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Wertersatz nach Widerruf eines Kaufvertrages: Wie kann der Wertersatz berechnet werden?
Bei einem Kaufvertrag im Wege des Fernabsatzes (z.B. im Internet), oder außerhalb von Geschäftsräumen, hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht. Die Widerrufsfrist beträgt mindestens 2 Wochen ab Erhalt der Ware.
Widerruft der Verbraucher fristgemäß den Vertrag, kann der Verkäufer unter Umständen Wertersatz geltend machen.
Voraussetzung dafür, dass der Verkäufer einen Wertersatz geltend machen kann, ist eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Gibt es keine oder nur eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung, kann kein Wertersatz gemacht werden, die Widerrufsfrist beträgt in diesem Fall zudem 12 Monate und 14 Tage.
Wann muss der Verbraucher Wertersatz leisten?
Die Frage, wann überhaupt nach Erhalt einer Ware nach einem Widerruf Wertersatz geleistet werden muss, hängt ganz stark vom Einzelfall ab. Gemäß § 357 a Abs. 1 Nr. 1 BGB muss ein Verbraucher Wertersatz für den Wertverlust einer Ware leisten, sofern der Wertverlust auf einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaft und der Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist.
Ob somit bei einem Ausprobieren oder Nutzen eines Produktes Wertersatz geltend gemacht werden kann, hängt stark vom Einzelfall ab. In der alten Widerrufsbelehrung hieß es sinngemäß, dass Wertersatz geltend gemacht werden kann, wenn die Ware so ausprobiert wird, wie es im Ladengeschäft nicht möglich gewesen wäre.
Dieser Grundsatz gilt eigentlich nach unserem Eindruck bis heute.
Die Rechtsprechung zu dem Thema ist nach unserem Eindruck eine Einzelfall-Rechtsprechung. So kann z.B. bei dem Internetkauf eines Wasserbettes kein Wertersatz geltend gemacht werden, da die Prüfung eines Wasserbettes notwendigerweise eine Ingebrauchnahme voraussetzt, so der Bundesgerichtshof, Az. VIII ZR 337/09.
Der Verbraucher soll grundsätzlich die Gelegenheit haben, die durch Vertragsschluss im Fernabsatz gekaufte Ware in Augenschein zu nehmen und auszuprobieren. Dabei sei zu berücksichtigen, so der BGH, dass der Kunde im Ladengeschäft durch ausgestellte Musterstücke sich einen unmittelbaren Eindruck von der Ware verschaffen und diese danach ausprobieren kann.
Der Wegfall der Wertersatzpflicht in diesem Fall gilt selbst dann, wenn das Ausprobieren der Ware nach einem Widerruf zur Unverkäuflichkeit der Ware führt.
Praxisbeispiel: Wertersatz bei einem Autokauf im Wege des Fernabsatzes
In einer aktuellen Entscheidung hatte sich das Landgericht Nürnberg-Fürth (LG Nürnberg-Fürth), Urteil vom 23.04.2025, Az. 16 O 5436/24 mit dem Widerruf eines Fahrzeugvertrages zu befassen.
Mutmaßlich ging es um ein Tesla. Der Käufer widerrief den Vertrag. Er gab das Fahrzeug mit 515 gefahrenen Kilometern zurück.
Der Händler zog einen Wertersatz i.H.v. 20% ab.
Wertersatz möglich
Das Gericht sah – nach unserer Auffassung zutreffenderweise – die Geltendmachung eines Wertersatzes als zulässig an. Hintergrund war, dass ein Fahrzeug im stationären KFZ-Handel mit einer Probefahrt getestet werden kann. Insbesondere hatte der Verkäufer die Möglichkeit eröffnet, ein ähnliches Fahrzeug Probe zu fahren, bevor der Kaufvertrag abgeschlossen wird.
Berechnung des Wertersatzes
Das Gericht hatte, bezogen auf den Händler-Verkaufspreis einen Wertersatz von 20% zugrunde gelegt.
Entscheidend ist der objektive Wert der Ware, einschließlich des vom Händler kalkulierten Gewinns. Der Verbraucher ist verpflichtet, den Wertverlust auszugleichen, der an der Kaufsache eingetreten ist.
Maßgeblich für den Verkäufer ist der Einkaufspreis. Es handelt sich dabei bezogen auf ein Fahrzeug um den Preis, zu dem ein Verbraucher das (gebrauchte) Fahrzeug veräußern kann. Dieser Preis stellt zum Zeitpunkt der Rückgabe den Wert des Fahrzeuges für den Händler dar. Die Differenz zum Händler-Verkaufspreis einschließlich Gewinn ist der zu erstattende Wertersatz.
Wertersatz nach Widerruf in der Praxis
Nach unserem Eindruck gibt es relativ wenige gerichtliche Entscheidungen zum Thema Höhe des Wertersatzes nach Widerruf. Dies mag daran liegen, dass bei einem Widerruf von eher kleinpreisigen Artikeln viele gewerbliche Verkäufer eine Auseinandersetzung mit dem Verbraucher über geringe Wertersatzbeträge scheuen.
Wenn überhaupt ein Wertersatz geltend gemacht werden kann, was jeweils eine Einzelfall-Entscheidung ist, dürfte der objektive Wert der zurückgesandten Ware im Vergleich zum Verkaufspreis entscheidend sein.
Wir beraten gewerbliche Verkäufer bei der Frage des Wertersatzes nach einem Widerruf.
Stand: 14.05.2025
Es berät Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard