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Amazon: Amazon muss den Einfluss bezahlter Rezensionen im Ranking der Bewertungen deutlich machen (OLG Frankfurt)
Amazon hatte nach eigenen Angaben bis März 2021 das Programm „Early Reviewer Programm“ (ERP). Das Programm sollte dabei helfen, frühzeitig Bewertungen für Produkte zu fördern, die bisher nur wenige oder keine Bewertungen erhalten hatten. Die bewertenden Kunden werden dadurch gelockt, dass sie eine geringwertige Amazon-Geschenkkarte erhalten. Diese „kleine Belohnung“ wird an Rezensenten vergeben, unabhängig davon, welche Bewertung diese abgeben. Die Verkäufer, die von diesen Bewertungen profitieren, haben keinen Einfluss darauf, welche Kunden ausgewählt werden.
Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt (OLG Frankfurt, Urteil vom 09.06.2022, Az: 6 U 232/21) ist es wettbewerbswidrig, wenn Amazon nicht kenntlich macht, dass diese bezahlten Bewertungen in das Gesamtergebnis der Produktbewertungen einfließt.
Es heißt insofern in dem offiziellen Leitsatz:
„Fließen in das Gesamtbewertungsergebnis für Produkte, die auf einer Verkaufsplattform angeboten werden, auch Rezensionen ein, für die an den Rezensenten ein – wenn auch geringes – Entgelt gezahlt wird, und es wird die Berücksichtigung dieser bezahlten Rezensionen nicht kenntlich gemacht, handelt es sich um einen Fall der unlauteren getarnten Werbung.“
Ein genauer Blick auf die Entscheidung ist durchaus spannend:
Verkäufer, der von den Bewertungen profitiert, haftet nicht.
Der Antragsteller in diesem einstweiligen Verfügungsverfahren hatte sowohl den Verkäufer bei Amazon wie aber auch Amazon selbst auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die I. Instanz hatte auch den Verkäufer verurteilt. Das OLG sah jedoch keine Haftung des Verkäufers auf der Plattform Amazon für die Darstellung der Bewertungen.
Begründet wurde dies nicht mit den allgemeinen Haftungsregelungen für Bewertungen bei Amazon, sondern mit dem Wettbewerbsverhältnis. Antragsteller war ein Unternehmen, dass zwar in der Vergangenheit selbst bei Amazon verkauft hatte, jedoch in erster Linie gegen Entgelt die Vermittlung von Kundenrezensionen anbietet. Daher sah der Senat zwischen dem Antragsteller und dem Verkäufer kein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Dies mag in einer anderen Konstellation (Abmahner und Abgemahnter verkaufen ähnliche Produkte) somit ggf. anders aussehen.
Vergleichsverhandlungen führten nicht zum Rechtsmissbrauch
In der mündlichen Verhandlung hatte der Senat zu erkennen gegeben, dass die Berufung gegen den Amazon-Verkäufer Aussicht auf Erfolg haben dürfte, nicht jedoch die Berufung von Amazon. Daraufhin wollten der Abmahner und Amazon Vergleichsverhandlungen nutzen.
Der Abmahner hatte daraufhin Amazon offensichtlich den Vorschlag unterbreitet, in einem persönlichen Treffen eine „detaillierte Analyse der wirtschaftlichen und technischen Vorteile einer Totalerledigung“ zu machen. Die monetären, d. h. geldwerten Vorteile, wurden Amazon mit mehreren Hundertmillionen Euro vorgerechnet(!).
„Die E-Mail zielt darauf ab, die Antragsgegnerinnen zur Zahlung eines Geldbetrages in erheblicher Höhe zu veranlassen und gleichzeitig alle gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien konsensual zu beenden. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerinnen schwebte der Antragstellerin insoweit eine Zahlung von 1 Millionen Euro vor.“
Bemerkenswerter Weise sah das Gericht diesen Versuch, bei Amazon abzukassieren, nicht als Rechtsmissbrauch an.
Informationspflicht, darauf hinzuweisen, dass Rezensionen bezahlt wurden und wie viele der Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind
Problematisch sah der Senat es als wettbewerbswidrig an, wenn im Rahmen des Gesamtbewertungsergebnisses (Anzahl der Sterne) nicht darauf hingewiesen wurde, dass dazu auch bezahlte Rezensionen gehören. Ebenfalls wettbewerbswidrig ist es, wenn nicht darauf hingewiesen wird, wie viele dieser Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind.
Amazon hatte in diesem Zusammenhang behauptet, die Nutzer von Amazon würden wissen, dass in das Gesamtbewertungsergebnis immer auch Rezensionen einfließen, die aus nicht sachlich begründeten Erwägungen heraus abgegeben würden.
Dies sah der Senat anders:
„Abgesehen davon, dass dies zweifelhaft ist, ist das Argument auch deshalb nicht tragfähig, weil eine – sicher bei Vielen vorhandene Skepsis – kein Freibrief dafür sein darf, beeinflusste Rezensionen zu verwenden.“
Ferner nimmt das OLG an, dass bei Rezensionen mit einer Gegenleistung diese nicht frei von sachfremden Einflüssen sind.
„Es besteht die konkrete Gefahr, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der Teilnehmer an dem Programm sich, beeinflusst von der Belohnung, veranlasst sehen, ein Produkt positiver zu bewerten, als dies ihrer tatsächlichen Meinung entspricht, in der Hoffnung, weiterhin an dem Programm teilnehmen zu dürfen.“
Was bedeutet das Urteil in der Praxis?
Die Entscheidung erging in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Ob Amazon versuchen wird, die Angelegenheit in einem Hauptsacheverfahren zu klären, können wir nicht genau beurteilen.
Grundsätzlich ist es so, dass bezahlte Bewertungen nicht per se unlauter sind. Es muss jedoch deutlich werden, dass es sich um bezahlte Bewertungen handelt, für die es eine Gegenleistung gab.
Die Entscheidung geht dabei weit über das ERP-Programm von Amazon hinaus, das nach Angaben von Amazon nicht mehr zum Einsatz kommt. So gibt es das Amazon Vine Programm, von Amazon „Amazon Vine-Club der Produkttester“ genannt. Im Rahmen dieses Programms werden kostenlos Produkte an Kunden versandt, die dann bewertet werden sollen. Auch wenn Amazon darüber informiert, dass die Bewertungen unabhängig sein sollen, ist in der Praxis jedoch deutlich zu beobachten, dass Vine-Bewertungen in der Regel fünf Sterne erhalten.
Neu ist jedenfalls die (zutreffende) Ansicht des OLG Frankfurt, dass darüber informiert werden muss, wie bezahlte Bewertungen in das Gesamtergebnis mit einfließen.
Stand: 10.08.2022
Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard