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Mein Freund der Baum – unterliegt dem Widerrufsrecht (OLG Celle)

Das Widerrufsrecht ist in bestimmten Fällen gesetzlich ausgeschlossen. Leider gibt es immer nur allgemeine Definitionen. Wann diese konkret einschlägig sind, muss letztlich durch die Rechtsprechung geklärt werden.

§ 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB sieht vor, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht, bei Waren, die schnell verderben können.

Der Gesetzgeber dachte hier wohl eher an frische Lebensmittel oder Schnittblumen, somit Waren, die allein aufgrund der kurzen Rücksendezeit beim Verkäufer schon nicht mehr verwendbar sind.

Das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle, Beschluss vom 04.12.2012, Az: 2 U 154/12) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Fernabsatzvertrag über Bäume (zum Einpflanzen) unter die Ausschlussgründe des Widerrufsrechtes fällt, weil diese “verderblich” sein könnten.

Dies hat das OLG Celle verneint:

Bei den übersandten Bäumen handelt es sich nicht um verderbliche Waren in diesem Sinne.

Schnell verderben können Waren dann, wenn nach ihrem Transport und ihrer Verweildauer beim Verbraucher ein verhältnismäßig erheblicher Teil ihrer Gesamtlebensdauer abgelaufen wäre, wie das etwa häufig bei Lebensmitteln und regelmäßig bei Schnittblumen der Fall sein dürfte. Entscheidend für die Verderblichkeit ist also, dass es sich um Waren handelt, die sich in absehbarer Zeit nach der Versendung aufgrund eines unumkehrbaren natürlichen Vorgangs so verschlechtern, dass ein bestimmungsgemäßer Gebrauch nicht mehr möglich ist bzw. das Haltbarkeitsdatum verstrichen ist. In der Literatur wird der Zeitraum bis zum Verderb der Ware mit ca. 6 Wochen diskutiert.

Es folgt dann die Ode an den Baum

Danach sind lebende Bäume keine schnell verderblichen Waren. Lebende Bäume werden verkauft und hierfür versandt, damit sie eingepflanzt werden und viele Jahre und Jahrzehnte wachsen und gedeihen. Lebende Bäume sind keine Waren, die nach Ablauf einer bestimmten kurzen Zeit nicht mehr zu gebrauchen sind. Der Verkauf erfolgt gerade, damit der Käufer diese Bäume nach dem Einpflanzen viele Jahre nutzen kann. Der Verkauf lebender Bäume betrifft also ein nach allgemeiner Vorstellung besonders langlebiges Produkt und kein schnell verderbliches Produkt.

Selten ist dem deutschen Baum in der Rechtsprechung ein derartiges Denkmal gesetzt worden…

Es geht weiter, denn

Du fielst heut früh, ich kam zu spät du wirst dich nie im Wind mehr wiegen
du musst gefällt am Wege liegen und mancher der vorüber geht
der achtet nicht den Rest von Leben und reißt an deinen grünen Zweigen
die sterbend sich zur Erde neigen wer wird mir nun die Ruhe geben
die ich in deinem Schatten fand mein bester Freund ist mir verloren
der mit der Kindheit mich verband

Mein Freund der Baum ist tot er fiel im frühen Morgenrot

(Alexandra)

Rechtlich lautet das so:

Der Umstand, dass die Klägerin die Bäume nach Erhalt nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, eingepflanzt hat und die Bäume nach der Behauptung der Beklagten deshalb abgestorben sind, führt nicht dazu, dass die Bäume als schnell verderbliche Waren angesehen werden müssten. Lebende Bäume werden nicht zu schnell verderblichen Waren, weil der Käufer die Kaufsache nicht bestimmungsgemäß behandelt und nach der Lieferung nicht einpflanzt, so dass die Bäume absterben. Die Gefahr, dass der Käufer die Kaufsache nicht bestimmungsgemäß behandelt, liegt praktisch jeder Sache inne. Bspw. kann der Käufer eines Autos dieses unmittelbar nach der Lieferung vor eine Wand fahren, der Käufer von Stoff kann diesen in Brand setzen. Nach dem ersichtlichen Willen des Gesetzgeber sollte es sich in solchen Fällen aber nicht um den Kauf schnell verderblicher Waren handeln.

Wie man sieht, schlägt die Prosa in Zynismus um.

Letztlich stellt sich die spannende Frage nach einem Wertersatz. Dieser wurde durch das OLG jedoch nicht thematisiert, da der Händler mit einem Wertersatzanspruch weder die Aufrechnung erklärt noch einen solchen Anspruch widerklagend geltend gemacht hat. Um es kurz zusammen zu fassen:

Nur das, was wirklich auch schnell verderben kann, ist auch vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Man wird somit davon ausgehen können, dass der Verkauf von Pflanzen zum Einpflanzen nur manchmal nicht dem Ausschlussgrund des Widerrufsrechtes unterliegt.

Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass, wenn ein Ausschlussgrund für ein Widerrufsrecht nicht vorliegt, der Verbraucher selbstverständlich auch dann den Widerruf ausüben kann, wenn die Ware von ihm schlecht behandelt, beschädigt oder sogar zerstört wurde. Dies berührt nicht das Widerrufsrecht, sondern nur den Wertersatz.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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