widerrufsrecht-handyvertrag

Widerrufsrecht bei Mobilfunkverträgen erlischt nicht durch SIM-Karten-Nutzung (LG Kiel)

Ein weites und rechtlich komplexes Feld ist der Verkauf von Mobilfunkverträgen bzw. Telefonen mit einem Handyvertrag über das Internet. Abgesehen davon, dass der Verbraucher mehrere Vertragsverhältnisse eingeht, nämlich zum einen zum Handy-Verkäufer und zum anderen zum Mobilfunkbetreiber, gibt es auch einen bunten Strauß offener Fragen, die das Widerrufsrecht betreffen. Neben dem Umstand, dass es unterschiedliche Verträge gibt, nämlich zum einen oftmals den (subventionierten) Kaufvertrag über ein Handy, gibt es in der Regel auch noch einen weiteren, gesondert zu betrachtenden Mobilfunkvertrag mit einem Netzbetreiber.

Für Mobilfunknetzbetreiber besonders interessant ist die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen das Widerrufsrecht beim Angebot von Dienstleistungen erlischt.

Neue Regelung ab dem 04.08.2009

Der Gesetzgeber hat zum 04.08.2009 die Frage des Erlöschens des Widerrufsrechtes bei Dienstleistungen geändert. Ab dem 04.08.2009 erlischt das Widerrufsrecht bei Dienstleistungen dann vorzeitig, wenn

– der Vertrag von beiden Seiten

– auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers

– vollständig

– erfüllt ist,

– bevor

– das Widerrufsrecht ausgeübt wurde.

6 Voraussetzungen sind somit notwenig – somit eine ganze Menge. Nach altem Recht erlosch das Widerrufsrecht, wenn der Vertragspartner auf ausdrücklichen Wunsch mit der Dienstleistung vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat.

Nach Sim-Kartennutzung beim Handyvertrag kein Widerrufsrecht mehr?

Viele Mobilfunknetzbetreiber vertraten die Ansicht, dass nach altem Recht dies dann der Fall war, wenn die SIM-Karte des Mobilfunk-Dienstleisters genutzt wurde. Dass die Rechtslage jedoch unter Umständen ganz anders und sehr viel verbraucherfreundlicher aussehen kann, macht eine Entscheidung des Landgerichtes Kiel vom 25.03.2009, Az.: 5 O 206/08, deutlich. Das LG Kiel hatte die Klage eines Verbraucherverbandes gegen einen Mobilfunk-Telefondienstleister zu entscheiden. U. a. ging es um die Formulierung des Widerrufsrechtes. Der Telefondienstleister hatte folgende Klausel verwendet:

“Das Widerrufsrecht des Kunden erlischt vorzeitig, wenn … mit ausdrücklicher Zustimmung des Kunden vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hat oder der Kunde dies selbst veranlasst hat, z. B. unter Nutzung der … SIM-Karte die Mobilfunk-Dienstleistungen der … in Anspruch nimmt oder einen Antrag auf Rufnummermitnahme stellt.”

Im ersten Halbsatz entsprach die Formulierung dem alten amtlichen Muster. Der gesamte Rechtsstreit richtete sich nach der alten Rechtslage vor dem 04.08.2009. Man könnte meinen, dass der auf erstem Blick verbraucherfreundliche Hinweis, wann das Widerrufsrecht erlischt, nämlich bspw. durch Nutzung der SIM-Karte, eigentlich kein Problem darstellen würde. Dies gilt umso mehr, als dass sich viele Verbraucher unter abstrakten Formulierungen nur wenig vorstellen können.

Vor den Augen der Kieler Richter fand die Klausel jedoch keine Gnade:

Zum einen wurde angezweifelt, ob der Antrag des Kunden auf Rufnummermitnahme schon den Beginn der Ausführung der Dienstleistung darstellt. Spitzfindig wurde argumentiert, dass das bloße Stellen eines Antrages noch nicht das Ingangsetzen des Portierungsprozesses zur Folge hat. Hiermit könnte man noch leben.

Interessant wird es jedoch an dem Punkt, an dem die Richter sich zu der Frage äußern, ob die Nutzung einer SIM-Karte das Widerrufsrecht erlöschen lässt. In der juristischen Literatur wird hinsichtlich dieser Frage zwischen teilbaren und unteilbaren Dienstleistungen differenziert. Eine unteilbare Dienstleistung ist dann gegeben, wenn ein Widerrufsrecht nur den Vertrag als Ganzes erfasst. Teilbar dagegen sind Schuldverhältnisse, die zum Zeitpunkt des Widerrufes beendet werden können, ohne dass dem Unternehmer dadurch unzumutbare Nachteile entstünden.

Widerruf=Abrechnung

Sie ahnen es bereits: Bei einem Mobilfunkvertrag können die bisher geführten Telefongespräche und die Grundgebühr anteilig abgerechnet werden, mit der Folge, dass die Nutzung einer SIM-Karte keinen Ausschlussgrund für das Widerrufsrecht darstellt. Es heißt insofern in der Entscheidung:

“Es ist ohne Weiteres möglich, dem Kunden die bereits erbrachten Leistungen in Rechnung zu stellen. Dem Verbraucher, der die Qualität der erbrachten Dienstleistung auch in diesem Fall oftmals erst nach erstmaliger Erbringung tatsächlich wird beurteilen können, verbleibt danach die Möglichkeit, sich für die Zukunft aus dem – in der Regel für eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten geschlossenen – Vertragsverhältnis zu lösen.”

Obwohl den Mobilfunk-Dienstleistern selbstverständlich noch die Möglichkeit der Abrechnung der zu diesem Zeitpunkt genutzten Leistungen verbleibt, wird diese Entscheidung den Handel mit Mobilfunkverträgen und Verbundverträgen mit Handys erheblich erschweren. Die Entscheidung gilt im Übrigen nur bei einem Vertragsschluss im Wege des Fernabsatzes, bspw. über das Internet, nicht jedoch bei einem Vertragsschluss vor Ort in einem Telefonladen.

Nach der aktuellen Gesetzesfassung ist es ohnehin so, dass das Widerrufsrecht erst dann erlischt, wenn der Vertrag von beiden Seiten (!) vollständig erfüllt worden ist, bevor das Widerrufsrecht ausgeübt wurde. Wenn man von einer sogenannten teilbaren Dienstleistung bei Mobilfunkverträgen ausgeht, wird dieser Fall somit gar nicht eintreten.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

https://ssl-vg03.met.vgwort.de/na/777080f8034c492381b12438c77ebd5e