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Rechtsmissbrauch: Abmahnkosten eingeklagt und dann zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt
Wenn eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist, gibt es auch keinen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Aufgrund einer Neuregelung des UWG aus dem Jahr 2013 kann der Abgemahnte in diesem Fall seine außergerichtlichen Rechtsverteidigungskosten erstattet verlangen.
Allgemein gesprochen gewinnt in diesen Verfahren entweder der Abmahner alles oder der Abgemahnte, d.h. entweder bekommt der Abmahner seine Anwaltskosten erstattet und der Abgemahnte kann keinen Schadenersatz geltend machen. Die andere Alternative ist, dass der Abmahner hinsichtlich seiner Rechtsanwaltskosten in die Röhre schaut, der Abgemahnte aber seine außergerichtlichen Rechtsverteidigungskosten geltend machen kann. Hierbei kann durchaus auch der abmahnende Rechtsanwalt haften, wie eine Entscheidung des AG Schöneberg zeigt.
Dass sich diese Ansprüche spiegelbildlich in einem Verfahren gegenüberstehen, ist eher selten. Das Landgericht Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 30.04.2015, Az.: 327 O 257/14, nicht rechtskräftig, Stand 06.05.2015) hat diesen Fall einmal durchgespielt.
Klage und Widerklage
In dem Verfahren hatte ein Abmahner auf Erstattung der Abmahnkosten geklagt. Der Abgemahnte hatte wiederum in diesem Verfahren in Form einer Widerklage nicht nur gegenüber dem Abmahner, sondern auch gegenüber dem Rechtsanwalt des Abmahners Schadenersatzansprüche wegen Rechtsmissbrauch geltend gemacht. Hinsichtlich der Klage gegen den Rechtsanwalt des Abmahners spricht man insofern auch von einer Drittwiderklage.
Rechtsmissbrauch
Der Abmahner, der uns selber aus unserer Beratungspraxis bekannt ist, hatte in der Vergangenheit vielfach abgemahnt. Aus den Entscheidungsgründen des Urteils ergibt sich, dass der Abmahner selbst keine Kosten tragen musste, sondern dass Kosten von der Haftpflichtversicherung des Rechtsanwaltes und dessen Selbstanteil von diesem unmittelbar getragen wurden. Auch im Weiteren seien dem Abmahner die Kosten nicht in Rechnung gestellt worden. Dem Abmahner gelang es nicht, auch nur einen einzigen Fall vorzutragen, in welchem tatsächlich der Abmahner für eine Abmahnung seines Rechtsanwaltes Kosten getragen hätte.
“Vielmehr ist unstreitig, dass etwaige Kosten vom Drittwiderbeklagten auch im Unterliegensfall nicht eingefordert worden wären, nach dem Motto, die Hand, die einen füttert, nicht zu beißen.” , so dass Landgericht Hamburg.
Wenn nicht abgerechnet wird, dürften auch keine Kosten geltend gemacht werden.
Hierzu führt das Landgericht aus:
“Denn es ist rechtsmissbräuchlich, sich einer Forderung zu berühmen, die wirtschaftlich in Wahrheit nicht existiert, weil nämlich die Klägerin das Ausfallrisiko nicht nur in vereinzelten Fällen, sondern – wie vorliegend – systematisch und bewusst vom Drittwiderbeklagten (ihrem Anwalt) abgenommen worden war.
Eine solche Kostenregelung entspricht auch nicht der behaupteten Abrechnung “nach Gesetz”. Zutreffend wäre gewesen mitzuteilen, dass überhaupt nicht abgerechnet wird….
Von einer nichtexistenten Forderung ist auch vorliegend auszugehen, selbst wenn der Drittwiderbeklagte in dem vorliegenden Fall – offenbar zum ersten Mal überhaupt – eine Abmahntätigkeit für die Klägerin dieser gegenüber abrechnete. Denn dies erfolgte nach eigenem Bekunden allein in Reaktion auf die Drittwiderbeklagte und die damit standesrechtlich erzwungene Beendigung des zugrunde liegenden konkreten Mandates bzw. den erfolgten Mandatsentzug durch die Klägerin.”
Dies ist einer der seltenen Fälle, in denen man einmal schwarz auf weiß liest, dass bei Massenabmahnungen oftmals keine Abrechnung oder Forderung des abmahnenden Rechtsanwaltes gegenüber dem Abmahner erfolgt. Die Vermutung liegt oft auf der Hand. Nachweisen kann man dies jedoch nur höchst selten.
Rechtsmissbrauch führt zu Schadenersatz
Aufgrund des somit festgestellten Rechtsmissbrauches muss der Abgemahnte somit keine Abmahnkosten zahlen, sondern hat im Gegenteil noch einen Schadenersatzanspruch. Gegenüber dem Abmahner erfolgt dies direkt aus § 8 Abs. 4 Satz 2 UWG, gegenüber dem abmahnenden Rechtsanwalt jedoch aus § 826 BGB (vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung).
“Durch die Forderung der streitgegenständlichen Abmahnkosten hat er (gemeint ist der Rechtsanwalt) konkludent nicht nur das Bestehen einer Ausgleichsforderung gegenüber seiner Auftragsgeberin behauptet, sondern auch, dass diese im Fall, dass der Abgemahnte nicht zahlen sollte, die Forderung begleichen würde. Dem Drittwiderbeklagten war jedoch bewusst, dass Letzeres nicht der Fall war. Zwar spricht die bloße Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit noch nicht für einen Schädigungsvorsatz. Auch waren der Klägerin (vertreten von dem Drittwiderbeklagten) von der erkennenden Kammer in der Vergangenheit Abmahnkosten in der Regel zugesprochen worden. In keinem der Fälle war allerdings bisher die innere Ausgestaltung des Kostentragungsrisikos zwischen Kläger und Drittwiderbeklagten aufgeklärt worden. Vorliegend entsprach es jedoch der vom Drittwiderbeklagten praktizierten Geschäftsbeziehung zur Klägerin, sie systematisch vom Ausfallrisiko freizuhalten… Einer vermeintlichen wirtschaftlichen Vernunft folgend, den Versuch zu unternehmen, sich zu Lasten der Beklagten Einkünfte zu verschaffen, in dem vollen Bewusstsein, seiner Auftragsgeberin das Ausfallrisiko abgenommen zu haben und dies der Gegenseite nicht zu offenbaren ist sittenwidrig.”
Es besteht somit nicht automatisch ein Schadenersatzanspruch (auch) gegenüber dem Rechtsanwalt des Abmahners. Dies ist eigentlich nur dann gegeben, wenn der Rechtsanwalt des Abmahners auch ganz offensichtlich “Dreck am Stecken” hat.
Dies ist bei rechtsmissbräuchlichen, gerade Massenabmahnungen, sicherlich oft der Fall. In der Praxis ist dies jedoch nur höchst selten nachzuweisen.
Wenn der Rechtsanwalt des Abmahners haftet, tun sie dies gemeinsam, d.h. es gibt nicht doppeltes Geld sowohl von Abmahner, wie auch von dessen Rechtsanwalt. Es vermindert sich jedoch drastisch das Ausfallrisiko, falls der Abmahner nicht in der Lage ist, den Betrag zu zahlen.
Viel Wissen hilft viel
Wie das Verfahren zeigt, ist es von großer Wichtigkeit, soviel wie möglich an Informationen zusammenzutragen, um ein Gericht vom Rechtsmissbrauch zu überzeugen.
Hier verfügen wir nicht nur über umfangreiche eigene Erfahrungen aus unserer Beratungspraxis, sondern stehen auch mit anderen Kollegen regelmäßig in diesen Fällen in einem Informationsaustausch.
Wir beraten Sie!
Stand: 07.05.2015
Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock
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