einen Händler mit 15,00 Euro oder mehr belasten kann. Die Verbraucherzentrale geht davon aus, dass Amazon die Kündigung in Fällen ausgesprochen hatte, bei denen jede 4. bis 6. Bestellung wegen Nichtgefallens oder eines Mangels zurückgestellt wurde. Perfide habe Amazon den Kunden unterstellt, dass diese mit dem Kundenservice nicht mehr zufrieden seien, daher werde das Konto geschlossen.

Wie weit geht die Kundenfreundlichkeit von Amazon?

Nach unserer Einschätzung gehört Amazon zu den verbraucherfreundlichsten Verkaufsportalen und Verkäufern im Internet schlechthin. Auf der anderen Seite sind die Retourenquoten im Internet je nach Branche (bspw. bei Textilien) relativ hoch. Kunden, die eine Menge bestellen, um eine Menge zurück zu senden, werden natürlich zur Belastung. Hier wird man unterscheiden müssen zwischen der Ausübung des Widerrufsrechtes bei Nichtgefallen der Ware und Mängeln. Wenn mehrfach etwas bestellt wurde, dass nach Ansicht des Kunden oder auch tatsächlich mangelhaft ist, dürfte dies eigentlich keinen Einfluss haben.

Eine Verpflichtung, einen Kunden überhaupt als solchen zu akzeptieren und zu beliefern, gibt es nicht.

Einen Zwang, Kunden zu beliefern, gibt es nach dem deutschen Recht nur in Einzelfällen. Es geht dabei in erster Linie nur um lebensnotwendige Güter wie Wasser, Strom oder Wärme oder andere Leistungen, die quasi als Monopol von einem bestimmten Anbieter angeboten werden wie bspw. Bahnreisen.

Ansonsten steht es insbesondere jedem Verkäufer frei, ob er einen Kunden beliefern möchte oder nicht. Einen sog. Kontrahierungszwang gibt es daher in Deutschland im Internethandel nicht.

Wie machen es die anderen?

Offensichtlich eher aus moralischen Gründen zitiert die Verbraucherzentrale eine Umfrage bei 200 Unternehmen, bei denen sich nur jede 10. äußern wollte. Die Verbraucherzentrale wollte wissen, ob es  Beschränkungen bei den Rücksendungen gibt, wie darüber informiert wird und ob es bereits zu Retouren-Kündigungen gekommen sei. Auch einige große Anbieter wie Tchibo oder Schwab räumten ein, bereits einmal die rote Karte gezückt zu haben. Behauptet wurde, dass es sich lediglich um Einzelfälle handelte oder bei offensichtlichen Betrügereien. Ein Händler kappt bei einer zu hohen Retourenquote die Vorkassezahlung und bietet nur noch einen Kauf auf Rechnung an. Zalando spricht selbst bei einer Rücklaufquote von 50 % keine Kontosperrung aus. Dies ist jedoch im Bereich Textilien und Schuhen nicht ganz ungewöhnlich. Einen anderen Weg wählt ein Modeanbieter: Für jede Order, die beim Besteller bleibt, gibt es nach 5 Wochen eine Gutschrift von 3,00 Euro auf das Kundenkonto.

Bei eBay, so unsere Praxiserfahrung, wird ein Hochretournierer einfach auf die Liste der gesperrten Bieter gesetzt.

Amazon-Kontosperrung zulässig oder nicht?

Dies lässt sich nicht abschließend beurteilen. Zuzustimmen ist der Verbraucherzentrale, dass die Amazon-Regelungen in den AGB mehr als schwammig sind. Auch wenn Amazon zu eine der Marktführer im Online-Handel gehört, sehen wir keine Verpflichtung, dass Amazon Kunden beliefern muss. Zu berücksichtigen ist ferner, dass nach unserem ganz persönlichen Eindruck Amazon bei Retouren oder Mängeln besonders kundenfreundlich ist. Eine weit überhöhte Widerrufsquote kann Zufall sein wie aber auch System, wie nämlich sich das Kaufhaus zur freien Auswahl nach Hause zu bestellen. Dies war niemals Sinn des gesetzlich verpflichtenden Widerrufsrechtes.

Im Kern geht es wohl eher um ein Kommunikationsproblem von Amazon, nämlich vollkommen überraschend und ohne vorherige Ankündigung das Kundenkonto zu sperren. Kommunikation war jedoch noch nie eine Stärke von Amazon. Ggf. fällt dies dem Unternehmen nunmehr auf die Füße.

Wie man es zumindestens von der AGB-Gestaltung besser macht, kann man aus den eBay-AGB ersehen. Dass die Amazon-Regelung damit AGB-rechtlich unwirksam ist, werden letztlich die Gerichte klären müssen.

Als Rechtsanwälte, die ausschließlich Internethändler beraten, können wir den Ärger der Händler über Hochretournierer gut nachvollziehen und sind gespannt auf eine wohl kommende gerichtliche Klärung.

Stand: 14.02.2014

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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