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Was sind die Voraussetzungen?

Kein Widerrufsrecht bei Hygiene-Produkten ab dem 13.06.2014

Versiegelung jetzt vorbereiten!

Zusammen mit der neuen Widerrufsbelehrung, die zum 13.06.2014 in Kraft tritt, gibt es auch einen neuen Ausschlussgrund, bei dem ein Widerrufsrecht nicht besteht.
Gemäß § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB (n. F.) besteht ein Widerrufsrecht nicht

– bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.

Dieser neue Ausschlussgrund des Widerrufsrechtes wird durch viele Internethändler sehnlichst erwartet. Aktuell haben Verbraucher auch bei derartigen Produkten ein Widerrufsrecht, Nachteile für den Internethändler können höchstens über seine Wertersatzansprüche geregelt werden.

Dies wird ab dem 13.06.2014 anders sein.

Abgesehen davon, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch vollkommen unklar ist, was eigentlich Ware ist, die “aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet ist”, gibt es auch ein paar praktische Voraussetzungen, die Shopbetreiber beachten sollten.

Grundsätzliche Voraussetzung: Versiegelung der Ware

Ein Ausschluss des Widerrufsrechtes bei Entsiegelung der Ware gibt es bereits jetzt schon bei dem Angebot von Datenträgern, wie CD´s oder DVD´s. Gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB besteht ein Widerrufsrecht nicht

– bei Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind.

Zu der Frage, was eigentlich ein Siegel in diesem Sinne ist, gibt es schon Rechtsprechung. Das OLG Hamm (Urteil vom 30.03.2010, Az.: 4 U 212/09) hat sich mit der Frage des Siegels beim Angebot von Software-CD´s auseinandergesetzt. Nach Ansicht des OLG Hamm setzt eine Entsiegelung (die das Widerrufsrecht dann ausschließt) begrifflich voraus, dass die Verpackung, die der Verbraucher öffnet, auch als Versiegelung erkennbar ist. Das OLG Hamm führt hierzu aus:

“Die Entsiegelung soll dem Verbraucher deutlich machen, dass er die Ware behalten muss, wenn er diese spezielle Verpackung öffnet. Auch wenn ein ausdrücklich als solches bezeichnetes Siegel nicht erforderlich sein mag, genügt die übliche Verpackung solcher Waren mit Kunststofffolie, die auch einen anderen Zweck, wie Schutz vor Verschmutzung, erfüllen kann, insoweit ohne jede Warnung nicht. Deshalb stellt auch das Öffnen einer Cellophan-Hülle, in der die gelieferten Datenträger verpackt sind, in den Augen des Verkehrs keine solche Entsiegelung dar, weil dieser Verpackung die Prüf- und Besinnungsfunktion fehlt.”

Mit anderen Worten: Eine reine Umverpackung ist kein Siegel. Auf der anderen Seite ist eine eindeutige Bezeichnung unter Verwendung des Wortes “Siegel” nicht zwangläufig notwendig. Es kommt somit auf den Gesamtzusammenhang an.

Als Beispiel möchten wir hier eine Kontaktlinsen-Pflegeflüssigkeit (siehe Bild links) anführen, deren Verschlusskappe noch einmal durch eine besondere Folie verpackt ist. Es handelt sich wohlgemerkt nicht um die Gesamtverpackung, sondern nur um einen kleinen Teil Kunststofffolie in unmittelbarer Nähe zum Produktverschluss. Konkrete  Rechtsprechung zum Thema “Hygienesiegel” gibt es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Nach unserer Auffassung ist dies jedoch ein gutes Beispiel, bei dem man annehmen könnte, dass der Verbraucher diese Zusatzverpackung als “Siegel” erkennen kann.

Grundsätzliche Voraussetzung für den Ausschluss des Widerrufsrechtes ist, dass die Ware “versiegelt” ist. Wir gehen davon aus, dass es eine Vielzahl von Produkten gibt, bei denen die grundsätzliche Voraussetzung “aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet” zwar gegeben ist, bei denen jedoch ein Siegel fehlt. Ohne Siegel kann und wird es den Ausschluss eines Widerrufsrechtes jedoch nicht geben. Hersteller, wie auch der Handel, sollten sich somit frühzeitig dieser Thematik annehmen und für eine entsprechende Versiegelung der Produkte sorgen. Um Missverständnisse von vornherein auszuschließen, empfiehlt es sich, die Siegel auch als solche zu bezeichnen. Bereits jetzt nicht unüblich ist der Begriff des “Hygiene-Siegels”.

