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Widerrufsrecht bei Lieferung an Firmenadresse? (BGH)

Das Widerrufsrecht bei Bestellungen im Internet gilt ausschließlich für Verbraucher. Die Definition des Verbrauchers ergibt sich aus § 13 BGB:

§ 13 Verbraucher

Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.

In der Praxis gibt es immer wieder Probleme bei der Frage, ob die Bestellung durch einen Verbraucher oder durch einen Unternehmer ausgelöst wurde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn als Lieferadresse eine Firmenadresse angegeben ist. Selten ist dieser Fall nicht, da durch die Lieferung der Ware an die Firma, in der der Besteller tätig ist, gewährleistet ist, dass auch jemand da ist, der die Warensendung entgegennimmt.

Da es in diesem Bereich häufig Streitigkeiten gibt, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Bundesgerichtshof zu dieser Frage Stellung nehmen würde. Dies hat er nunmehr mit Urteil vom 30.09.2009, Az.: VIII ZR 7/09, getan. Hintergrund der Entscheidung war die Bestellung einer Rechtsanwältin von drei Lampen über eine Internetplattform. In der Liefer- und Rechnungsadresse gab die Rechtsanwältin ihren Namen an und die Anschrift der Kanzlei unter Angabe des Kanzleinamens. Die Rechtsanwältin widerrief den Kaufvertrag mit der Begründung, dass die Lampen für ihre Privatwohnung bestimmt gewesen seien und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof wiederum hatte der Klage dann stattgegeben. In der Pressemitteilung des BGH heißt es:

“Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine natürliche Person, die – wie die Klägerin – sowohl als Verbraucher (§ 13 BGB), als auch in ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Unternehmer (§ 14 BGB) am Rechtsverkehr teilnimmt, im konkreten rechtsgeschäftlichen Handeln lediglich dann nicht als Verbraucher anzusehen ist, wenn dieses Handeln eindeutig im Zweifelsfall ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn das in Rede stehende Rechtsgeschäft objektiv in Ausübung der gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit der natürlichen Person abgeschlossen wird (§ 14 BGB). Darüber hinaus ist rechtsgeschäftliches Handeln nur dann der unternehmerischen Tätigkeit der natürlichen Person zuzuordnen, wenn sie dies Ihrem Vertragspartner durch ihr Verhalten unter den konkreten Umständen des Einzelfalls zweifelsfrei zu erkennen gegeben hat.

Nach Ansicht des BGH war im vorliegenden Fall die Rechtsanwältin als Verbraucherin tätig geworden, da sie die Lampen für die Privatwohnung kaufte. Konkrete Umstände, aus denen der Händler hätte zweifelsfrei schließen können, dass der Lampenkauf für die freiberufliche Sphäre der Klägerin zuzurechnen gewesen seien, lagen nicht vor. Insbesondere reicht die Angabe einer Kanzleianschrift als Liefer- und Rechnungsadresse nicht für eine Eindeutigkeit des Handelns aus.”

Mit anderen Worten:

Wenn die objektiven Umstände dafür sprechen, dass hier ein Verbraucher gehandelt hat, liegt auch ein Widerrufsrecht vor. Etwas anderes dürfte bspw. dann gelten, wenn die Rechtsanwältin eine Robe, ein Diktiergerät oder juristische Fachliteratur bestellt hätte.

Bedauerlich ist, dass der BGH insbesondere die Angabe eines Unternehmens als Rechnungsadresse nicht als eindeutig für ein gewerbliches Handeln ansieht. Wir wissen aus unserer Beratungspraxis durchaus, dass Unternehmer bei Privatbestellungen darum bitten, dass die Firmenschrift in die Rechnungsadresse mit aufgenommen wird, vermutlicher Weise deshalb, um die entsprechende Bestellung als Betriebsausgaben absetzen zu können. Auch hier dürfte es auf den Einzelfall ankommen.

Wenn somit eine Lieferung an die Adresse eines Gewerbetreibenden erfolgt bei Produkten, die eigentlich nur Verbraucher verwenden, dürfte ein Widerrufsrecht gegeben sein. Bei einem Produkt, das sowohl beruflich wie auch privat benutzt werden kann (bei Lampen durchaus nicht undenkbar), kommt es auf den Einzelfall an.

Die Rechnungsadresse selbst kann nur ein Indiz sein, nicht jedoch mehr.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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