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BGH: Wann verjährt eine Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch?

Eine Unterlassungserklärung, sei es im Urheberrecht, im Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Designrecht oder Patentrecht, etc. ist nur dann ausreichend, wenn für den Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe versprochen wird.

Zur Gestaltung des Vertragsstrafeversprechens gibt es zwei Möglichkeiten:

Entweder die Unterlassungserklärung enthält eine feste Vertragsstrafe, d.h. eine feste Summe für den Fall der Zuwiderhandlung. Sehr viel häufiger und eigentlich die Regel ist eine Vertragsstrafe nach dem sogenannten neuen Hamburger Brauch:

In diesem Fall gibt es keine feste Vertragsstrafe, sondern für den Fall der Zuwiderhandlung verspricht der Unterlassungsschuldner dem Unterlassungsgläubiger eine angemessene Vertragsstrafe, die, falls es keine Einigung über die Höhe der Vertragsstrafe außergerichtlich gibt, gerichtlich überprüft werden kann.

BGH zur Verjährung der Vertragsstrafe

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 27.10.2022, Az.: I ZR 141/21 (Vertragsstrafenverjährung) hat sich nunmehr zur Frage geäußert, wann ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch verjährt.

Im Leitsatz heißt es:

„Bei einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht, bevor der Gläubiger die Höhe der vom Schuldner verwirkten Vertragsstrafe festgelegt hat und der Vertragsstrafenanspruch damit fällig geworden ist.“

Worum ging es?

Der Beklagte hatte im Jahr 2013 aufgrund einer Urheberrechtsverletzung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Inhalt der Unterlassungserklärung war, es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Kläger zu bestimmenden, im Streitfall durch das zuständige Gericht zu überprüfenden angemessenen Vertragsstrafe zu unterlassen, ein Lichtbild öffentlich zugänglich zu machen.

Noch bis Mai 2014 verwendete der Beklagte die Produktabbildung auf verschiedenen Länderseiten der Internethandelsplattform eBay. Der Urheber forderte daher im Dezember 2016 zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.600,00 Euro auf. Der Beklagte verweigerte die Annahme des Einschreibens, woraufhin der Klägerin im Dezember 2017 ein inhaltsgleiches Einschreiben versandte sowie eine E-Mail.

Im Oktober 2019 sowie im November 2019 wurde der Beklagte noch einmal zur Zahlung der Vertragsstrafe aufgefordert.

Am 23.12.2019 wurde daraufhin beim Amtsgericht die Vertragsstrafe gerichtlich anhängig gemacht.

Der Beklagte verteidigte sich mit der Einrede der Verjährung.

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.

Nach Ansicht der Vorinstanzen sei der Vertragsstrafenanspruch mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt. Die Verjährung habe mit Ablauf des Jahres 2014 begonnen, in dem die Zuwiderhandlung des Beklagten zuletzt erfolgt sei.

Keine Verjährung zum Zeitpunkt des Verstoßes, sondern ab Bezifferung der Vertragsstrafe

Nach Ansicht des BGH beginnt die Verjährung bei einem Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung nicht mit dem Verstoß, sondern mit Entstehung des Vertragsstrafenanspruches. Dazu gehört die Kenntnis des Unterlassungsgläubigers von der Zuwiderhandlung. Die Verjährung beginnt, wenn die Vertragsstrafe dann erstmals geltend gemacht wird.

Obwohl es sich um Verstöße aus dem Jahr 2014 handelt, begann die 3-jährige Verjährung somit erst zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung im Jahr 2016. Dass der Beklagte im Übrigen ein Einwurfeinschreiben nicht angenommen hatte, mit dem ihm gegenüber die Vertragsstrafe beziffert wurde, ist dabei unerheblich.

Nach Ansicht des BGH wird eine Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch nicht schon mit der Zuwiderhandlung fällig, sondern erst dann, wenn der Gläubiger eine angemessene Höhe der Vertragsstrafe gegenüber dem Schuldner bestimmt und konkretisiert.

Dadurch das zuerst im Dezember 2016 die Vertragsstrafe eingefordert wurde, begann die 3-jährige Verjährung erst mit Ablauf des Jahres 2016.

Die Forderung war daher noch nicht verjährt.

Ggf., dies erwähnt der BGH ebenfalls, kann eine erheblich verzögerte Geltendmachung einer Vertragsstrafe im Einzelfall nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB unzulässig sein.

Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Abgemahnte darauf vertrauen durfte, dass keine Vertragsstrafe mehr verlangt wird.

Unterlassungserklärung ist lange wirksam

Aus unserer Beratungspraxis ist uns bekannt, dass Abgemahnte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung häufig aus den Augen verlieren. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ist sehr lange wirksam (nach unserer Auffassung mindestens 30 Jahre).

In der Praxis wird, dies gilt insbesondere bei Wettbewerbsverstößen, die Existenz einer Unterlassungserklärung zum Teil vergessen. Dies liegt nicht nur am Zeitablauf, sondern auch daran, dass Mitarbeiter im Unternehmen gewechselt haben oder neu hinzugekommene Mitarbeiter nicht über die Existenz einer strafbewehrten Unterlassungserklärung informiert wurden.

Aus unserer Beratungspraxis sind uns jedenfalls einige Fälle bekannt, in denen Jahre nach Abgabe einer Unterlassungserklärung dann eine Vertragsstrafe geltend gemacht wurde.

Wir beraten Sie, wenn Sie eine Vertragsstrafe zahlen sollen.

Stand: 21.11.2022

Es beraten Sie: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke