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Wenn Anwälte Anwälte abmahnen: auch hier Rechtsmissbrauch, wenn zu hohe Anwaltskosten verlangt werden
Es ist nicht nur so, dass Internethändler im Focus von anwaltlichen, meist wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen stehen. Auch Anwälte untereinander sind sich oftmals nicht grün. Das anwaltliche Berufsrecht bietet hier durchaus Möglichkeiten, auch die lieben Kollegen abzumahnen.
Wenn die Gier nach Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen einer derartigen Abmahnung zu groß wird, muss sich auch ein Anwalt, der einen anderen Anwalt abmahnt, Rechtsmissbrauch ins Stammbuch schreiben lassen.
Diesen Fall hat das LG Paderborn mit Urteil vom 22.06.2010, Az.: 6 O 61/10 entschieden.
Problem: Den Abgemahnten als neuen Mandanten gewinnen
Hintergrund war die Abmahnwelle eines, uns im Übrigen natürlich bekannten Kollegen, der Fehler in der Widerrufsbelehrung oder in AGB für einen Mandanten abmahnte und am Ende der Abmahnung noch Folgendes angab:
“Gern sind wir Ihnen bei der Richtigstellung Ihres Internetauftrittes behilflich und reichen auch unverbindliche aktuelle AGB per Mail.
Beachten Sie bei Ihrem Internetauftritt die Umstellung der Widerrufsbelehrung zum 11.06.2010.
Aktuelle Belehrungen und Informationen zu den sonstigen Informationspflichten erhalten Sie unter…………. oder bei jedem deutschen Wettbewerbsanwalt.”
Es ist sicherlich als Anwalt nicht unzulässig, einen Internethändler, der durch einen Rechtsanwalt abgemahnt wurde, dann auch später als Anwalt bei der Gestaltung seines Internetauftrittes zu beraten. Problematisch ist es jedoch, quasi in einer Abmahnung gleich um dieses Mandat zu werben. Abgesehen davon fragen wir uns natürlich schon, wer einen Anwalt, der erst abgemahnt hat, mit einer späteren Beratung beauftragt….
Auch aus Sicht des Abmahners ist es nicht ganz unproblematisch, wenn der eigene Anwalt später auch den Wettbewerber berät und vertritt.
Jedenfalls hatte ein Rechtsanwalt diese Formulierung bei dem abmahnenden Rechtsanwaltskollegen abgemahnt und darüber hinaus sportlich zu Erstattung von Kosten nach einem Gegenstandswert von 100.000,00 Euro in Höhe von 1.720,20 Euro aufgefordert.
Der abgemahnte Rechtsanwalt hatte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, die dem abmahnenden Anwalt jedoch nicht ausreichte, worauf hin er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragte.
Das Landgericht Paderborn wartschte den abmahnenden Anwalt gleich aus zwei Gesichtspunkten ab und lehnte den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab:
Zum einen vertrat das Landgericht die durchaus nachvollziehbare Ansicht, dass eine einstweilige Verfügung nicht mehr beantragt werden konnte, da der abgemahnte Anwalt eine ausreichende Unterlassungserklärung abgegeben hatte. Unabhängig davon wurde das Unterlassungsbegehren als rechtsmissbräuchlich angesehen, da das Landgericht Paderborn die geltend gemachten Abmahnkosten von 1.780,20 Euro nicht nur zu hoch, sondern insgesamt unbegründet waren.
BGH Selbstauftrag: Wenn Anwälte sich selbst vertreten
Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 06.05.2004, Az.: I ZR 2/03 (Selbstauftrag). Demzufolge kann ein Rechtsanwalt Gebühren aus einem sich selbst erteilten Mandat zur Abmahnung auf Grund eigener wettbewerbsrechtlicher Ansprüche nicht geltend machen, insbesondere nicht bei Verstößen gegen die Berufsordnung für Rechtsanwälte. In der BGH-Entscheidung heißt es:
Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Abmahnung eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht ist dann nicht notwendig, wenn der Abmahnenden selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoßes verfügt…. Erst recht muss ein Rechtsanwalt im Falle der eigenen Betroffenheit seine Sachkunde bei der Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes einsetzen. Die Zuziehung eines weiteren Rechtsanwaltes ist bei typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen nicht notwendig. Es besteht daher kein Anspruch auf Erstattung dafür anfallender Kosten. Entsprechendes gilt für den Fall der Selbstbeauftragung.
Ersichtlich wollte der BGH den Wildwuchs der Abmahnungen von Rechtsanwälten untereinander begegnen. Wenn man schon keine Mandanten hat, besteht die Gefahr, dass nicht ausgelastete Kollegen, bspw. im Internet, nach Wettbewerbsverstößen von Berufskollegen suchen, um damit dann Kasse zu machen.
Dem LG Paderborn stieß zudem übel auf, dass der angesetzte Gegenstandswert von 100.000,00 Euro “erkennbar zu mehr als 100%” übersetzt gewesen sei. Der klassische Fall des Rechtsmissbrauches gemäß § 8 Abs. 4 UWG ist das Gebührenerzielungsinteresse des Rechtsanwaltes. Dies nahm das Gericht “ungeachtet der nicht unberechtigten Verärgerung über die beanstandeten Textpassagen” beim abmahnenden Rechtsanwalt an.
Der Versuch des abmahnenden Rechtsanwaltes, die “nicht unberechtigte Verärgerung” durch Kosten zu versüßen ist somit nicht aufgegangen.
Wir können den Ärger des abmahnenden Kollegen über die Textpassagen durchaus nachvollziehen. Auch uns waren diese damals sauer aufgestoßen. Insofern begrüßen wir es, dass ein Kollege gegen diese unzulässige Werbung vorgegangen ist, wir hätten uns jedoch etwas mehr Fachkunde gewünscht.
Die Entscheidung ist letzten Endes ein klassisches Rechtsmissbrauchsurteil im Wettbewerbsrecht, insbesondere bei Übertreibungen, wie im vorliegenden Fall, fällt es Gerichten mittlerweile relativ leicht, einen Rechtsmissbrauch anzunehmen.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock
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