Allgemein dient ein Siegel der Sicherstellung der Unversehrtheit von Gegenständen oder Behältnissen. Es versteht sich von selbst, dass der Begriff des Siegels nicht gegeben sein kann, wenn dieses entfernt und ohne, dass dies zu erkennen wäre, wieder angebracht werden kann. Dies wäre denkbar bei einem Klebeband, das einfach abgezogen und hinterher wieder aufgebracht werden kann.

Welche Produkte sind vom neuen Ausschluss des Widerrufsrechts umfasst?

Das Gesetz spricht lediglich von Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind.

Um was für Produkte es sich dabei handelt, bleibt vollkommen unklar. Auch die Gesetzgebungsbegründung trifft dazu keine Aussagen.

Ein Indiz könnte die Rechtsprechung zum bisherigen § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB geben. Aktuell besteht das Widerrufsrecht nicht, wenn die Ware auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignet ist. Diese Regelung war bisher der einzige Notnagel, auf den sich Shopbetreiber (meistens vergeblich) berufen haben.

… aus Gründen des Gesundheitsschutzes

Notwendig wird eine abstrakte oder konkrete gesundheitliche Gefährdung des Kunden sein, der ein im Rahmen des Widerrufsrechtes bereits einmal  zurückgesendetes geöffnetes Produkt erneut kauft und dann verwendet. Ein Beispiel sind Arzneimittel. Es versteht sich von selbst, dass Arzneimittel aus Gründen der Arzneimittel-Sicherheit nicht ein zweites Mal in den Verkehr gebracht werden dürfen. So muss bspw. der Arzneimittel-Großhandel zurückgenommene, nicht verkehrsfähige oder ungekennzeichnete Arzneimittel aus Gründen des Gesundheitsschutzes vernichten.

Bei Medizin-Produkten dürfte es auf den Einzelfall ankommen. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Medizinproduktegesetzes dürfen Medizin-Produkte nicht in den Verkehr gebracht werden, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten etc. unmittelbar oder mittelbar gefährden. Medizin-Produkte sind jedoch ein weites Feld. Die Rückgabe eines Rollstuhls ist auf jeden Fall anders zu beurteilen, als bspw. Kontaktlinsen.

Anwendbar bei Lebensmitteln?

Geöffnete Lebensmittel stellen nicht per se eine gesundheitliche Gefährdung dar. Zu berücksichtigen wird hier jedoch sein, dass zum einen das Mindesthaltbarkeitsdatum bei einem bereits geöffneten Produkt nicht mehr gewährleistet ist. Zum anderen möchte sicherlich kein Kunde ein geöffnetes Lebensmittel im Wege der “Zweitverwertung” erhalten, bei dem er nicht genau weiß, was der erste Käufer damit gemacht hat.

Ist der Verschluss einer Konservendose oder der Korken einer Flasche jedoch bereits ein Siegel?

Hygiene-Artikel

Der Ausschlussgrund “aus Gründen der Hygiene” ist seinem Umfang nach vollkommen ungeklärt. Es geht in diesem Fall wohl weniger um eine konkrete Gesundheitsgefährdung als vielmehr um ein allgemeines “Ekelgefühl” bei dem Gedanken, dass ein bestimmtes Produkt durch einen anderen bereits genutzt wurde. Es dürfte somit in der Praxis darauf ankommen, ob ein Kunde allgemein bereit wäre, eine Retour-Ware, die bereits einmal in den Verkehr gebracht wurde, aus hygienischen Gründen zu akzeptieren oder nicht.

In der Literatur wird vorgeschlagen, Hygiene-Produkte als solche Produkte zu definieren, die bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme in Körperöffnungen, wie Nase, Mund und Ohr, eingeführt werden können oder sonst intensiver mit dem Körper und seinen Ausscheidungen in Berührung kommen können. Hierzu gehören neben Zahnbürsten, Windeln, Tampons, Nasenhaarschneidern etc. auch Erotikspielzeuge aller Art. Denkbar ist eine Anwendung unter Umständen auch bei Kopfhörern, die man direkt in den Gehörgang einführt (sog. In Ear Kopfhörer).
Dies sind letztlich alle Produkte, die bei geöffneter Original-Verpackung (und zukünftig notwendiger Versiegelung!) kein Verbraucher als Retour-Ware wird haben wollen.

