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OLG Saarbrücken: Abmahnverein (rechtsfähiger Verband) muss gegebenenfalls bereits außergerichtlich anonymisierte Mitgliederliste vorlegen

Abmahnvereine, das Gesetz spricht gemäß § 8 Abs. 3 UWG von “rechtsfähigen Verbänden” leiten ihre Abmahnbefugnis unter anderem aus ihren Mitgliedern her. Voraussetzung für eine Abmahnbefugnis bzw. Aktivlegitimation ist, dass der Verein eine erhebliche Anzahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Bei sehr speziellen Branchen kann sich die Frage bei einigen Abmahnvereinen und bestimmten Themen in der Abmahnung durchaus stellen. In der Regel, so unsere Erfahrung, haben die Vereine jedoch eine derart große Anzahl von Mitgliedern, dass an der tatsächlichen Abmahnbefugnis kein ernsthafter Zweifel besteht. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass bereits eine lange Liste von erstrittenen BGH-Urteilen im Abmahnschreiben zur Folge hat, dass auch in jedem Einzelfall eine Abmahnbefugnis besteht. Es kann somit im Einzelfall durchaus sinnvoll sein, dass geprüft wird ob die sogenannte Aktivlegitimation in diesem speziellen Fall auch tatsächlich besteht.

OLG Saarbrücken: Verband muss eine anonymisierte Mitgliederliste vorlegen

Das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG Saarbrücken Beschluss vom Simon 20.11.2017, Az. 1 W 38 / 17) hat sich mit der Frage der Aktivlegitimation durch Vorlage einer Mitgliedsliste näher beschäftigt. Nach einer Abmahnung hatte der Rechtsanwalt der Abgemahnten den Verein um Mitteilung gebeten, welche Ärzte in diesem Fall dem Antragsteller als Mitglieder angehören bzw. worauf sich die Legitimation ergebe. Die offensichtlich etwas arrogante Reaktion des Abmahnvereins viel diesem im Endergebnis auf die Füße: Der Abmahnverein vertrat die Auffassung, er müsse sich vorgerichtlich auf eine solche Diskussion nicht einlassen und beantragte eine einstweilige Verfügung. Nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung kam es zu einer Erledigung des Rechtsstreits, sodass nur noch über die Kosten zu entscheiden war. Dass der Abmahnverein nicht für nötig hielt, sich zu der Mitgliederliste im Vorfeld im Rahmen der Abmahnung zu äußern musste letztlich der Verein die Kosten der Abmahnung tragen:

“Die Klagebefugnis von rechtsfähigen Verbänden nach § 8 Abs.3 Nr.2 UWG resultiert aus ihrer Funktion der kollektiven Wahrnehmung von Mitgliederinteressen (BGH GRUR 1997, 377, 380). Da ein Verband diese Funktion nur erfüllen kann, wenn ihm tatsächlich eine ausreichende Zahl von Mitgliedern angehört, deren Interessen von der Zuwiderhandlung berührt sind, die also Waren oder Dienstleistungen gleicher bzw. verwandter Art auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt vertreiben und dem Abgemahnten deshalb als Wettbewerber begegnen (BGH GRUR 2015, 1240 [BGH 07.05.2015 – I ZR 158/14]; 2000, 1084, 1085 [BGH 13.07.2000 – I ZR 203/97]), muss der Verband das auf Verlangen des Abgemahnten schlüssig darlegen.
Das Abmahnschreiben des Antragstellers vom 16.6.2017, das ansonsten den Anforderungen an eine ordnungsgemäße wettbewerbsrechtliche Abmahnung gerecht wird, enthält keine ausreichend konkreten Angaben zu der für § 8 Abs.3 Nr.2 UWG erforderlichen Mitgliederstruktur.
Der in Abmahnschreiben des Antragstellers (regelmäßig) enthaltene, offenbar für Wettbewerbsverstöße aller Art konzipierte Satz “Zu den Mitgliedern des Verbandes gehören Gewerbetreibende in erheblicher Zahl, welche Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie Ihr Unternehmen vertreiben”, ist zu allgemein gefasst und genügt dann nicht, wenn der Abgemahnte um nähere Darlegung bittet, ob und in welcher Zahl der Verband tatsächlich über Mitglieder verfügt, die auf dem räumlich relevanten Markt Dienstleistungen ähnlicher Art – hier aus heilbehandelnden Berufen – anbieten.
Der Abgemahnte hat zwar vorgerichtlich keinen Anspruch auf Überlassung einer nicht anonymisierten Mitgliederliste des Antragstellers (Senatsbeschluss vom 6.6.2017 – Az.: 1 W 18/17-; OLG Hamm, Beschl. vom 23.2.2017 – Az.: I-4 W 1902/16 -). Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 18.10.1995 (Az. I ZR 126/93) die Notwendigkeit zur Vorlage einer nicht anonymisierten Mitgliederliste zum Nachweis der Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation nur für das Klageverfahren bejaht. Daraus folgt nicht, dass ein klagender Verband, dessen wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung vom Abgemahnten bezweifelt wird, schon vorgerichtlich eine nicht anonymisierte Mitgliederliste vorlegen muss.
Der Abgemahnte hat aber einen Rechtsanspruch darauf, dass ihm die zur Prüfung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen schlüssig dargelegt werden. Hierzu bedarf es konkreter Mitteilung, ob der Verband tatsächlich über eine ausreichende Anzahl von Mitgliedern verfügt, die auf dem räumlich relevanten Markt Dienstleistungen ähnlicher Art anbieten.
Der in dem Abmahnschreiben des Antragstellers weiter enthaltene Hinweis, seine Klagebefugnis ergebe sich aus § 8 Abs.3 Nr.2 UWG bzw. § 3 Abs.1 Ziff.2 UKlaG, genügte schon deshalb nicht, weil es sich um eine bloße Rechtsbehauptung handelt, die ohne nähere Angaben zur Mitgliederstruktur einer Schlüssigkeitskontrolle nicht zugänglich ist.
Auch der mit Rechtsprechungsfundstellen versehene Hinweis “Der Bundesgerichtshof hat die Klagebefugnis des Verbandes mehrfach bestätigt” reichte nicht aus, denn es ist unklar, ob in den zitierten BGH-Entscheidungen die Klagebefugnis auch für Wettbewerbsstreitigkeiten wegen Dienstleistungen heilbehandelnder Berufe bejaht wurde. Dass der Bundesgerichtshof die Klagebefugnis des Antragstellers mehrfach bestätigt hat, bedeutet nicht, dass sie ausnahmslos bei Wettbewerbsverstößen jeder Art vorliegt. Die Antragsgegnerin und deren anwaltlicher Bevollmächtigter waren entgegen der Sichtweise der Antragstellerin auch nicht verpflichtet, die 21 Fundstellen zu BGH-Entscheidungen im Einzelnen daraufhin zu überprüfen, ob sich dort möglicherweise Hinweise finden, dass dem Antragsteller auch eine ausreichende Anzahl von Mitgliedern heilbehandelnder Berufe angehört. Vielmehr wäre es Aufgabe des Antragstellers gewesen, eine einschlägige BGH-Entscheidung zu benennen.
Der Antragsteller hätte der Antragsgegnerin daher als Reaktion auf das Anwaltsschreiben vom 26.6.2017 vorgerichtlich mitteilen müssen, ob und inwiefern ihm eine erhebliche Zahl von Mitgliedern angehört, die auf dem relevanten räumlichen Markt im Heilbehandlungssektor tätig sind, was beispielsweise durch Vorlage einer anonymisierten aktuellen Mitgliederliste geschehen konnte.
Da die Antragstellerin zur Anzahl von Mitgliedern, die ähnliche Dienstleistungen anbieten, auf Nachfrage vorgerichtlich überhaupt nichts mitgeteilt hat, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Markt für die von der Antragsgegnerin beworbene Magnetfeldtherapie, wie das Landgericht meint, auf den örtlichen Umkreis ihrer Arztpraxis beschränkt ist, oder ob sich die Werbung, so die Rechtsauffassung des Antragsgegners, weil im Internet geschaltet, an ein bundesweites Publikum richtete.”

Fazit

Es kann somit durchaus Sinn machen, in Einzelfällen einmal nachzufragen woraus sich die Abmahnbefugnis ergibt. Dies gilt sogar dann, wenn es in dem Abmahnschreiben zunächst beeindruckend heißt, dass der Bundesgerichtshof die Klagebefugnis des Verbandes mehrfach bestätigt hat.

Wir beraten auch Sie.

Stand: 6.4.2018

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke

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