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Analogkopie von kopiergeschützten Cds nach dem neuen Urheberrecht: Zulässig oder nicht?

Zu den ungeklärten Fragen des neuen Urheberrechts gehört die Frage der analogen Kopie einer kopiergeschützten CD auf Kassette. Rechtsanwalt Richard ist der Meinung, das dies wohl nicht erlaubt ist (siehe FAQ-Liste zum neuen Urheberrecht). Man kann jedoch auch eine andere Ansicht vertreten.

Lesen Sie dazu eine Diskussionsschrift unseres Rechtsrefendars Martin Anker:

Ist eine analoge Kopie (von CD auf Kassette) nach dem neuen Urheberrecht erlaubt oder nicht?

1.

Nach einer Auffassung ist eine analoge Privatkopie von kopiergeschützten CDs oder DVDs verboten. Nach dieser Ansicht wird dadurch eine technische Maßnahme, wenn auch nicht offensichtlich so jedoch durch die Hintertür umgangen. Das wird dadurch begründet, dass im Endergebnis einer analogen Kopie einer CD oder DVD eine Kopie eines kopiergeschützten Ursprungsmediums entsteht. Zu dieser Auffassung gelangt man, wenn man den bloßen Wortlaut von § 53 Urhebergesetz (neu) anwendet. Dort gibt es keine Unterscheidung zwischen analogen und digitalen Privatkopien. Diese Auffassung kann man vertreten wenn man § 53 Urhebergesetz isoliert betrachtet. Tatsächlich ergeben sich aus dem Wortlaut und der Kommentarliteratur keine Anhaltspunkte dafür, dass zwischen digitaler und analoger Kopie unterschieden wird. Dabei möchte ich zunächst noch einmal auf die Tatbestandsvoraussetzung von § 53 Urhebergesetz eingehen.

2.

Nach  § 53 Abs. 1 Urhebergesetz ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum privaten Gebrauch herzustellen. Unter privatem Gebrauch ist die Benutzung innerhalb der privaten Sphäre durch die natürliche Person, die das Vervielfältigungsstück herstellt oder herstellen lässt, sowie durch, die mit mir durch ein persönliches Bank verknüpften Personen zu verstehen (BGH vom 16.01.1997 ZR 9/95, MDR 1997, 870, GRUR 1997, 459 ff.). Des Weiteren setzt die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nicht voraus, dass ein eigenenes Werkstück zur Vervielfältigung benutzt wird, auch fremde Werkstücke können benutzt werden. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 53 Abs. 2 Nr. 2 welche Explizit ein eigenes Werkstück verlangt. Die zweite Voraussetzung des § 53 Urhebergesetz verlangt, dass nur “einzelne Vervielfältigungstücke” hergestellt werden. Diese Kriterium wird in der Literatur und Rechtssprechung nicht inhaltlich definiert. Nach der Rechtssprechung des BGH sind dies in jedem Falle nicht mehr als 7 Exemplare (BGH GRUR 1978, 474). Zuletzt macht § 53 Abs. 1 Satz 2 HS. 2 Urhebergesetz eine Ausnahme von der Ausnahme und lässt eine Vervielfältigung bei Übertragung von Werken auf Bild oder Tonträger und die Vervielfältigung von Werken der bildenden Künste nur zu, wenn dies unentgeltlich erfolgt. § 53 Abs. 2 Urhebergesetz lässt darüber hinaus über den engen privaten Gebrauch hinaus Vervielfältigungen zum sonstigem eigenen Gebrauch zu. Privilegiert werden hier der wissenschaftliche Gebrauch, die Aufnahme in ein eigenes Archiv und die Unterrichtung über Tagesfragen. Das Recht zur Privatkopie kann nicht losgelöst von der Vergütungspflicht nach den §§ 54a ff. Urhebergesetz betrachtet werden. Hiernach hat der Urheber gegen den Hersteller von Geräten sowie von Bild- und Tonträgern, die erkennbar zur Vornahmen von Vervielfältigungen bestimmt sind, einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Diese Regelung soll einen Ausgleich für die nach § 53 Urhebergesetz zulässige Vervielfältigung darstellen. Zugleich wird der schier unlösbaren Aufgaben, Kopien im Privatbereich zu kontrollieren und Ansprüche des Urhebers auf Zahlung in angemessenen Vergütungen konkret zu berechnen, begegnet. § 53 Urhebergesetz gilt nur für Sprachwerke. Für Computerprogramme als auch für Datenbanken bestehen in §§ 69a ff. bzw. §§ 87a ff. Sonderregelungen.

Die isolierte Betrachtung von § 53 Urhebergesetz begegnet doch hinreichenden Bedenken. Dabei ist eine Verknüpfung von § 53 Urhebergesetz und §§ 95a, 95b zu beachten. Nach dem neuen § 53 Urhebergesetz bleibt das Recht auf die Erstellung einer Privatkopie im Grundsatz aufrecht erhalten. Dieses Recht ist nach wie vor in § 53 Urhebergesetz geregelt. Inhaltlich ergeben sich also an dieser Stelle kaum Änderungen zur früheren Rechtslage. Das Erstellen auf eine natürliche Person entspricht dabei ebenso der Auffassung nach bisherigen Recht, wie der Ausschluss von kommerziellen Zwecken. Der Begriff des “beliebigen Trägers” wurde wörtlich aus der Richtlinie übernommen und lässt demnach sowohl analoge als auch digitale Vervielfältigungen zu. Beibehalten wird die Möglichkeit, eine Vervielfältigung durch Dritte herstellen zu lassen, damit die Privatkopie nicht nur denjenigen vorbehalten ist, die sich die zur Herstellung erforderliche Hardware leisten können und weil darüber hinaus eine Überwachung praktisch unmöglich wäre. Die Einzige Änderung ist die, dass das Erfordernis der Unentgeltlichkeit von Vervielfältigung durch Dritte nicht wie bisher auf die Übertragung von Werken auf Bild- oder Tonträger und von Werken der bildenden Künste beschränkt ist, sondern verallgemeinert wird.

3.

Die neuen §§ 95a, 95b des Urhebergesetzes entsprechen der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie, welche den Schutz technischer Maßnahmen regelt. Der § 95a Abs. 1 statuiert, dass in Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie geregelte Verbot der Umgehung technischer Maßnahmen, so dass diese umfassend geschützt werden. Durch die Formulierung “… soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werks oder eines sonstigen Schutzgegenstandes … ” wird deutlich, dass das Umgehungsverbot nur insoweit gilt, als die Schutzmechanismen tatsächlich zum Schutz urheberrechtlich geschützter Werke oder sonstiger Schutzgegenstände eingesetzt werden, nicht dagegen bei einer Anwendung von Schutzmechanismen auf andere Werke. Zugleich enthält 95a Abs. 1 die aus Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie stammende Legaldefinition der wirksam technischen Maßnahme. Problematisch ist der Begriff “im normalen Betrieb”, er ist so unpräzise und mag die “wirksame technische Maßnahme” nicht zu konkretisieren. § 95a Abs. 3 setzt die Verbote im Vorfeld der Umgehungsmaßnahmen nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie in enger Anlehnung an den Richtlinienwortlaut um. § 95b Abs. 1 dient der Umsetzung des Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie, der bestimmt, dass die Möglichkeit der Wahrnehmung bestimmter Schranken durch die Begünstigten sicherzustellen ist. Ausweislich des Wortlauts des § 95b Abs. 1 ist dort ab die Vervielfältigung zu privaten Zwecken gem. § 53 Abs. 1 Urhebergesetz nur hinsichtlich Vervielfältigungen auf Papier auf ähnlichen Trägern mittels fotomechanischer oder ähnlicher Verfahren genannt. Der deutsche Gesetzgeber hat von seinen Umsetzungsspielraum insoweit kein Gebrauch gemacht, als dass er fakultative Regelungen über die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch bezüglich anderer Träger insbesondere digitale Medien gem. Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie nicht umgesetzt hat. In Konsequenz heisst das, dass bei einer ohne Kopierschutz ausgelieferten CD jedermann in den entsprechenden Grenzen das Recht hat, eine private Kopie anzufertigen. Wenn aber der Hersteller ein Schutzsystem installiert, darf der Nutzer dieses nicht umgehen und hat auch keinen Anspruch, dass das Schutzsystem so eingerichtet ist, dass eine private Kopie bleibt. Vorliegend geht es aber nicht um digitale Übertragungen sondern über analoge Übertragungen. Die Richtlinie bestimmt in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie, dass eine Vervielfältigung auf beliebige Träger durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch, die weder direkten noch indirekten kommerziellen Zwecken dient, unter der Bedingung zulässig ist, dass die Urheber und Leistungsschutzberechtigten einen gerechten Ausgleich erhalten. Indem die Richtlinie also eine Vervielfältigung auf “beliebige Träger” zulässt, wird deutlich, dass sowohl analoge, als auch digitale Kopien von der Regelung erfasst werden. Meiner Ansicht nach wollte der europäische Gesetzgeber digitale und analoge Medien vom Schutzbereich erfassen. Allerdings bleibt es den nationalen Gesetzgeber überlassen, wie er diese Richtlinie umsetzt. Vergleicht man die Kommentarliteratur zu § 53 Urhebergesetz, lässt sich feststellen, dass dort überwiegend auf den digitalen Schutz abgestellt wird. Der analoge Schutz wird wegen seiner untergeordneten Bedeutung zumeist vom Schutz ausgenommen.

4.

Problematisch ist, ob es sich bei der Kopie von CD auf Kassette um eine “Umgehung technischer Schutzmaßnahmen” handelt. Dazu zunächst einige Ausführungen zur Herkunft des Begriffes und zum Ursprungsgedanken der Richtlinie. Aufgrund internationaler Urheberschutzverträge war die Europäische Union verpflichtet, einen hinreichenden Rechtsschutz und wirksame Rechtsbehelfe gegen die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen vorzusehen (vgl. Flechsig, ZUM 2002, 1). Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie wird ein angemessener Rechtsschutz gegen die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen durch eine Person, “der bekannt ist oder bekannt sein muss”, dass sie eine Umgehung verfolgt. Aus diesen Formulieren ist ersichtlich, dass auch fahrlässiges Umgehen von der Richtlinie erfasst wird. Dies hat insbesondere den Hintergrund, dass es zu Beweisschwierigkeiten im Einzelfall kommen könnte. Was “technische Maßnahmen im Sinne des Abs. 1 des Art. 6 sind, wird in Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie konkret definiert. Dieser Ausdruck bezeichnet alle Technologien, Vorrichtungen oder Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Werke oder sonstige Schutzgegenstände betreffende Handlungen zu verhindern oder einzuschränken, die nicht von der Person genehmigt worden sind, die Inhaber der Urheberrechte oder der dem Urheberrecht verwandten gesetzlich geschützten Schutzrechte ist. Entscheidend ist, ob die entsprechende Technologie “im normalen Betrieb” dazu bestimmt ist, unerlaubte Nutzungshandlungen zu verhindern. Nach Art. 6 Abs. 1 bestimmt darüber hinaus auch, dass die technische Maßnahme “wirksam” sein müssen. Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie sind technische Maßnahmen wirksam, soweit die Nutzung eines geschützten Werks oder eines sonstigen Schutzgegenstandes von den Rechtsinhabern durch eine Zugangskontrolle oder einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstandes oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzzieles sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird. Der Begriff der Wirksamkeit soll eine gewisse objektivierte Ernsthaftigkeit des technischen Schutzes zum Ausdruck bringen.

Fraglich ist, ob bei einer analogen Kopie von CD auf Kassette in irgendeinem Zeitpunkt ein Schutzmechanismus umgegangen wird. Nach meiner Ansicht wird hierbei keine “wirksame technische Maßnahme” berührt. Durch das bloße Abspielen der CD und der Aufnahme auf die Kassette werden die Schutzmechanismen, welche wahrscheinlich nur auf der CD bestehen, nicht angegriffen. Etwas anderes könnte gelten, wenn eine analoge Kopie von einer bereits kopierten CD gemacht werden. In diesem Zusammenhang stellt sich unter anderem sogar die Frage, ob bei der Möglichkeit eines sogenannten “knacken” des Schutzmechanismus eine “wirksame technische Maßnahme” vorliegen kann. Stellt man nämlich auf den Wortlaut der Wirksamkeit ab, so zeigt sich, dass die technische Maßnahme ansich ungeeignet war. Natürlicherweise stellt sich das in einen gewissen Widerspruch zum rechtlichen Schutz. Denn Systeme, die nicht umgangen werden können, bedürfen dann auch keines rechtlichen Schutzes. Da es aber wohl keine technische Schutzvorrichtung gibt, die nicht von einem versierten Computeranwender geknackt werden könnte, wären im Ergebnis alle Systeme zur Erreichung des Schutzzweckes der Normen unwirksam und ihre Umgehung gestattet. Daher wird in der Literatur vorgeschlagen, einen Schutzmechanismus dann als “wirksam” zu erachten, wenn ein Durchschnittsbenutzer von ihm abgehalten wird, unerwünschte Nutzungsvorgänge vorzunehmen (MMR 2000, 515, GRUR 2002, 105).

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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