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Internetrecht-Rostock.de vor dem OLG Hamm erneut erfolgreich gegen den IDO e.V. – Vertragsstrafe abgewiesen
Der IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) hatte in der Vergangenheit massenhaft abgemahnt und vielfach auch Vertragsstrafen geltend gemacht. Allerdings ist seit geraumer Zeit umstritten, ob das entsprechende Vorgehen des Vereins rechtsmissbräuchlich ist. In einem von uns betreuten Verfahren vor dem OLG Hamm konnten wir für den von uns vertretenen Onlinehändler nun klären, dass der Vertragsstrafenforderung des Vereins der Rechtsmissbrauchseinwand entgegensteht. Das Gericht hat die Vertragsstrafenklage des Vereins abgewiesen (OLG Hamm, Urteil vom 27.05.2025, Az. I-4 78/22, rechtskräftig). Der IDO muss nun die Kosten des Verfahrens tragen. Warum der Weg zu diesem Urteil besonders steinig war und was das Urteil für noch laufende Parallelverfahren bedeutet, erläutern wir im nachfolgenden Beitrag:
Ein steiniger Weg mit Zwischenstopp beim BGH
Ein Aspekt, um den es in dem gesamten Rechtsstreit ging, war die Anzahl der Abmahnverfahren, die nicht weiterverfolgt worden sind, obwohl keine Unterlassungserklärungen abgegeben worden sind. Hieran hatte sich bereits das LG Essen gestört, welches die Vertragsstrafenklage des IDO in der ersten Instanz dann auch unter anderem unter Verweis auf diesen Aspekt abgewiesen hatte: Der Geltendmachung der Vertragsstrafe stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, denn von einem Wettbewerbsverband könne erwartet werden, dass er nur in den Fällen Abmahnungen ausspricht, die er gegebenenfalls einer gerichtlichen Klärung zuführen möchte. (LG Essen, Urteil vom 25.02.2022, Az. 45 O 23/21)
Im Berufungsverfahren bestätigte das OLG Hamm die erstinstanzliche Entscheidung des LG Essen, und zwar zusammengefasst mit der folgenden Begründung: Der Geltendmachung der Vertragsstrafe stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, weil der Verein unstreitig eine große Zahl von Abmahnungen ausgesprochen hatte, ohne dass er bei Abgabe einer Unterlassungserklärung eine gerichtliche Klärung herbeigeführt hat. (OLG Hamm, Urteil vom 30.05.2023, Az. I-4 U 78/22)
Im Revisionsverfahren hob der BGH das Urteil des OLG Hamm dann allerdings auf und verwies den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das OLG Hamm. Begründung: Dem Urteil des OLG Hamm liege eine unvollständige und damit rechtsfehlerhafte Abwägung zugrunde. In die erneut vorzunehmende umfassende Gesamtabwägung seien auch die weiteren Umstände des Streitfalls einzubeziehen. (BGH, Urteil vom 07.03.2024, Az. I ZR 83/23 – Vielfachabmahner II)
Auch mit dem neuen Urteil nimmt das OLG Hamm Rechtsmissbrauch an
Bereits in der erneuten mündlichen Verhandlung beim OLG Hamm wurde deutlich, dass das Gericht das Vorgehen des IDO nach wie vor als rechtsmissbräuchlich bewertet. Inzwischen liegt das Urteil des OLG Hamm mit Begründung vor, und die hat es in sich:
Das OLG Hamm beschäftigt sich zunächst mit dem Verfahren der Mitgliedergewinnung beim IDO und stellt hierzu fest, dass die Steuerung der Mitgliedschaft strukturell auf eine Mitwirkung verengt ist, die im Ausgangspunkt auf die Zahlung von Beiträgen reduziert ist, wodurch Strukturen geschaffen werden, die darauf ausgerichtet sind, aktive Mitgliedschaften zu begrenzen oder gar zu verhindern und gleichzeitig durch ein breit angelegtes Spektrum passiver Mitglieder eine weite Klagebefugnis zu schaffen, die den Verband erst in die Lage versetzt, in einem sehr weiten Umfang Abmahntätigkeiten zu ermöglichen, die ihrerseits die Voraussetzung für das Abschließen von Vertragsstrafenvereinbarungen darstellt.
Im Weiteren setzt sich das OLG Hamm mit der Vergütungspolitik des IDO auseinander und stellt hierzu fest, dass die Vergütungspolitik bedenklich sei, wenn die Entscheidung hierüber durch die Mitgliederstruktur gefördert wird. Daraus resultiere die besondere Gefahr, dass die Einnahmen durch hohe Vergütungen letztlich überwiegend dem Interesse weniger Beteiligter und gerade nicht der Finanzierung der im öffentlichen Interesse gewährten Möglichkeit zur Abmahn- und Klagetätigkeit zufließen. Gerade dadurch entferne sich der Verband von seiner selbst auferlegten Zielsetzung.
Anschließend beschäftigt sich das OLG Hamm mit der unterschiedlichen Behandlung von Mitgliedern und Nichtmitgliedern im Fall von Wettbewerbsverletzungen sowie der Fassung der in dem konkreten Fall mit der Abmahnung übersandten vorformulierten Unterlassungserklärung.
Am Ende geht das OLG Hamm auf die Abmahnverfahren ein, die der IDO nicht weiterverfolgt hatte, obwohl keine Unterlassungserklärungen abgegeben worden waren:
„Ein weiteres Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen stellt es ferner dar, wenn bei wettbewerbsrechtlich zweifelhafter Beurteilung in großer Zahl Abmahnungen ausgesprochen werden, ohne dass bei Ausbleiben einer Unterwerfung eine gerichtliche Klärung herbeigeführt wird. Dadurch kann sich der Verdacht aufdrängen, die Abmahntätigkeit werde in erster Linie dazu eingesetzt, Ansprüche auf Aufwendungsersatz und ggf. Vertragsstrafenansprüche entstehen zu lassen (…).
(aa)
Zunächst einmal hat der Kläger (…) eine Vielzahl der von ihm in den Jahren 2017 bis 2021 ausgesprochenen Abmahnungen nicht weiterverfolgt. (…)
(bb)
zwar verweist der Kläger darauf, dass die unterbliebene gerichtliche Weiterverfolgung jeweils sachgerecht gewesen sei und mit seinen satzungsmäßigen Zielen im Einklang gestanden habe. (…)
(cc)
(…)
(dd)
Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er in dem von ihm vorgetragenen Umfang jeweils aus den von ihm benannten Gründen auf eine weitere gerichtliche Klärung der erfolglos abgemahnten Sachverhalte verzichtete. (…)
Allerdings verbleibt es nach dem Sachvortrag des Klägers auch in Ansehung dieser – ggf. für ihn sprechenden – Umstände dabei, dass er (jedenfalls) im Jahr 2020 bei wettbewerbsrechtlich zweifelhafter Beurteilung in großer Zahl Abmahnungen ausgesprochen hat, ohne diese bei Ausbleiben einer Unterwerfung einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. So hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben in 25 Prozent der im Jahr 2020 von ihm trotz unterbliebener Unterwerfung nicht weiterverfolgten Fälle – d.h. in einer erheblich ins Gewicht fallenden Zahl von Fällen – Abmahnungen ausgesprochen, obwohl die Sachverhalte wettbewerbsrechtlich nicht eindeutig zu beurteilen waren, was ein weiteres Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellt (…).“
Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung kommt das OLG Hamm dann zu dem folgenden Schluss:
„Die vorstehend dargestellten Umstände mögen jeweils für sich betrachtet nicht den hinreichend sicheren Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Abmahnverhalten des Klägers zulassen. In der vom Senat anzustellenden Gesamtabwägung führen sie jedoch dazu, dass ein rechtsmissbräuchliches Handeln des Klägers anzunehmen ist, so dass die Geltendmachung der Vertragsstrafe gemäß § 242 BGB ausgeschlossen ist.“
Die (neuerliche) Zulassung der Revision hielt das OLG Hamm für nicht angezeigt. Weder habe die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordere die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes.
Die Obergerichte sind nach wie vor uneinig – und jetzt?
Auch wenn uns die neue Entscheidung des OLG Hamm für den von uns vertretenen Onlinehändler wie auch für alle anderen Onlinehändler freut, steht eine abschließende Beurteilung des Vorgehens des IDO weiterhin aus. Die Obergerichte kommen bei ihren Prüfungen anhand der Vorgaben des BGH aus dem Urteil Vielfachabmahner II nämlich zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Zumindest das OLG Celle und das OLG Dresden hatten in von uns betreuten Verfahren zuletzt jedoch ebenfalls Vertragsstrafenklagen des IDO abgewiesen und den von uns vertretenen Onlinehändlern Recht gegeben.
Sie sollen auch eine Vertragsstrafe an den IDO zahlen oder haben bereits eine Klage des IDO erhalten?
Gern beraten wir Sie, welches Vorgehen in Ihrem Fall sinnvoll ist. Sprechen Sie uns einfach an.
Stand:04.06.2025
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Andreas Kempcke