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LG München: Kündigung einer Unterlassungserklärung wegen Rechtsmissbrauch: Vertragsstrafe kann auch für die Vergangenheit nicht mehr geltend gemacht werden

Häufig ist es bei rechtsmissbräuchlichen Massenabmahnungen so, dass sich erst nach einer gewissen Zeit herausstellt, dass tatsächlich Rechtsmissbrauch vorliegt.

Hintergrund ist, dass eine ganze Menge Informationen benötigt werden, um einen Rechtsmissbrauch nachweisen zu können. In der Zwischenzeit haben Abgemahnte zum Teil schon eine Unterlassungserklärung abgegeben. Mit der Frage, was in diesen Fällen eigentlich mit einer Unterlassungserklärung geschieht und ob eine Vertragsstrafe geltend gemacht werden kann, hat sich aktuell das Landgericht München beschäftigt. In der Entscheidung des Landgerichtes München (LG München I, Urteil vom 31.01.2017, Az.: 33 O 20356/15) hatte das Landgericht aufgrund einer Vielzahl von Indizien einen Rechtsmissbrauch angenommen. In der Klage selbst forderte der Abmahner von über 30 Abgemahnten (in einem Verfahren!) eine Vertragsstrafe von 2.500,00 Euro sowie Abmahnkosten.

Das Landgericht hate die Klage wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen.

Bei Rechtsmissbrauch kann eine Unterlassungserklärung gekündigt werden, eine Vertragsstrafe für Verstöße in der Vergangenheit kann nicht geltend gemacht werden.

Interessant sind die ganz klaren Ausführungen des Landgerichtes zur Möglichkeit der Kündigung einer Unterlassungserklärung, wenn ein Rechtsmissbrauch vorliegt. Da eine Kündigung einer Unterlassungserklärung immer nur Wirkung für die Zukunft hat, stellt sich die Frage, was mit möglichen Verstößen aus der Vergangenheit geschieht. In diesem Fall kann – theoretisch – eine Vertragsstrafe geltend gemacht werden. Hier hat das Landgericht München der Forderung den Einwand des Rechtsmissbrauches aus § 242 BGB entgegengesetzt:

“Der Klägerin stehen auch die gegen die Beklagten zu 3) bis 36) mit Klageantrag Ziffer IV. verfolgten Vertragsstrafenansprüche aus § 339 S. 2 BGB in Verbindung mit den jeweiligen Unterlassungserklärungen nicht zu, weil deren Geltendmachung ebenfalls rechtsmissbräuchlich ist.

1. Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe auf der Grundlage einer strafbewehrten Unterlassungserklärung rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich nicht nach § 8 Abs. 4 UWG, sondern nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Umstände, die im Rahmen des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG einen Rechtsmissbrauch begründen, können dabei herangezogen werden, soweit sie auch im Zusammenhang mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe stehen. Ist es aufgrund der missbräuchlichen Abmahnung zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages gekommen, kann der Abgemahnte den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen (§ 314 BGB). Macht der Abmahner eine vor Kündigung verwirkte Vertragsstrafe geltend, steht dem der Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB entgegen.

2. Weil die Abmahnungen der Beklagten zu 3) bis 36) rechtsmissbräuchlich waren (siehe oben I.), können sich diese auch gegenüber den auf die daraus resultierenden Unterwerfungserklärungen gestützten Vertragsstrafenforderungen der Klägerin mit Erfolg auf den Rechtsmissbrauchseinwand berufen. Dass das gesamte Vorgehen der Klägerin vordringlich ihrem Gelderzielungsinteresse dient, zeigt sich schon aus den oben geschilderten Umständen und wird nicht zuletzt nochmals dadurch verdeutlicht, dass die Klägerin in Fortsetzung des systematischen Durchforstens des unter www… abrufbaren Internetportals im Anschluss an die Abmahnungen der Beklagten zu 3) bis 36) zahlreiche – vermeintliche – Verstöße gegen die abgegebenen Unterlassungserklärungen gesammelt und hierzu gezielt den Google Cache durchsucht hat, um anschließend Vertragsstrafenansprüche im hiesigen Verfahren von insgesamt 85.000,- Euro einzuklagen. Das ist rechtsmissbräuchlich und hat mit der eigentlichen Funktion einer Vertragsstrafe, nämlich der an sich legitimen Sanktion und Prävention von Verstößen, nichts mehr zu tun.”

Diese Fälle sind selten, jedoch durchaus denkbar, insbesondere wenn es dem rechtsmissbräuchlichem Abmahner nicht nur um die Generierung von Abmahnkosten sondern auch um die Geltendmachung von Vertragsstrafen geht.

Wir beraten Sie:

Stand: 26.04.2017

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke

 

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