Textilien, insbesondere Unterwäsche

Spannend wird die Frage werden, ob bestimmte Textilien unter den “hygienischen Ausschlussgrund” fallen. Ähnlich wie bei Hygiene-Artikeln kommen diese intensiver mit dem Körper in Berührung. Hierbei wird man zwischen der Art der Textilien unterscheiden müssen. Es ist vollkommen unproblematisch, eine Hose oder einen Pullover anzuprobieren und diesen dann bei Nichtgefallen zurückzusenden. Allein bei Schuhen kann man schon über diese Frage diskutieren. Nicht umsonst gibt es in gut geführten Schuhläden Probesocken, die verhindern, dass ein Kunde einen Schuh barfuß ausprobiert.

Besonders interessant ist diese Thematik bei Unterwäsche:

Unterwäsche kommt durchaus mit dem Intimbereich eines Menschen in Berührung. Gleiches gilt auch für Bademode. Auch hier wird man differenzieren müssen.  Während das Anprobieren von Bademode in einem Ladengeschäft durchaus üblich ist, sieht dies bei Unterwäsche etwas anders aus. Häufig ist es so, dass bei Bademode an den “kritischen Stellen” entsprechende Schutzfolien angebracht sind. Dies ist bei Unterwäsche bisher nicht der Fall.

Wir meinen, dass getragene Unterwäsche (und sei sie auch nur anprobiert) aus allgemeinen hygienischen Gründen als Retour-Ware einem Verbraucher nicht vermittelbar, geschweige denn verkäuflich ist. Wer möchte schon eindeutig getragene Unterwäsche, und sei es auch nur zum Anprobieren, kaufen?

Ob dieser Produktbereich letztlich dem Ausschlussgrund des Hygiene-Produktes zukünftig ab dem 13.06.2014 unterliegen wird, wird durch die Rechtsprechung zu klären sein. Grundsätzlich gilt jedoch auch hier: Ohne eine als solche erkennbare Versiegelung ist ein Ausschluss des Widerrufsrechtes grundsätzlich nicht möglich, egal, ob das Produkt nun in den Anwendungsbereich dieser Regelung fällt oder nicht. Wie man Unterwäsche versiegelt ist zum jetzigen Zeitpunkt noch vollkommen unklar.

Kosmetik

Bei Kosmetik kommen je nach Produkt nach unserer Auffassung beide Anwendungsbereiche zur Anwendung. Ein geöffnetes Kosmetikprodukt, bei dem der Zweitkäufer nicht weiß, was der erste Käufer damit getrieben hat, dürfte bereits aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht mehr verkehrsfähig sein. Es gilt hier letztlich das Gleiche wie bei Lebensmitteln.
Wenn es sich um Produkte handelt, die mit dem Körper intensiver in Kontakt kommen (bspw. ein Deo-Roller), kann auch der Hygiene-Aspekt eine große Rolle spielen.

Der Handel sollte die Versiegelung vorbereiten

Es versteht sich fast von selbst, dass der Handel auf diesen neuen Ausschlussgrund des Widerrufsrechtes nicht vorbereitet ist und nicht vorbereitet sein kann. Hintergrund ist, dass es die bisherige Verpflichtung zur Versiegelung derartiger Produkte nicht gab. Bei vielen Produkten ist dies zwar (vgl. oben die Kontaktlinsen-Flüssigkeit) bereits der Fall. In den allermeisten Fällen wird es jedoch aktuell nichts geben, was vor den Augen der Rechtsprechung zukünftig als Siegel im Rechtssinne Bestand hätte.

Der Handel sollte somit mit den Herstellern frühzeitig eine ordnungsgemäße Versiegelung der Produkte klären und entsprechend notwendige Schritte einleiten. In einigen Fällen wird die Rechtsprechung klären müssen, ob bestimmte Produkte überhaupt unter die Ausschlussregelung fallen.

Internethändler müssen ferner darauf achten, Verbraucher zukünftig auch über diesen Ausschlussgrund des Widerrufsrechtes zu informieren. Das amtliche Muster sieht dazu keine Informationen vor. 

Wir beraten Sie.

Stand: 23.02.2014

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock  

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