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EU-Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) verpflichtet Amazon, ein Web-Archive über Angebote vorzuhalten – EuGH weist Antrag auf Aussetzung von Amazon zurück

Die Verordnung (EU) 2022/2065 vom 19.10.2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste enthält umfangreiche Verpflichtungen, gerade für sogenannte sehr große Online-Plattformen.

Nach einem EU-Beschluss vom 23.04.2022 der Kommission wurde Amazon als sogenannte sehr große Online-Plattform definiert.

Dies hat zur Folge, dass Amazon ein Web-Archive mit detaillierten Informationen über die Online-Werbung öffentlich zugänglich machen muss.

Konkret ergibt sich die Verpflichtung aus Artikel 39 der Verordnung:

Artikel 39 Zusätzliche Transparenz der Online-Werbung
(1) Die Anbieter sehr großer Online-Plattformen oder sehr großer Online-Suchmaschinen, die Werbung auf ihren Online-Schnittstellen anzeigen, stellen die in Absatz 2 genannten Angaben in einem spezifischen Bereich ihrer Online- Schnittstelle zusammen und machen diese über Anwendungsprogrammierschnittstellen für den gesamten Zeitraum, in dem sie eine Werbung anzeigen, und ein Jahr lang nach der letzten Anzeige der Werbung auf ihren Online-Schnittstellen mithilfe eines durchsuchbaren und verlässlichen Werkzeugs, das mit mehreren Kriterien abgefragt werden kann, öffentlich zugänglich. Sie stellen sicher, dass das Archiv keine personenbezogenen Daten der Nutzer enthält, denen die Werbung angezeigt wurde oder hätte angezeigt werden können, und angemessene Bemühungen unternehmen, um sicherzustellen, dass die Informationen präzise und vollständig sind.
(2) Das Archiv enthält zumindest alle folgenden Angaben:
a) den Inhalt der Werbung, einschließlich des Namens des Produkts, der Dienstleistung oder der Marke und des Gegenstands der Werbung;
b) die natürliche oder juristische Person, in deren Namen die Werbung angezeigt wird;
c) die natürliche oder juristische Person, die für die Werbung bezahlt hat, wenn sich diese Person von der in Buchstabe b genannten Person unterscheidet,
d) den Zeitraum, in dem die Werbung angezeigt wurde;
e) ob die Werbung gezielt einer oder mehreren bestimmten Gruppen von Nutzern angezeigt werden sollte, und falls ja, welche Hauptparameter zu diesem Zweck verwendet wurden, einschließlich der wichtigsten Parameter, die gegebenenfalls zum Ausschluss einer oder mehrerer solcher bestimmter Gruppen verwendet werden;
f) die auf den sehr großen Online-Plattformen gemäß Artikel 26 Absatz 2 veröffentlichte und ermittelte kommerzielle Kommunikation;
g) die Gesamtzahl der erreichten Nutzer und gegebenenfalls aggregierte Zahlen aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaat für die Gruppe oder Gruppen von Nutzern, an die die Werbung gezielt gerichtet war.
(3) In Bezug auf Absatz 2 Buchstaben a, b und c darf das Archiv die in diesen Buchstaben genannten Informationen nicht enthalten, wenn ein Anbieter einer sehr großen Online-Plattform oder sehr großen Online-Suchmaschine den Zugang zu einer bestimmten Werbung aufgrund mutmaßlicher Rechtswidrigkeit oder Unvereinbarkeit mit seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen entfernt oder gesperrt hat. In diesem Fall enthält das Archiv für die in Rede stehende Werbung die Informationen gemäß Artikel 17 Absatz 3 Buchstaben a bis e bzw. Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer i.

Die Kommission kann nach Konsultation des Gremiums, der einschlägigen zugelassenen Forscher gemäß Artikel 40 und der Öffentlichkeit Leitlinien zur Struktur, Organisation und Funktionsweise der in diesem Artikel genannten Archive herausgeben.

Das öffentlich zugänglich zu machende Web-Archive hat den Zweck, Aufsicht und Forschung zu entstehenden Risiken im Zusammenhang mit der Online-Verbreitung von Werbung zu unterstützen.

Im Fokus steht dabei rechtswidrige Werbung oder manipulative Techniken und Desinformation.

Inhalt des Archives soll unter anderem der Name des Produktes, der Gegenstand der Werbung sowie damit verbundene Daten zum Werbetreibenden sein.

Verpflichtend sind ferner Angaben und Kriterien für die Zielausrichtung, insbesondere, wenn sich die Werbung an Minderjährige richtet.

Es liegt auf der Hand, dass Amazon äußerst wenig Interesse daran hat, diese weitreichenden Informationen zur Verfügung zu stellen.

Europäischer Gerichtshof entscheidet: Amazon muss Web-Archive bereitstellen

Amazon hatte beim Europäischen Gerichtshof beantragt, die Verpflichtung zur Bereitstellung eines Webarchives auszusetzen. Dieser Antrag wurde nunmehr durch Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofes (Az.: C-639/23 (R) ) zurückgewiesen. Hierüber hatte der EuGH am 27.03.2024 in einer Pressemitteilung informiert.

Der EuGH sieht in der Aussetzung eine Bedrohung für die Grundrechte.

Weitreichende Folgen des Web-Archives

Ein Web-Archive sowie von der Europäischen Union vorgesehen, hat sowohl für das Wettbewerbsrecht wie aber auch natürlich für Amazon weitreichende Folgen. Es sind durchaus Interna von Amazon, die dort veröffentlicht werden müssten.

Des Weiteren gehen wir davon aus, dass die Dokumentation und Durchsetzung von Wettbewerbsverstößen oder Markenrechtsverletzungen bei Amazon durch ein Web-Archive erheblich erleichtert wird.

Bisher war es zum Teil schwierig, die konkreten Amazon-Angebote aus der Vergangenheit zu dokumentieren.

Eine Möglichkeit sind die üblichen Web-Archive, wie archive.org. Dort werden jedoch nicht alle ASINs dokumentiert, zum Teil auch nicht besonders häufig.

Wir werden jedenfalls sehr genau beobachten, wie Amazon die Verpflichtung zur Schaffung eines Web-Archives seine Angebote umsetzen wird.

Stand: 28.03.2024

Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard